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Syrien 2013 – ein Prüfstein der globalen Menschlichkeit

Emanuel Aydin

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Sehr geehrte Repräsentanten der verschiedenen Konfessionen!

 

Sehr geehrte Vertreter der politisch Verantwortlichen und zivilen Autoritäten!

 

Sehr geehrten Damen und Herren!

 

 

Als orientalischer Christ stamme ich aus einer Region, in der einst Propheten, die Apostel Jesu und viele Kirchenväter lebten und wo Menschen verschiedener Konfessionen, vor allem der Abrahamitischen Religionen, immer noch beisammen und miteinander leben.

 

Wir bezeugen, dass unsere Religionen von Gott und von Frieden, Liebe und Gerechtigkeit künden. Liebe, Friede und Gerechtigkeit – Eigenschaften Gottes.

Die Abrahamitischen Religionen singen somit dasselbe Lied: Gott ist die Liebe, und ER will Frieden und Gerechtigkeit.

 

Andererseits sind wir orientalischen Christen aber mit Leid erfüllt. Denn es ist eine beschämende Wahrheit, dass Religion und Ethik gerade im Orient  oft und vielfach die Grundlage für Zwietracht und Gewalt sind. Und wir müssen erkennen, dass die Tendenz mancher Gläubiger zu religiösem Übereifer, zu Intoleranz und zu Gewaltbereitschaft nicht selten von politischen Kräften genutzt werden, um ihre Sonderinteressen zu verfolgen, um Menschen in Abhängigkeit zu halten und um von ihren eigenen Misserfolgen abzulenken.

 

Religiöser Fanatismus und politischer Egoismus stürzen Menschen ins Unglück, bringen Blutvergießen und destabilisieren ganze Regionen. Das macht uns traurig und erfüllt uns mit großer Sorge.

 

Dennoch verlieren die christlichen Kirchen ihre Zuversicht und den Glauben an Gott und die Würde des Menschen nicht. Auch im Chaos und trotz Schikanen und grausamer Umstände versuchen wir mit allen Kräften, das Erbe der Barmherzigkeit und der Kultur des friedlichen Zusammenlebens zu bewahren. Der liturgische Gruß: “Der Friede sei mit euch“, ist nicht einfach eine fromme Floskel. Wir sind verpflichtet, den Frieden, den wir von Gott empfangen haben, weiterzugeben. Jeder und jede von uns ist aufgerufen, Licht des Friedens zu sein, damit die Dunkelheit besiegt wird. SO KANN DIE WELT GEHEILT WERDEN.

In diesem Sinne nähern wir uns Gott und einander betend und gebend.

 

Wo aber keine Kerzen des Friedens angezündet werden, dort herrscht Dunkelheit. Dort verkümmert die Liebe. Und wo die Liebe verkümmert, geht Gemeinschaft verloren, gehen Staat und Gesellschaft zugrunde, zerfällt Kultur. Die Bibel warnt uns davor mit der Geschichte von SODOM UND GOMMORA. Aber viele sind auch heute nicht bereit, diese Warnung zu beherzigen.

 

Und das ausgerechnet in Syrien, wo der Apostel Paulus die ersten christlichen Gemeinden gründete. Von der UN-Nothilfe-Koordinatorin, Frau Valerie Amos, hörten wir vor wenigen Tagen einen Aufschrei der Verzweiflung, als sie beklagte, dass bereits zwei Millionen Menschen über die Grenzen Syriens geflohen seien, vier Millionen sich innerhalb des Landes auf der Flucht befänden und wir nicht nur die Zerstörung des Landes, sondern auch seines Volkes sähen.

Es ist sogar noch schlimmer; und man muss sich fragen: Wessen Agenda wird hier eigentlich betrieben?

 

Starr vor Entsetzen und ohnmächtiger Wut blicken wir nach Syrien, das im Begriff ist, zur größten humanitären Katastrophe dieses Jahrhunderts zu werden. Aber passive Verzweiflung ist nicht die richtige Waffe gegen die Mächte des Bösen, besonders, wenn diese eine derartige Dimension erlangt haben. Auch Wegschauen und die gleichgültige, teilnahmslose Abwendung, hin zu den routiniert zu bewältigenden Alltagsgeschäften, sind keine angemessenen Reaktionen.

 

Wir müssen vielmehr kompromisslos nach der Wahrheit fragen, die Mächtigen energisch zu Verantwortungsbewusstsein und Redlichkeit ermahnen, aber auch unseren eigenen, ganz persönlichen Beitrag zur Linderung der Not leisten.

 

Dafür ist die heutige Zusammenkunft ein erster wichtiger Schritt. Ich danke daher den Veranstaltern, Sponsoren und Aktivisten sehr herzlich für diese verdienstvolle Initiative und ihr Engagement sowie für die ehrenvolle Einladung an mich, hier heute zu sprechen. Liebenswürdigerweise wird uns Frau Seiko Lee mit ihrer Kunst bei unserem Vorhaben begleiten. Das Schöne ist bekanntlich die Schwester des Wahren und des Guten – daher gilt unser besonderer Dank auch Frau Seiko Lee.

 

Die Menschen im Mittleren Osten schreien: Warum das alles? Wer steckt dahinter? Wer sind die Drahtzieher? Haben wir es hier mit einem gewalttätigen, innerislamischen Streit zwischen Sunniten und Schiiten zu tun? Ist das ein Versuch zur Auslöschung ethnischer und religiöser Minderheiten mit dem Ziel eines islamischen Gottesstaates, der den gesamten Mittleren Osten, dann den gesamten Orient und schließlich die ganze Welt umfassen soll? Haben wir es nicht auch mit verfehlter internationaler Politik und verblendenden Illusionen zu tun, die auf Kosten Israels und seiner Integrität überregionale Ziele verfolgt? Alles davon scheint einen zutreffenden Aspekt der Wirklichkeit dieses monströsen Konflikts zu betreffen.

 

Unsere dringliche Aufgabe ist es, nicht vor der Komplexität der politischen und religiösen Situation Syriens und der gesamten Region zu kapitulieren und uns nicht von Propaganda blenden und nicht von Fehlinformation verwirren zu lassen. Das Streben nach Wahrheit und Gerechtigkeit darf auch vor den Interessen der Mächtigen und den Drohungen der Starken nicht zurückschrecken.

 

Lassen Sie mich als Chorepiskopos der syrisch-orthodoxen Kirche in Österreich, als Sprecher des Instituts für den Frieden im Orient, als Sprecher der altorientalischen (orientalisch-orthodoxen) Kirchen in Österreich, vor allem aber als Priester, Seelsorger und Christ einige persönliche Erfahrungen wiedergeben und einige grundsätzliche Feststellungen treffen.

 

Bedauerlicherweise wird die Situation im leidgeprüften Syrien von manchen nationalen Medien weitgehend falsch und leider auch manipulativ dargestellt. Gewiss hat sich das Regime des Bashar al-Assad in den letzten Jahren unentschuldbare Fehler und gravierende Unterlassungen zuschulden kommen lassen und entspricht nicht in allen Punkten dem, was wir eine klassische Demokratie nennen. Auch ist das offenkundige Ausmaß an Nepotismus und Korruption mit den Prinzipien der Redlichkeit und des Gemeinwohls nicht vereinbar. Außerdem trugen falsche wirtschaftspolitische Entscheidungen zur Verarmung einiger Teile der Bevölkerung bei. Trotzdem aber sollten wir uns davor hüten, die Situation Syriens mit jenen Maßstäben, wie sie von einigen westlichen Staaten angelegt werden, zu beurteilen. Alle genannten Defekte müssen auch im Kontext der historischen und geopolitischen Situation des Landes beurteilt werden. Dazu möchte ich lediglich meine Gedanken in kuerze anführen:

 

 

Die Darstellung der aktuellen Situation alsBürgerkrieg“ oder „Freiheitskampfgeht zum Teil an der Wirklichkeit vorbei. Die sogenannten Freiheitskaempfer machten bereits im Februar 2011 deutlich, worum es ihnen geht: namlich um die Entfernung von Christen, Allewiten, Drusen und Schiiten aus der Syrischen Gesellschaft, damit ein Staat gegruendet in dem die Scharia durchgesetzt wird.

 

Es ist auch bekannt, dass Djihadisten aus der gesamten Region des Nahen Ostens in Syrien tätig sind und von Nachbarländern unterstützt werden.

Wir wissen, dass viele radikale Gruppen, die als Rebellen kaempfen, keine friedliche Opposition sind, die aus bloßer Verzweiflung und Selbstverteidigung zu den Waffen greifen mussen.

 

Es ist natürlich verständlich, dass die internationale Gemeinschaft angesichts des dramatischen Leids der syrischen Bevölkerung in höchste Alarmbereitschaft versetzt ist und nicht tatenlos zusehen will. Und selbstverständlich muss gemeinsam alles getan werden, um ein weiteres Blutvergießen zu verhindern und die Entwurzelung ganzer Generationen nicht zuzulassen. Den Vereinigten Staaten von Amerika kommen dabei eine ganz besondere Bedeutung und eine außerordentlich hohe Verantwortung zu. Die USA werden von uns seit jeher als Bannerträger der Idee der Freiheit und Rechtsstaatlichkeit bewundert. Die Welt verdankt ihnen die Befreiung vom Ostblockkommunismus und von zahlreichen Diktaturen auf verschiedenen Kontinenten. Umso mehr möchte ich hier mit aller Eindringlichkeit davor warnen, ja im Namen des Allmächtigen Gottes bitten, dass die USA sich nicht hinreißen lassen mögen, in diesem Konflikt die falschen Kräfte zu unterstützen, sei es direkt oder indirekt.

 

Lassen Sie mich bitte in diesem Kontext die USA und den christlichen Westen in Verbindung setzen mit der biblischen Gestalt des barmherzigen Samariters. Dieser rettete einen Mann, der unter die Räuber gefallen und von diesen halbtot geschlagen wurde, vom sicheren Tod. Wir orientalischen Christen hoffen und vertrauen auch darauf, dass die USA die Rolle des barmherzigen Samariters übernehmen und die Menschen im kriegsgeschüttelten Syrien schützen.

 

Selbstverständlich verfolgen die USA in der Region auch legitime eigene Interessen. Diese umfassen auch den Schutz des freundschaftlich verbundenen Staates Israel, dessen Existenzrecht durch die islamische Welt bis jetzt nicht anerkannt ist. Es ist daher ganz richtig, die Rollen des Iran (der mit Syrien allerdings bestenfalls eine Zweck-Freundschaft unterhält) und der libanesischen Hisbollah mit großer Besorgnis zu beobachten.

Ist es doch von eminenter Wichtigkeit, dass alle islamischen Staaten den Staat Israel anerkennen. Denn nur so können die radikalen Kräfte gebremst und ein großer Schritt in Richtung Frieden getan werden. Die Existenz des Staates Israel ist zweifelsfrei eine Bereicherung für die Welt.

 

Uns allen ist bewusst, dass wir in unserer globalisierten Welt auf vielfältige Weise miteinander verbunden sind. Missstände, Fehlentwicklungen und falsche politische und wirtschaftliche Entscheidungen in einem Teil der Welt wirken sich über kurz oder lang auch auf die Verhältnisse in den anderen Regionen unseres Planeten aus. Dass wir auf Gedeih und Verderb im selben Boot sitzen, zeigt sich, wenn wir berücksichtigen, dass Religionskriege, Unruhen und Gewaltexzesse im Mittleren Osten die Kehrseite jener Medaille sind, die wir als weltweites Flüchtlingswesen wahrnehmen. Weil wir für die Opfer des Krieges in Syrien Geld sammeln, möchte ich mir erlauben zu fragen:

 

 

Wer hilft den Christen, die von niemanden unterstuetzt werden und auf der Flucht sind? Hier müssen wir selbst aktiv werden. Jeder und jede Einzelne von uns ist angesprochen und aufgerufen zu helfen: indem wir die flüchtenden Christen mit dem Notwendigen versorgen, indem wir sie gegebenenfalls gastlich in unserem Land aufnehmen, bis ihnen eine Rückkehr in ihre Heimat in Würde möglich ist. Aber auch, indem wir am Aufbau einer stabilen gesellschaftlichen Ordnung im Mittleren Osten mitwirken, in der Christen in ihrer angestammten Heimat an der Verwirklichung einer Gesellschaft des Friedens und der Gerechtigkeit aktiv mitwirken können. Im Namen Christi frage ich: Wo sind die Christen im Westen und wo die westlichen Politiker, wenn Menschen im Orient abgeschlachtet werden?

 

In jedem Fall aber brauchen wir Christus! Nur ER ist der Friedensfürst - wer sonst kann Frieden bringen? Wir müssen auf unser Gewissen hören und unsere Verantwortung wahrnehmen. Das wird sich auch für uns im Westen durchaus verzinsen - in Form von Sicherheit und Prosperität für alle Beteiligten. Bitte helfen Sie mit, diese Ziele und die dafür erforderlichen Projekte zu unterstützen. Tun Sie dies bitte ideell, durch Meinungsbildung und Aufklärung, aber auch materiell, durch Spenden und Sponsoring. Denn es gibt keine Gottesliebe ohne Nächstenliebe!

 

Ich habe auch eine Botschaft für Sie alle: Es ist die zweitausend Jahre alte, aber immer aktuelle Botschaft von der Liebe Gottes zu den Menschen. Durch die Menschwerdung des ewigen Wortes Gottes in der Zeit und durch Seinen Tod am Kreuz hat Gott diese Liebe ausgegossen, damit sie alle Menschen zum Heil führt. Gottes Liebe will die Versoehnung aller Menschen. Gottes Liebe kennt keine Schranken, bezueglich Religionen, Nationen and Sprachen.

Seine Sonne geht ueber alle Menschen auf, denn seine Liebe kennt keine Grenzen.

In diesem Sinne fordern wir im Namen der Liebe Gottes die Freilassung der entfuehrten Bischofe und anderer Menschen.

 

Die Unordnung, die wir heute im Mittleren Osten, aber auch auf der ganzen Welt erleben müssen, hat ihre Ursache darin, dass Politik und Ökonomie das ethische Fundament politischen und wirtschaftlichen Handelns verloren haben. Dies hängt letztlich mit dem Verlust des Glaubens und des Vertrauens gegenüber Gott zusammen.

Manchmal bin ich sehr traurig, wenn ich sehe, dass der Westen, der dem Evangelium alles an Kultur und Rechtsstaatlichkeit verdankt, immer mehr vom Glauben abfällt und den Götzen von SODOM UND GOMMORA Folge leistet. Aber wenn ich bei vielen Gelegenheiten die Liebe Gottes erfahren darf und mit Menschen zusammentreffe, in deren Herzen sich die Güte Gottes widerspiegelt, bin ich mit der Welt wieder versöhnt und erfreue mich großer Zuversicht.

Sie, meine sehr geehrten Damen und Herren, sind eine solche Gemeinschaft von Menschen, die sich göttlich inspirieren und führen lassen will. Zünden wir gemeinsam ein Licht für die Welt und ein Licht für Syrien an.

 

Haben Sie vielen Dank. Der auferstandene, lebendige Gott segne und beschütze Sie!