Die Geschichte der jüdischen Bevölkerung der Region der Buckligen Welt und des Wechsellandes ist nun ausführlich dokumentiert!
Landstriche mit spezieller Kultur und Geschichte
Die Region der Buckligen Welt und des Wechsellandes ist nicht nur eine touristisch beliebte, sondern auch eine geschichtsträchtige. Aus mittelalterlicher Zeit sind beispielsweise zahlreiche Wehrkirchen erhalten, und seit dem 19. Jahrhundert gilt das Wechselgebiet sowohl als Ziel der „Sommerfrischler“ als auch der Wintersportler. Seit Längerem besinnt man sich im „Land der 1000 Hügel“ und in der Ausflugsregion Wechselland auf die historische Vergangenheit, die Besonderheiten dieses ländlichen Raums, die faszinierende Natur und Kulinarik sowie die Kultur und Entwicklungen in der Geschichte. https://www.buckligewelt.at
Leuchtturm-Projekt in der Erforschung
jüdischer Geschichte
2016 startete ein für Österreich zweifellos aussergewöhnliches Forschungsprojekt, in dem die Geschichte der jüdischen Bevölkerung auf dem Land aufgearbeitet werden sollte. Erstmals wurde von einer Forschergruppe jede einzelne Ortsgemeinde detailliert untersucht, indem nun nicht nur die klassischen Archivbestände (in Zusammenarbeit mit in- und ausländischen Einrichtungen und Institutionen, wie der IKG Wien, dem NÖ Landesarchiv, dem Österreichischen Staatsarchiv, dem Nationalfonds der Republik Österreich u.v.a.m.) unter die Lupe genommen, sondern auch in jeder einzelnen Dorfgemeinde Quellen aus Gemeinde- und Privatarchiven gehoben und ausgewertet wurden. Des Weiteren erfolgten zahlreiche Zeitzeugen/innen-Interviews, worin oft zum ersten Mal über diesen Teil der Vergangenheit erzählt und weshalb dies zu einem wichtigen Schritt im Sichern der Erinnerung der Menschen wurde. Zu ersten Kontakten mit Nachkommen von Shoah-Überlebenden aus der Buckligen Welt und dem Wechselland, die seitens einzelner Mitglieder des Forschungsteams bereits bestanden, wurden während des Projekts auf der ganzen Welt weitere geknüpft, so zum Beispiel nach Argentinien, Israel und Kanada.
Diese Umstände – einerseits vor allem die Unterstützung aller Bürgermeister/innen der gesamten Region, der Sammler und Heimatforscher/innen vor Ort und andererseits der Fachleute in den Archiven – verhalfen letztlich zu einer höchst tiefgehenden, aber auch anschaulichen Dokumentation von historischen Gegebenheiten, Entwicklungen und Lebenswegen. Insgesamt war der Ertrag des Forschungsprojektes imposant: viele tausende Dokumente (darunter seltene Briefe, einzigartige Tagebücher, Raritäten von Plänen etc.), Sachgüter (die für die spätere museale Vermittlungsarbeit gesucht worden waren) und hunderte Fotografien (viele aus geretteten privaten Fotoalben).
Museum für Zeitgeschichte Bad Erlach (Aussenansicht)
© Harald Wrede
Blick in die Bucklige Welt
© audivision.at
Outputs des Forschungsprojekts
Aus den jahrelangen intensiven Forschungs- und Recherchearbeiten des Teams unter Leitung der Historiker Dr. Hans Hagenhofer (Organisation), Mag. Dr. Gert Dressel (Oral History) und Mag. Dr. Werner Sulzgruber (Wissenschaft – jüdische Geschichte) ging eine im März 2019 im Kral-Verlag erschienene Buchpublikation unter dem Titel „Eine versunkene Welt. Jüdisches Leben in der Region Bucklige Welt – Wechselland“ (rund 300 Seiten) hervor.
https://www.kral-verlag.at/programm/niederösterreich- österreich/eine-versunkene-welt-_978-3-99024-797-6-detail.html
Das Forschungsteam hatte ausserdem die Grundlagen für eine reichhaltige Ausstellung geschaffen und den gesamten systematisierten Projektbestand, einschliesslich der Forschungsdatenbank und dem Buchmanuskript, dafür zur Verfügung gestellt. In der Folge war es dadurch in kurzer Zeit möglich, die Ziele der im April 2019 eröffneten Ausstellung zu erreichen. Kuratiert wurde die Ausstellung, die den Namen „Mit ohne Juden“ trägt, von PD Dr.in Martha Keil, präsentiert im neuen Museum für Zeitgeschichte (im „Hacker-Haus“) in Bad Erlach. Dort kann man sich bis zum Herbst 2020 von der vielfältigen jüdischen Geschichte der Region mehr als nur „ein Bild machen“, weil Fotografien und Materialien mittels Hörstationen bzw. „Hörbüchern“, abrufbaren Videos und interaktiven Stationen reichhaltig ergänzt sind. https://www.hacker-haus.at/museum/besucherinformation
Die ersten beiden wichtigen Bausteine sind aus der Sicht der drei Forschungsleiter geschafft: das Buch und die Ausstellung. Kontinuierlich laufen nun weitere Vermittlungs- und Erinnerungsaktivitäten an, indem beispielsweise Gedenktafeln gesetzt, „Stolpersteine“ verlegt und Informationsvorträge in der Region durchgeführt werden: Eine ganze Region wird zur „Region des Erinnerns“!