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Das Experiment einer Parteigründung

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Gerhard Kratky: Das Experiment einer Parteigründung. Das Liberale Forum im Rückblick.

Innsbruck/Wien/Bozen: Studien Verlag 2009.

208 Seiten, Euro 24,90,-

ISBN 978-3-7065-4665-2

Mit Das Experiment einer Parteigründung hat Gerhard Kratky ein wichtiges Buch vorgelegt. Wichtig nicht so sehr, weil er in seinen Erinnerungen bisher Unbekanntes über das Liberale Forum (LiF) enthüllen würde, sondern weil Kratky als ehemaliger Bundesgeschäftsführer der Liberalen seine Sichtweise und Rolle bei Gründung und Niederganges des LiF beschreibt. Noch bedeutsamer als seine Funktion als Bundesgeschäftsführer war freilich, dass er ein langjähriger enger Vertrauter von Parteigründerin Heide Schmidt noch aus gemeinsamen FPÖ-Zeiten ist. Anders formuliert: Kratky war federführend an der "Kopfgeburt" LiF beteiligt, und nicht wenige Beobachter haben ihm wesentlich Mitschuld am Scheitern des liberalen Projektes zugeschrieben. Kratkys Analyse ist strikt chronologisch angelegt. Höchst interessant ist, wie der Autor die Vorgeschichte der Gründung nachzeichnet. Hier streicht er seine Rolle heraus, als es galt, Schmidt zu überzeugen, die FPÖ zu verlassen und das LiF zu gründen. Bereits 1991 war ihm klar, dass sich die politischen Positionen Schmidts und Haiders nicht länger vertrugen. Um ihr politisches Profil zu stärken, riet er ihr zu einer Kandidatur bei der Bundespräsidentenwahl 1992. Nach der Darstellung der konkreten Vorbereitung der LiF-Gründung skizziert Kratky ausführlich die anfänglichen organisatorischen, finanziellen und personellen Schwierigkeiten der Liberalen. Weniger umstritten als das Parteiprogramm waren die Statuten, für die Kratky verantwortlich zeichnete; der Autor antwortet ausführlich, aber nicht immer überzeugend auf die Kritik. - Da sich das LiF und Schmidt anfänglich hervorragend als Projektionsfläche vieler enttäuschter Wähler eigneten, war die Partei in den ersten zwei, drei Jahren höchst erfolgreich. Dem Überraschungserfolg bei der niederösterreichischen Landtagswahl folgte die Bestätigung bei der Nationalratswahl 1995 mit fast 6% der Stimmen. Kurz darauf wurde Kratky zum liberalen Bundesgeschäftsführer gewählt. Diese Funktion, zu der der weitere Ausbau der Organisationsstrukturen wie das Schlichten meist persönlicher Streitigkeiten vor allem auf Wiener Ebene zählte, übte er bis zur schweren Niederlage bei den Landtagswahlen in Kärnten, Salzburg und Tirol im Frühjahr 1999 aus. Kratky gibt sich überzeugt, dass das von ihm ausgearbeitete Wahlkonzept für die Nationalratswahl erfolgreicher gewesen wäre als das dann umgesetzte. Dies ist natürlich nicht nachzuprüfen; Tatsache ist jedoch, dass die Liberalen 1999 klar am Wählerwillen scheiterten.

Faszinierend bei der Lektüre ist, wie unkritisch Kratky Schmidt betrachtet. (Dass ohne sie eine liberale Parlamentspartei in Österreich nicht hätte gegründet werden und nicht so lange erfolgreich agieren hätte können, muss hier nicht extra betont werden.) Er scheint in ihr die Personifizierung des LiF zu sehen. Während er andere Personen nach der erstmaligen Erwähung ihres vollen Namens nur noch mit Nachnamen erwähnt, liest man fast ausnahmslos von "Heide Schmidt". Erst auf Seite 148 taucht erstmals eine wirklich negative Einschätzung auf: "Je stärker sich der Gegenwind entwickelte, umso missionarischer und weniger kompromissbereit wurde sie." Nach seinem Ausscheiden aus der Politik arbeitete Kratky in der Forschungsförderung (zuerst im Verkehrsministerium, heute im Fonds zur Förderung Wissenschaftlicher Forschung, FWF). 2006 meldete er sich noch einmal zu Wort: Er sah im "Wahlbündnis" des LiF mit der SPÖ "das eigentliche und bittere Ende des Liberalen Forums, ein Experiment war gescheitert" (Seite 127). Auch anderen Einschätzungen Kratkys in seiner Ursachenforschung für das Scheitern des LiF ist zuzustimmen, etwa, dass die Liberalen zu rasch zu viel "unteilbaren" Liberalismus gefordert und dabei nicht gesehen hätten, dass die meisten Wähler dafür noch nicht bereit gewesen seien. Sie waren es aus verschiedensten Gründen auch 2008 nicht, worauf Kratky kurz in seinem Vorwort eingeht. Das Experiment einer Parteigründung ist eine lesenswerte, aus der Insider-Perspektive verfasste Studie über ein nur kurzzeitig erfolgreiches politisches Experiment. Unfreiwillig illustriert es einen Hauptgrund für das Scheitern des LiF, parteiintern zu wenige kritische, lediglich dem Liberalismus verpflichtete Denker, die sich getraut hätten, dem Führungsgremium und namentlich Schmidt in politischen und personellen Fragen zu widersprechen. Noch ausständig sind die Memoiren der Parteigründerin Schmidt.