Eine Initiative zur Erinnerungskultur in der Steiermark.
Der Grazer Landhaushof war belebt. Schüler präsentierten stolz ihre Werke, erzählten Besuchern, warum sie welche Persönlichkeiten hier vorstellten, man sah nachdenkliche Gäste, Politiker. Die bemerkens- und nachahmenswerte Initiative Lebendige Erinnerungskultur in der Steiermark hat Jugendliche mit der Frage konfrontiert „Wie geht Widerstand?“
Die im Projekt entstandene Ausstellung wurde prominent im Landhaushof präsentiert. Sechs Schulen hatten sich beteiligt, drei in Graz und je eine in Hartberg, Kapfenberg und Judenburg. Janik S.-H. aus Graz sagte über seine Erfahrung: „Während wir daran gearbeitet und viel recherchiert haben, war es einerseits erschreckend zu sehen, wie es damals war, aber andererseits auch schön, zu sehen, dass es selbst in dieser schrecklichen Zeit gute Menschen gab.“ In der anregenden Begleitbroschüre gibt Bettina Vollath, Landtagspräsidentin der Steiermark, aktuelle Gedanken mit auf den Weg: „Widerstand zu leisten verlangt Mut, Entschlossenheit und eine feste Überzeugung davon, was richtig und was falsch ist“.
Widerstandskämpferin Helene Serfecz: „In einer Stunde muss ich sterben“.
Foto: Mit freundlicher Genehmigung Verein CLIO, Graz.
In ihren jeweiligen Heimatorten haben die Schüler mit Lehrern in ihrer engsten Umgebung widerständisches Verhalten gegen Unrecht, Gewalt und Diktatur im 20. und unserem Jahrhundert gesucht und gefunden. Es ging um Handlungsspielräume des Einzelnen – in einer Diktatur, aber auch in der Demokratie. Menschenwürdiges Verhalten damals wurde lebensnah mit den Herausforderungen von heute verknüpft, etwa dem Kampf gegen eine Deponie in Kapfenberg.
Dass Graz und die Steiermark auf diesem Gebiet heute Vorbild sind, verdankt sich zu einem Gutteil dem 1995 gegründeten Verein für Geschichts- und Bildungsarbeit CLIO. Clio ist in der griechischen Mythologie die Muse der Kunst und Geschichtsschreibung. Der Verein mit ihrem Namen stellt sich immer von Neuem der Aufgabe, die marginalisierte jüngere Historie der Steiermark öffentlich machen, unterstützt auch mit zahlreichen hervorragenden Büchern aus dem eigenen Verlag.
Hier darf eine der jüngsten Publikationen empfohlen werden, die von Historiker und Vereinsleiter Heimo Halbrainer herausgegebene Dokumentation Wenn einmal die Saat aufgegangen, ... . Es sind letzte Briefe steirischer Widerstandskämpfer. Angesichts der bedenklichen politischen Entwicklungen in vielen Ländern weltweit lesen sie sich heute näher als noch vor wenigen Jahren. Helene Serfecz schrieb an ihrem Hinrichtungstag im September 1943:
„Mein liebes Enkelkind! Sei nicht böse, dass ich im Kerker sterben muss. Ich habe für die Idee gearbeitet und armen Menschen geholfen. Das kostet mich nun den Kopf, aber mein Geist lebt weiter auf dieser Welt. Sei schön brav und werde wie Deine Omama.“
Helene Serfecz engagierte sich früh in der Sozialdemokratischen Partei Graz. Während des NS-Regimes wurde sie für die „Rote Gewerkschaft“ aktiv, stellte Widerstandskontakte her und sammelte für Inhaftierte. Auch ihren Sohn Josef gewann sie zur Mitarbeit. Im August 1942 verhaftete man Mutter und Sohn gemeinsam, ein Jahr später wurden sie beide zum Tod verurteilt und hingerichtet. An ihren Mann richtete die Frau starke Worte der Hoffnung:
„In einer Stunde muss ich sterben. Vorkämpfer muss es immer geben, nur dass ich das Ende dieses Krieges nicht mehr erleben kann, tut mir leid. ... vergiss nicht auf mich. Mein Geist lebt weiter.“
In die Zellen der Grazer Gestapo sind 46.730 Menschen eingeliefert worden. Beinahe sechshundert Menschen haben in der Steiermark durch die NS-Verfolgung ihr Leben verloren.
Initiativen und Publikationen wie die vorgestellten ermöglichen, dass ihr „Geist weiter lebt“, wie Helene Serfecz es erwartet hat.
Schüler im Landhaus Graz:
„Dass es selbst in dieser schrecklichen Zeit gute Menschen gab“.
Foto: Frankl, mit freundlicher Genehmigung Landtag Steiermark.
Nachlese:
Heimo Halbrainer/Gerald Lamprecht/Bettina Ramp (Hg.):
Wie geht Widerstand? Widerständisches Verhalten
im 20. und 21. Jahrhundert;
CLIO Graz 2019. 80 Seiten, 6 Euro
Heimo Halbrainer: „Wenn einmal die Saat aufgegangen,...“
Letzte Briefe steirischer Widerstandskämpfer;
CLIO Graz 2019. 360 Seiten, 20 Euro