Ausgabe

Kinder der Ringstrasse Exzellente Wissenschafter Jüdische Erfinder Teil 1

Tina Walzer

In einer neuen Reihe werden bedeutende ­jüdische Erfinder und Naturwissenschafter ­vorgestellt.

Inhalt

Geht es um den jüdischen Anteil am Geistesleben der Donaume-
tropole, so denkt man zunächst wohl an Wiens Fin de Siècle, an die Zirkel um Literaten, Musiker, bildende Künstler, Designer und Architekten sowie ihre Mäzene. Weniger bekannt ist, dass aus einigen der Wiener jüdischen Ringstrassen- Familien, zeitgleich mit dem mondänen Fin de Siècle, auch bedeutende Naturwissenschafter und Erfinder weltbekannter Patente hervorgegangen sind.

Von ihren säkular-bildungsbürgerlich orientierten Eltern an die besten Schulen der Stadt geschickt, nach Universitätsstudien, nach Praktika an Forschungsinstituten im In- und vor allem auch im Ausland hervorragend auf eine eigene wissenschaftliche Karriere vorbereitet, konnten die jungen Forscher aus einer erstklassigen Startposition in ein selbst gewähltes Arbeitsgebiet, das ganz ihren Interessen entsprach, einsteigen. Der finanzielle Hintergrund ihrer Herkunftsfamilien ebenso wie deren Wunsch, die nächsten Generationen nach Kräften zu unterstützen, führte dazu, kurzerhand private Forschungsförderungsmassnahmen zur Durchsetzung ihrer Ziele zu setzen. Die Bemühungen wurden durch Forschungsleistungen gekrönt, die der Weltspitze zuzuzählen sind.

Der Elektrotechniker Robert Lieben (1878 Wien – 1913 Wien) erfand die Lieben-Röhre, die erste Elektronenröhre zur Verstärkung elektrischer Signale, für die Anwendung in der Radio- und Fernsprechtechnologie. Der grosse Mäzen der astronomischen Forschung,
Moriz Kuffner (1854 Ottakring bei Wien – 1939 Zürich) sorgte dafür, dass Wien eine der weltbesten Sternwarten bekam. Aus seinen eigenen Mitteln finanzierte er die Errichtung sowie den laufenden Forschungsbetrieb dieser bedeutendsten Privatsternwarte auf dem Gebiet der Habsburgermonarchie. Die
Kuffner Sternwarte war eine von drei Forschungsstationen weltweit, die gemeinsam die Längengrade der Erde vermassen. Moriz Kuffner starb nach seiner Flucht vor den Nationalsozialisten aus Wien im Schweizer Exil. Es kann nicht genug hervorgehoben werden, wie aussergewöhnlich das Interesse und Engagement der heutigen Nachkommen von Moriz Kuffner ist, die trotzdem bedeutende Mittel zur Verfügung stellen, um die wertvollen technischen Apparaturen instand zu halten, damit diese der Forschung weiterhin zugänglich bleiben.

Hans Leo Przibram (1874 Lainz bei Wien – 1944 KZ Theresienstadt) war der Begründer der experimentellen Biologie in Österreich und der Biologischen Versuchsanstalt im Vivarium im Wiener Prater. Sein Bruder, der Physiker Karl Przibram (1878 Wien –1973 Wien), der Verfolgung und Krieg in Brüssel überlebte, schildert:

 

„Der in meinem Elternhaus herrschende Geist war der des gebildeten jüdischen Bürgertums der liberalen Ära, mit seinem unbedingten Glauben an den Fortschritt und seiner Aufgeschlossenheit für alle Errungenschaften der Kunst und Wissenschaft. Zu meinen Onkeln gehörten die Juristen Josef Unger und Josef Schey sowie der Chemiker Adolf Lieben. (…)“

 

Während der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft wurden die Wissenschafter und ihre Familien verfolgt, ermordet, ihre Forschungseinrichtungen zerstört. Jede Anerkennung, jeder Hinweis auf sie wurde in ihrer eigenen Heimat für viele Jahrzehnte getilgt. Die folgenden DAVID-Ausgaben  sind der Erinnerung an sie gewidmet.