Ausgabe

Die Arnsteins und ihre Nachkommen

Agnes Minutillo

Inhalt

Die Nachkommenschaft von Fanny und Nathan Arnstein ist zahlreich, zwar noch nicht so zahlreich wie der Sand am Meer und die Sterne am Himmel (s. Gen. 15,5;  13,16; 22,15-18; 26,4; 28,14), sondern gerade noch überschaubar, weil fast vollständig dokumentiert.  Als eine von einigen Hunderten hatte ich während einer Führung am Währinger jüdischen Friedhof die Idee, mich an diese vielen Nachkommen auf der ganzen Welt zu wenden, und um einen Beitrag zur Restaurierung der Grabstätten unserer Ur-Ur-Ur-Urgrosseltern zu erbitten. Das Echo war nicht so gross wie erhofft, zugegeben, aber doch so, dass an die Restaurierung der Grabstätten zu denken war.

h123_40.jpg

Die Nachkommen der Familien Arnstein und Eskeles
beim Besuch der Gräber ihrer Vorfahren
am jüdischen Friedhof Währing

Foto: H. Jordis, mit freundlicher Genehmigung

Ganz kurz zur Familiengeschichte: Fanny hat ein offenes Haus geführt, bei ihr ist die adelige Gesellschaft der damaligen Zeit ein- und ausgegangen. Sie hat es verstanden, die strenge Isolierung der Juden aufzubrechen und in ihrem Salon die Damen und Herren der guten Gesellschaft empfangen, ungeachtet ihrer christlichen Herkunft. Sie und ihr Mann sind im Judentum geblieben, doch schon ihre Tochter Henriette Arnstein und ihr Mann Heinrich Pereira haben sich taufen lassen und sich somit das „billet d’entrée“ (nach H. Heine) in  die katholische Gesellschaft erworben.

Damit war es den vier Kindern Pereira-Arnstein möglich, ihre Ehepartner in dieser Gesellschaft zu suchen und zu finden. Bis heute sind die allermeisten Enkel- und Urenkelkinder gut katholisch verheiratet, auch wenn die jüdische Abstammung durchaus als ein Makel angesehen wurde, den man lieber verschwiegen hat. Es war ein regligiöser Anti-Judaismus, doch kein rassistischer, wie er im 20. Jahrhundert seine grauenhaften Früchte gezeitigt hat.

Nach den Schrecken des Nationalsozialismus hat sich viel in den Beziehungen zwischen Juden und Christen verändert. Die katholische Kirche leugnet nicht mehr ihre Wurzeln im Judentum, erkennt immer öfter an, dass Jesus ein frommer Jude war und ist auch bereit, sich für die Fehler der Vergangenheit zu entschuldigen und damit eine Umkehr (Teshuva) zu machen.

Auch die Nachkommen von Fanny und Nathan Arnstein schauen jetzt eher mit Stolz auf ihre berühmte Ahnfrau, nicht nur, weil sie den Christbaum in Wien eingeführt haben soll.   

Sie wird in unserem familiären Bewusstsein bleiben, auch als ein Vorbild an Offenheit, die sie den Gästen in ihrem Salon entgegengebracht hat. Sie steht damit für eine gute jüdisch-christliche Gesprächskultur, was auch heute leider noch immer keine Selbstverständlichkeit ist.

Ohne das tatkräftige Engagement von Mag. Tina Walzer wäre die Restaurierung nicht möglich gewesen. Sie hat die Sache in die Hand genommen, organisiert, recherchiert bis nach Hamburg, Düsseldorf und Israel und mit sehr viel Überlegung und Know how mit den Restauratoren zusammengearbeitet. Ihr gilt unser ganzer Dank, dass diese Restaurierung möglich wurde.