Ausgabe

Denkmäler der Erinnerung in Krems

Monika KACZEK

Seit dem 13. Jahrhundert existierte in der niederösterreichischen
Stadt Krems eine kleine jüdische Gemeinde, deren Geschichte
im März 1938 brutal endete. Nach dem Zweiten Weltkrieg blieben
nur mehr einzelne Denkmäler und Friedhöfe als Orte der Erinnerung.
In Krems wirken Denkmäler gegen das Vergessen.

Inhalt

Im Jahre 1894 wurde die Kremser Synagoge eingeweiht, die vom Wiener Architekten Max Fleischer (1841 – 1905) entworfen worden war. Die örtliche Bauleitung wurde den Kremser Architekten Josef Utz Vater und Sohn übertragen. Max Fleischer baute eine Reihe von Synagogen in verschiedenen Stilrichtungen des Historismus. Die Kremser Synagoge erhielt eine Strassenfassade in Form eines Bürgerhauses der deutschen Renaissance. In ganz Niederösterreich hatten nur zwei Synagogen die Kriegs- und Nachkriegszeit unbeschadet überstanden; und zwar die Kremser- und die St. Pöltner Synagoge. 1978 musste die Kremser Synagoge einem Büro- und Geschäftshaus weichen. Seither ist der jüdische Friedhof die einzige religiöse jüdische Kultstätte in Krems. Dieser Friedhof, dessen Vorgängerareale aus dem Mittelalter und dem 19. Jahrhundert nicht mehr erkennbar sind, wurde 1880/1881 eingeweiht. Das knapp 3.000 Quadratmeter grosse Areal erstreckt sich entlang der Wiener Strasse unter der Auffahrt auf die Donaubrücke östlich der Stadt. 177 Grabstellen sind bekannt, und der letzte Tote wurde 1971 bestattet.

Seit über 25 Jahren erforscht der Historiker und gebürtige Kremser Robert Streibel in zahlreichen Publikationen und Projekten die jüdische Geschichte der Stadt. Im Jahre 2006 initiierte er gemeinsam mit SchülerInnen des BRG Ringstraße (Krems) und deren Lehrerin Elisabeth Streibel das Projekt Eine Stadt trägt Geschichte. Hier wurden Geschäfte gekennzeichnet, die früher jüdische InhaberInnen hatten, und die jetzigen BesitzerInnen konnten dazu gewonnen werden, Gedenktafeln aufzuhängen.

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Denkmal für Anna Lambert.
Foto: Copyright Stadt Krems, mit freundlicher Genehmigung.

Der Text der Metalltafel lautet:

Anna Lambert, 1907–1993, verbrachte Kindheit

und Jugend in diesem Haus, 1939 flüchtete sie

mit ihren beiden Kindern vor den Nazis nach

England. Stellvertretend für hunderte

Schicksale jüdischer BürgerInnen dieser Stadt

wurden im Juni 1995 zwei Gedenkschreine in

die Fundamente des Steinertors, des

Wahrzeichens der Stadt Krems, eingemauert.

Die beiden Bronzekuben enthalten Mahntexte,

die von 492 BürgerInnen unterzeichnet wurden.

 

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Hans Kupelwieser Schwelle zwischen ­Erinnern und Vergessen.
Foto: Copyright Stadt Krems, mit freundlicher Genehmigung.

 

Am 9. November 1995 wurde am Kremser jüdischen Friedhof Hans Kupelwiesers Mahnmal Schwelle zwischen Erinnern und Vergessen eingeweiht. In einem 43 Meter langen Metallband sind die Namen und Daten der 129 Mitglieder der jüdischen Gemeinde Krems eingefräst. BesucherInnen des Friedhofes müssen entweder die Schwelle überschreiten oder an ihr entlang gehen, um so der Toten und Vertriebenen zu gedenken. Für die Einweihung wurde Abraham Nemschitz, ein ehemaliger Kremser, eingeladen. Für ihn spannt sich das Band wie ein Regenbogen „aus einer traurigen Vergangenheit beginnend in – hoffentlich – eine bessere Zukunft.“

Am 12. Dezember 2004 wurde am jüdischen Friedhof eine Bibliothek als Werk des Künstlerduos Clegg & Guttmann eröffnet. Seit 1991 verwirklichen der Ire Michael Clegg und der Israeli Yair Martin Guttmann in mehreren Städten das Projekt „Offene Bibliothek“, für das sie in frei zugänglichen Regalen Bücher zum Tausch anbieten. Die Arbeit für den jüdischen Friedhof in Krems ist in diesen Kontext einzuordnen. In drei sorgfältig platzierten Schränken sind Bücher über den Tod im jüdischen Gesetz, im Ritual und in der Philosophie gesammelt. BesucherInnen können eine beschränkte Anzahl an Büchern ausleihen oder Materialien hinzufügen. Clegg & Guttmann betrachten ihre Arbeit als „Revival Project“, also einen Versuch einer behutsamen Rückführung von Leben an einen verlassenen Ort.

In einem Wohnhaus in der Schwedengasse 2 verbrachte Anna Lambert, geborene Kohn (1907 – 1993), die in eine jüdische Familie in Krems geboren wurde, ihre Kindheit, bis ihr 1939 die Flucht mit ihren zwei Kindern nach Grossbritannien gelang. Als im Jahre 1995 die Steuerberatungskanzlei Nidetzky & Partner in dem früheren Haus der Familie Kohn ihr Büro eröffnete, beschloss eine Gruppe von Kremsern, dort in Erinnerung an Anna Lambert ein Mahnmal zu errichten. Als Stifter erklärte sich die Kanzlei Nidetzky bereit. Mit der künstlerischen Umsetzung einer Gedenkstätte, die im Juni 1995 eröffnet wurde, konnte der Kremser Künstler Leo Zogmayer beauftragt werden. An beiden Seiten des Steinertors wurden Gedächtnisschreine in den Boden eingelassen, je ein Bronzequader, der im sichtbaren Sockelbereich die Aufschrift „1932–1939“ beziehungsweise IN DIESER STADT trägt.

 

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Bibliothek am jüdischen Friedhof. Foto: Copyright Stadt Krems, mit freundlicher Genehmigung.

 

Literatur:

Kalt, Ernst: Die Kremser Synagoge –
ein dunkles Kapitel der Denkmal­pflege. In: DAVID, Heft 101 – 07/2014; http://davidkultur.at/artikel/die-kremser-synagoge-8211-ein-dunkles-kapitel-der-denkmalpflege

Lambert, Anna: „Du kannst vor nichts davonlaufen“. Erinnerungen einer auf sich selbst gestellten Frau (Heraus­gegeben und mit einem Nachwort von Robert Streibel),
Picus Verlag, Wien 1992

Streibel, Robert: Krems 1938-1945. Eine Geschichte von Anpassung, ­Verrat und Widerstand.
Bibliothek der Provinz, Weitra 2014

Walzer, Tina: Der jüdische Friedhof Krems. In: DAVID, Heft 110- 09/2016; http://davidkultur.at/artikel/der-judische-friedhof-krems

Informationen
http://judeninkrems.at/

http://judeninkrems.at/bucher/

http://judeninkrems.at/eine-stadt-tragt-geschichte-ausstellung-in-krems/