Ausgabe

Die ehemalige Synagoge in Prostějov

Irene Moser

Die ehemalige Synagoge in der heutigen tschechischen Stadt Prostějov* wurde im Jahr 1904 nach den Plänen von Architekt Jakob Gartner neu eröffnet. Sie war eine der ­wenigen Synagogen in der Monarchie, die im Jugendstil errichtet wurde. Nach nur ­kurzem Bestehen wurde die Synagoge ­Anfang des Zweiten Weltkrieges geschlossen. Sie wurde zwar nicht zerstört, jedoch nach Ende des Krieges nicht mehr als Synagoge weitergeführt.

Inhalt

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Virtuelle Rekonstruktion der Synagoge von Prostějov – Blick vom Tempelplatz.

Quelle: Virtuelle Rekonstruktion, Irene Moser, mit freundlicher Genehmigung.

Die Entscheidung für den Bau eines modernen G‘tteshauses kam nicht von ungefähr. Die jüdische Bevölkerung in Pros­tějov war bekannt für ihr modernes und fortschrittliches Denken, was den Bau einer modernen Synagoge begünstigte. Prostějovs Rabbiner waren berühmt als Forscher des Talmud und der Halacha, als Lehrer und Kommentatoren. Prostějov hatte eine Jeschiwa (jüdische Hochschule, hebr.), die weit über die Grenzen der Monarchie hinaus bekannt war. Einige der ansässigen Rabbiner waren auch Mathematiker und Philosophen. Mitte des 19. Jahrhunderts wurden erstmals Trauungen veranstaltet und G‘ttesdienste in deutscher Sprache abgehalten. Es gab es eine Schule, die sowohl von Juden als auch von Christen besucht wurde. Neben der positiven Haltung zu diesem modernen Synagogenbau spielte auch die finanzielle Unterstützung seitens der ansässigen Industrie eine wesentliche Rolle. Die Stadt Prostějov war Zentrum einer florierenden Textilindustrie, die überwiegend in jüdischen Händen lag. Die europaweit erste Textilfabrik für Konfektionswarenprodukte wurde beispielsweise in Prostějov gegründet und von den Juden Mayer und Isaak Mandel geführt.

Blickt man heute in die Stadt Prostějov, ist vom jüdischen Leben fast nichts mehr zu spüren, da dieses im Jahr 1939 schlagartig durch den Nationalsozialismus beendet wurde.

Die Synagoge wurde geschlossen und zahlreiche Luftangriffe zerstörten grosse Teile der einstmaligen Judenstadt. Nach dem Krieg, in der Zeit des Kommunismus, wurden noch weitere fünfzig jüdische Häuser abgerissen. Die Synagoge wurde nach dem Krieg zu einer Hussitischen Kirche umgebaut und ist bis heute als solche geführt. Das Bauwerk selbst wurde nach dem Vorbild des Prager Funktionalismus umgestaltet. Die reichhaltig im Jugendstil gestaltete Fassade wurde sowohl aussen als auch innen entfernt und zum Zwecke einer kirchlichen und kulturellen Nutzung umgebaut. Nur mehr die Grundrissstruktur lässt die einstige Synagoge erahnen.

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Historische Postkarte von Prostějov. Links im Bild die  Hauptfassade der Synagoge mit den beiden Türmen.
Quelle: Muzeum a galerie v Prostějov, mit freundlicher Genehmigung I. Moser.

 

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Innenraumbild der neuen Synagoge. Foto vor 1938.
Quelle: Muzeum a galerie v Prostějov, mit freundlicher Genehmigung I. Moser.

 

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Virtuelle Rekonstruktion der Synagoge von Prostějov –Thoraschrein. Quelle: Virtuelle Rekonstruktion, Irene Moser, mit freundlicher Genehmigung.

 

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Virtuelle Rekonstruktion Synagoge von Prostějov – Längsschnitt. Quelle: Virtuelle Rekonstruktion, Irene Moser, mit freundlicher Genehmigung.

 

Nachlese:

Irene Moser:
Virtuelle Rekonstruktion der Synagoge in Prostějov.
TU Wien: Diplomarbeit 2018.

Link: https://publik.tuwien.ac.at/files/publik_273981.pdf

 

*Tschechische Republik; dt. Prossnitz