Akzente und Aktivitäten zur jüdischen Geschichte und Kultur erfahren durch die Stadt Salzburg seit der Jahrtausendwende in vielfältiger Weise Unterstützung. Sie werden aber auch von der Stadt selbst initiiert und umgesetzt.
Salzburgs Bürgermeister
Harald Preuner
Foto: Stadt Salzburg, mit
freundlicher Genehmigung
DAVID: Wie kam es dazu, dass sich die Stadt Salzburg für die Errichtung des Antifaschismus- Mahnmals von Heimo Zobernig im Jahr 2002 auf dem Bahnhofsplatz engagierte?
Bürgermeister Preuner: Im Zuge der Neugestaltung des gesamten Bahnhofsareals stellte der damalige Bürgermeister DI Josef Reschen in Aussicht, „ein grosses Ehrenmal für alle Opfer des Faschismus“ auf dem Bahnhofsvorplatz errichten zu lassen. 1989 gewann das Kölner Architekturbüro Schürmann und Partner den international ausgeschriebenen Wettbewerb für die Gesamtgestaltung, die auch eine Positionierung für ein antifaschistisches Mahnmal vorsah. Es folgte eine ganze Reihe von Projektabänderungen und auch eine breite öffentliche Diskussion über unterschiedlichste Denkmalplatzierungen. Schliesslich wurde 2001 im Gemeinderat der Beschluss für einen internationalen Künstlerwettbewerb gefasst, und Heimo Zobernig ging mit seinem Projektentwurf als Sieger aus fast 300 eingereichten Projekten hervor. Schliesslich konnte das antifaschistische Mahnmal am Bahnhofshain am 26.10.2002 feierlich seiner Bestimmung übergeben werden.
DAVID: Seit 2007 gibt es das Projekt Stolpersteine für Opfer des Nationalsozialismus in Salzburg, das neben der Schaffung von Gedenkorten eine herausragende Bedeutung für die Erforschung von Opferbiografien hat. In welcher Weise findet das Projekt bei der Stadt Unterstützung? Welche Beispiele würden Sie selbst herausstreichen?
Preuner: Das Projekt Stolpersteine wurde von Anbeginn an von der Stadt unterstützt und angenommen. Es ist mit nunmehr mehr als 400 Stolpersteinen ein unübersehbares Zeugnis der Erinnerungskultur im öffentlichen Raum der Stadt Salzburg. Die Stadt unterstützt anlassbezogen immer wieder die Verlegung und Erneuerung der Stolpersteine. Zuletzt hat die Stadtverwaltung die Partnerschaft für zwei Opfer übernommen.
DAVID: Die Einrichtung des Stefan Zweig Zentrums der Universität Salzburg stellte 2008 einen Meilenstein für die Erinnerung an diesen berühmten Schriftsteller dar, besonders in Anbetracht seiner tragischen Erfahrungen hier. Welche Rolle spielt die Stadt Salzburg dabei?
Preuner: Die Stadt Salzburg war von Anbeginn an in die Planung und Errichtung des Stefan-Zweig-Zentrums eingebunden. Wir sind neben Universität und Land Salzburg einer der drei Finanzierungspartner und sichern das Zentrum durch mehrjährige Verträge finanziell ab. Die Stadt schätzt sowohl die internationale Tätigkeit des Zentrums wie auch die Verankerung der Aktivitäten unmittelbar in der Stadt Salzburg.
DAVID: Hat die Stadt Salzburg ihre Rolle zur Zeit des Nationalsozialismus Ihrer Meinung nach ausreichend aufgearbeitet? In welcher Weise wird die Öffentlichkeit über Projekte zu diesem Thema informiert? Wie schätzen Sie die Akzeptanz in der Bevölkerung ein, kommen diese Projekte bei den Menschen gut an? Gibt es die Möglichkeit, Arbeitsergebnisse solcher Projekte nachzulesen?
Preuner: Die Stadt Salzburg hat sich ihrer Geschichte im Nationalsozialismus mit grossem Verantwortungsbewusstsein gestellt. 2009 wurde im Haus für Stadtgeschichte das Projekt „Die Stadt Salzburg im Nationalsozialismus“ gestartet und es dauert über all die Jahre bis heute an. Gemeinsam mit dem Fachbereich für Geschichte der Universität Salzburg wurden und werden die Jahre vor, während und nach dem 2. Weltkrieg wissenschaftlich aufgearbeitet. Inzwischen liegen 8 Bände, Sonderpublikationen, Filmdokumentationen zur Thematik vor. Insgesamt wurden in diesen Jahren 43 Vorträge mit jeweils ca. 200 Besuchern abgehalten. Das Interesse an den Veranstaltungen war über die Jahre ungebrochen. Zudem wurde 2017 eine internationale Fachtagung zur Thematik veranstaltet, auf der Homepage des Stadtarchivs sind alle Aktivitäten einsehbar.
DAVID: Die Universität Salzburg bietet am interdisziplinären Zentrum für jüdische Kulturgeschichte einen Masterstudiengang an. In welcher Weise unterstützt die Stadt Salzburg diesen themenorientierten Ausbildungsschwerpunkt?
Preuner: Wir unterstützen fallbezogen im Rahmen der Förderung von wissenschaftlichen Publikationen oder Veranstaltungen.
DAVID: Wie kam es zur Benennung des „Stefan Zweig Platzes“ im Frühjahr 2019? Wieso konnte diese Benennung erst so spät, erst heuer, stattfinden, obwohl Zweig bereits seit Anfang des 20. Jahrhunderts zu den bekanntesten und meist gelesenen Schriftstellern des deutschen Sprachraumes zählt? Wer initiierte die Benennung?
Preuner: Seit vielen Jahren wurde von der Stadt Salzburg und unterschiedlichsten Interessensvertretungen nach einem geeigneten Platz im Stadtraum gesucht. Zuletzt erschien der Vorschlag der Benennung des jetzigen Platzes im Bereich der Linzer Gasse als schlüssig, da er über den Stefan-Zweig-Weg direkt zum ehemaligen Wohnsitz von Stefan Zweig führt. Es gab unterschiedliche Vorschläge und Anträge, letztlich hat sich aber der Gemeinderat für die jetzige Platzbenennung entschieden.
DAVID: Im Jahr 1938 wurden auch in Salzburg, und zwar an zentraler Stelle auf dem Residenzplatz, öffentlich Bücher verbrannt. Die Autoren verfolgte das NS-Regime. Welche Aktivitäten setzte die Stadt 2019, um an die damaligen Vorgänge zu erinnern? Wie waren die Reaktionen in der Öffentlichkeit?
Preuner: Die Stadt Salzburg hat 2018 am Residenzplatz ein Mahnmal zur Erinnerung an die Bücherverbrennung 1938 errichtet, dem ein internationaler Künstlerwettbewerb vorausging. Sowohl das Mahnmal selbst als auch die feierliche Eröffnung wurden in der Stadt Salzburg sehr positiv aufgenommen. 2019 konnte im Rahmen einer Veranstaltung der Initiative „Freies Wort“ an die Ereignisse erinnert werden; die Stadt hat diese Initiative unterstützt.
DAVID: Aus dem Rosa Hofmann Gedenkstein wurde, ebenfalls im heurigen Jahr, das Memorial für Frauen im NS-Widerstand. Wie kam es zu dieser Umbenennung, welche Überlegungen trugen zu der Änderung bei? Wieso entschied man sich dazu, ein Denkmal zu verändern? Wurde die Umbenennung von den Initiatoren des ursprünglichen Gedenksteins mitgetragen?
Preuner: Die Stadt Salzburg hat die Initiative des KZ-Verbandes aufgegriffen, den Gedenkstein für Rosa Hofmann zu einem Mahnmal für Frauen im NS-Widerstand zu erweitern. Im Rahmen eines internationalen Künstlerwettbewerbs hat die Künstlerin Iris Andraschek dies inhaltlich auf sehr gelungene Weise umgesetzt. Das Memorial ist ein weiterer wichtiger Beitrag zur Erinnerungskultur in der Stadt Salzburg.
DAVID: Vielen Dank, sehr geehrter Herr Bürgermeister, für diesen interessanten Überblick!