Ausgabe

„Der kleine Mozart“.

Gerald Gneist

Inhalt

Ute Jung-Kaiser/ Anette Simonis (Hrsg.): Erich Wolfgang Korngold

„Der kleine Mozart“. Das Frühwerk eines Genies zwischen Tradition und Fortschritt (= Wegzeichen Musik 12)

 

Hildesheim/ Zürich/ New York: Georg Olms Verlag 2017

211 Seiten, Paperback mit Klebebindung, zahlreiche Abbildungen
sowie Notenbeispiele, Euro 58

ISBN 978-3-487-15651-4

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Schwerpunktmässig widmet sich dieser Sammelband, in dem verschiedene Autorinnen und Autoren zu Wort kommen, natürlich dem „Wunderkind“ Korngold. Darüber hinaus beleuchten die Beiträge die intermedialen Verflechtungen sowie die internationale Dimension seines Schaffens in der Epoche zwischen Fin de Siècle und Moderne.

Um es gleich vorweg zu nehmen: Dieses Druckwerk setzte schon auf dem ersten Blick profunde Kenntnisse in vielerlei Hinsicht voraus. Der Sammelband spricht daher auch kaum die breite Masse an, sondern vielmehr Musikliebhaber, Musikhistoriker, Komponisten, Ästheten etc. und in spieltechnischer Hinsicht wohl Professionisten. Selbst einer anspruchsvollen Leserschaft wird in musiktheoretischer Hinsicht einiges abverlangt. Das Niveau dieser Publikation geht meines Erachtens dadurch über das rein Populärwissenschaftliche hinaus. Vorbildlich angeführte Notenbeispiele zwingen aber selbst einen Dilettanten schon aus reiner Neugier alsbald an das Instrument.  Allerdings: Zwischen Notenlesen und Spielen liegen musikalische Welten. Es dauerte dennoch nicht lange und ich klimperte am Klavier herum. Tonarten, Akkordaufbau (z.B. Tonika, Dominante, Subdominante) sowie generell das Bewusstsein der Quintenbezüge bzw. der Akkorde, wodurch alle Töne der chromatischen Tonleiter aufeinander in Bezug stehen, werden als selbstverständlich in diesem Buch wissensmässig vorausgesetzt.

Harmonische Tragbalken einer Polyphonie mit einfachsten Proportionen, etwa Oktave, Quinte oder speziell die Quarte, schätzte, wie zu erfahren ist, der junge Korngold. Diese sogenannten „reinen“ Intervalle, zweifellos ein Bodensatz mittelalterlichen Denkens, lassen dadurch in musiktheoretischer Hinsicht Bezüge Korngolds erkennen. Er liebt ferner die Dur-Tonarten und den Walzertakt, der gerne mit jener Sentimentalität behaftet ist, die in der Wiener Umgangssprache als „Schmalz“ bezeichnet wird. Auch hier offenbart Korngold die Lebensart und die Musik der polyethnischen Reichshauptstadt. Er selbst postulierte väterliche Vorstellungen von neuer Musik auf tonaler Basis und setzte damit „einen Hieb auf musikalische Strömungen, die Melodik und Harmonik völlig infrage stellten.“ Die Autorenschaft geht in den einzelnen Kapiteln gerade in dieser Hinsicht sehr detailliert auf die kompositorische Entwicklung Korngolds ein. Viele ergänzende und weiterführende Anmerkungen zeugen von ihrer Kompetenz. Ferner wird u.a. die Kaiser Franz-Josephs-Zeit analysiert, zeigte sie doch auch im musikalischen Bereich Spannungen auf zwischen beharrenden, konservativen Kräften und Neuerern. Zweifellos ist das jugendliche „Genie“ Korngold mit seiner unbestrittenen pianistischen Virtuosität, die bereits „ungewohnte harmonische Klangräume“ erschliesst, durch die zunächst lenkende Hand der Vaters, eines gefürchteten Musikkritikers, bei einem eher „konventionellen“ Kompositionsstil geblieben, und natürlich könnte man zu dieser „opulenten Expertise“ noch weit mehr sagen. Ein Personen- und Werkregister vervollständigen die Beiträge. Der ausgesprochen informative Sammelband sollte in keiner Bibliothek eines Liebhabers klassischer Musik als Nachschlagewerk fehlen. Dass der Name des Komponisten Ernst „Křenek“ germanisiert wurde – es fehlt das sogenannte Hatschek – stellte zwar eine Dissonanz dar und darf nicht passieren, doch wer ist schon vollkommen?

Die Herausgeberinnen:

Dr. Ute Jung-Kaiser war ordentliche Professorin in München und Frankfurt. Ihre Publikationen befassen sich oft mit interdisziplinären und musikdidaktischen Fragestellungen.

Dr. Annette Simonis ist Professorin für Allgemeine und Vergleichende Literatur- und Kulturwissenschaft am Institut für Germanistik der Justus-Liebig-Universität Giessen.