„Das Judentum verfügt aufgrund seiner jahrtausendealten Tradition und wegen seiner einzigartigen Geschichte über einen aussergewöhnlichen kulturellen Reichtum." Mit diesen prägnanten Grussworten eröffnete der Bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer im November 2011 die Reihe von guten Wünschen an die Gesellschaft zur Förderung jüdischer Kultur und Tradition e.V., München, und wies darauf hin, „dass die jüdische Kultur auch nach Bayern zurückgekommen ist und heute geachtet und geschätzt wird". Anlass rückblickender Würdigung und Ehrungen war ein besonders herausragendes Doppeljubiläum: 30 Jahre seit der Gründung der Gesellschaft und 25 Jahre der internationalen Jüdischen Kulturtage in München.
Doch was sich tatsächlich hinter Ziffern und Daten verbirgt, kann in wenigen Worten wohl kaum angedeutet werden, denn der Beitrag des Judentums in Mitteleuropa - und das ganz besonders in Deutschland und Österreich -, bis zum historisch singulären Zivilisationsbruch der Nazizeit, umfasst eine Zeitspanne von über 1700 Jahren. Auf diese Bereicherung thematisch bezogen hinzuweisen und im Rahmen von Kulturtagen und anderen Veranstaltungen ein breites Publikum über jüdische Geschichte, Musik, Literatur, Theater, Kunst und Film zu informieren - das war ein Hauptanliegen des ehemaligen Präsidenten des Landesverbandes der Israelitischen Kultusgemeinden Bayerns, Dr. Dr. Simon Snopkowski, sel. A., als er 1981 die Gesellschaft zur Förderung jüdischer Kultur und Tradition gründete. Denn durch diese weitsichtige, zukunftsorientierte Initiative hatte der Holocaust-Überlebende Snopkowski verbindende „Brücken gebaut und mutig beschritten" und somit das bewiesen, was auch heute noch - und nicht nur für das europäische Judentum - von grosser Wichtigkeit ist: Vertrauen in die Möglichkeit einer gemeinsamen Zukunft auch in der Diaspora.
Der 1925 als Sohn eines jüdischen Handwerkers im oberschlesischen Myschkow geborene Simon Snopkowski war 13 Jahre alt, als Krieg und politische Ereignisse, die von Deutschland ausgingen, auch seine Welt veränderten, zerstörten und schliesslich vernichteten. Doch seine Erinnerungen, die er im Jahr 2000 in einem Buch veröffentlichte, tragen den zukunftsvertrauenden Titel „Zuversicht trotz allem", denn Simon Snopkowski war „in den Jahren des Schreckens und Grauens" eben jene überlebenswichtige, zukunftsprägende Hoffnung nie „abhanden" gekommen, wie er im Nachwort zu seinen Erinnerungen schreibt.
Zuversicht aber heisst heute, weiterhin zu glauben und zu hoffen, dass die heranwachsenden Generationen am Wiederaufbau jüdischen Lebens mit allen Facetten von Kultur und Tradition mithelfen werden, wonach eben jene „Schritte des Aufeinanderzugehens, des Abbaus von Vorurteilen und der Wiederherstellung normaler zwischenmenschlicher Beziehungen" folgen müssen. Dieser Grundgedanke von Dr. Dr. Simon Snopkowskis Lebenswerk wird heute mit grossem Engagement von seiner Frau Ilse Ruth Snopkowski und seinem Sohn Dr. Peter Snopkowski weitergeführt.
Neben der Vielzahl von Ausstellungen, Einzelveranstaltungen, internationalen jüdischen Filmtagen und zahlreichen musikalischen und literarischen Abenden mit Künstlern „aus aller Welt" - von Tel Aviv bis Wien, Amsterdam, London und New York -, soll an dieser Stelle auch auf die Verleihung des Simon-Snopkowski-Preises hingewiesen werden.
Als dieser Preis 2006 „im Einvernehmen mit dem Bayerischen Staatsministerium für Unterricht und Kultur ausgelobt wurde, eröffnete er ein neues Kapitel in der christlich-jüdischen Verständigung, denn es war dies das erste Mal nach dem Holocaust, dass ein Preis an die Öffentlichkeit in Bayern von einer jüdischen Organisation vergeben wurde", so Christian Ude im „Kaleidoskop jüdischer Kulturen", 2011. Seither wird dieser wichtige Preis alle zwei Jahre an Schüler und Schulklassen verliehen, die sich durch besondere Leistungen auf dem Gebiet der Erforschung des Holocaust verdient gemacht haben. Dadurch werden nach über sechs Jahrzehnten seit Kriegsende und Nazizeit auch Schüler und Jugendliche motiviert, sich kritisch mit Geschichte und Vergangenheit zu beschäftigen und auseinander zu setzen. Dabei geht es nicht um Zuweisung von Schuld und Forderung nach Sühne sondern vornehmlich primär um Wissen und Verstehen - dem einzigen zukunftsweisenden Weg zur Verständigung und zu gegenseitigem Verständnis, zum Dialog zwischen Nichtjuden und Juden.
Die Initiative dazu aber kam vor einem Vierteljahrhundert vom Arzt und Kulturmenschen Simon Snopkowski und seiner „Vision von einer anderen Zukunft". Dass diese andere Zukunft bald danach schon begonnen hat, beweisen immer wieder die seither alljährlich stattfindenden internationalen Jüdischen Kulturtage.