Bob Martens/ Herbert Peter: Die zerstörten Synagogen Wiens. Virtuelle Stadtspaziergänge. Mit einem Vorwort von Pierre Genée.
Wien: Mandelbaum 2009.
256 Seiten, Euro 19,90.-
ISBN 978385476-313-0
2001 begann Bob Martens von der Technischen Universität Wien zusammen mit einigen engagierten Studenten mit der virtuellen digitalen Rekonstruktion von elf der 95 im Novemberpogrom 1938 zerstörten Synagogen und Bethäuser Wiens. Über diese Synagogen entstanden in den letzen Jahren an der Technischen Universität Diplomarbeiten, in denen die einzelnen Schritte der digitalen Rekonstruktion dokumentiert wurden. Erschwert wurde die Rekonstruktion dadurch, dass von vielen Synagogen Innenaufnahmen fehlen, und dass die Farben der Dekorationen innen und außen mangels Quellen nicht mehr originalgetreu rekonstruiert werden konnten. Das Buch Die zerstörten Synagogen Wiens stellt die virtuellen Rekonstruktionen von 21 Synagogen vor. Der virtuelle Stadtführer zeigte damit, wie Pierre Genée im Vorwort schreibt, „welche architektonische Bereicherung für Wien unwiderruflich verloren ist." Ergänzt werden die architekturhistorischen Beschreibungen durch eine kurze Darstellung des Schicksals der Bauten und Grundstücke nach 1938 beziehungsweise 1945 und die Kurzbiographien der einzelnen Architekten.
Türkischer Tempel in der Zirkusgasse, computergestützte Rekonstruktion des Innenraumes. Copyright: Klaus Lengauer, Wien. Mit freundlicher Genehmigung: Mandelbaumverlag
Bei der Schiffschul im zweiten Bezirk war die Rekonstruktion zusätzlich erschwert, da die Planungsunterlagen des ursprünglichen Baus 1864 verschollen sind. Die einzige freistehende Synagoge in Wien, die ebenfalls rekonstruiert wurde, war die erst 1929 eingeweihte Jugendstilsynagoge von Hietzing. Ein Sonderfall ist die Kaschlschul in der Kaschlgasse 4 im zwanzigsten Bezirk. 1931/32 wurde in dem Gebäude eine Synagoge mit 600 Sitzplätzen, von außen nicht sichtbar, eingebaut. Nach 1945 wurde der Saal an die Kommunistische Partei vermietet; danach befand sich dort bis vor wenigen Jahren eine Billa-Filiale. Derzeit gibt es - kaum finanzierbare - Überlegungen, den Saal wieder einem würdigen, der ursprünglichen Nutzung angemessenen Zweck zuzuführen. Ab 2003 stellte Martens Informationen über die österreichischen Synagogen auch dem von der Technischen Universität Darmstadt betreuten Synagogen Internet Archiv zur Verfügung. Außerdem dokumentierte das Projektteam die Rekonstruktionen in einer sehr schön gestalteten Ausstellung von Wandplakaten, die bei ESRA zu sehen war. Die überaus gute besuchte Buchpräsentation, ebenfalls bei ESRA, das Engagement der Studenten und des Publikums haben eindrucksvoll gezeigt, dass das Interesse an der jüdischen Vergangenheit Wiens manchmal doch wieder aufzuflammen scheint.