Ausgabe

Barbara Honigmann: Georg.

Monika Kaczek

Inhalt

„Erzähl weiter, Pappi“

Barbara Honigmann: Georg.

München: Carl Hanser Verlag 2019

160 Seiten, fester Einband

 

Euro 18,50

ISBN 978-3-446-26008-5

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In ihrem Werk begibt sich Barbara Honigmann auf die Spurensuche nach ihrem Vater Georg Honigmann, der am 6. Oktober 1903 als Sohn des jüdischen Arztes Georg Honigmann, der früher zum Protestantismus konvertierte, in Wiesbaden geboren wird. Nach dem Abitur studiert der junge Georg Honigmann Philosophie und Germanistik und promoviert 1929 mit seiner Arbeit „Die sozialen und politischen Ideen im Weltbild Georg Büchners“. Danach ist er als Journalist in Frankfurt am Main, Düsseldorf und bis 1933 als Korrespondent der Vossischen Zeitung tätig. Georg Honigmann kann aus Deutschland nach London fliehen. Als deutscher Kriegsgefangener wird er in einem kanadischen Lager interniert und lernt dort die Ideen des Kommunismus kennen. Nach dem Krieg kehrt er in die sowjetische Besatzungszone Deutschlands zurück. Georg Honigmann stirbt am 4. November 1984 in Weimar.

In diese nüchternen biographischen Eckdaten webt Barbara Honigmann die Geschichten ihrer Eltern ein. Im Londoner Exil lernt Georg Honigmann die aus Wien stammende Alice „Litzy“ Friedmann (geborene Kohlmann; 1910 – 1991) kennen. Durch sie wird Georg stärker politisiert, so schreibt er seiner Tochter später einmal: „Bevor ich deine Mutter kennenlernte, war ich weit davon entfernt, ein politischer Mensch zu sein.“ 1941 kehrt er aus dem Internierungslager nach London zurück, wo er Arbeit in Philbys Presseagentur findet. Gemeinsam mit Litzy und anderen Kommunisten spioniert er im Untergrund für den sowjetischen Geheimdienst. Sein Wissen über  Schauprozessen und Gulags in der UdSSR verdrängt er. 1946 übersiedelt das Paar nach Ost-Berlin. „Georg und Litzy heirateten 1947, nachdem sie sich beide hatten scheiden lassen müssen (...).“ Als Tochter Barbara 1949 geboren wird, ist Georg schon 46 Jahre alt. Die Ehe der Eltern findet bald ein Ende und Georg heiratet erneut, wobei es auch hier wieder zu einer Trennung kommt. Mit seiner dritten Frau, der bekannten Brecht-Interpretin Gisela May, gehört er zur kulturellen Elite des Arbeiter-und-Bauern-Staats. Sein Leben endet als gebrochener Mann in einer möblierten Einzimmerwohnung.

In ihrer Kindheit trifft Barbara ihren Vater regelmässig und kaum fällt ihr Satz „Erzähl weiter, Pappi“, hört sie Geschichten über die Schulzeit in der progressiven Odenwaldschule und seine Eltern. „Meine arme Mutter hat ihr ganzes Leben lang immer und überall vierblättrige Kleeblätter gefunden, denen man doch nachsagt, dass sie Glück bringen, aber dann starb sie schon so jung, mit 34 Jahren. (...) Ich war elf Jahre alt, als meine Mutter starb.“ Trotz der vermeintlichen Nähe zum Vater zeigt sich öfters ein Fremdsein. Georg leidet unter Depressionen, die er mit einer Psychoanalyse mildern will, doch letztendlich empfindet er die Therapie als überflüssig. Als erwachsene Frau stellt Barbara Honigmann ihrem Vater immer wieder unbequeme Fragen über seine gescheiterten Beziehungen und seine politische Einstellung.

In ihrem autobiographisch geprägten Buch „Eine Liebe aus nichts“ (1991) schreibt die Autorin: „Mehr als von allem anderen bin ich vielleicht von meinen Eltern weggelaufen und lief ihnen doch hinterher." Georg ist eine berührende Suche nach dem Vater und das Porträt eines Unbeugsamen, der bis zu seinem Tod seiner Partei die Treue hielt. „Dann starb sein Hund, und wenig später starb auch er und liegt nach seinem Wunsch auf dem Jüdischen Friedhof in Berlin-Weißensee begraben, manchmal besuche ich sein Grab, er liegt dort unter lauter fremden Menschen."

Barbara Honigmann

wird am 12. Februar 1949 in Ost-Berlin geboren und ist als Dramaturgin sowie Regisseurin tätig. Im Jahre 1984 emigriert sie mit ihrer Familie nach Strassburg, wo sie noch heute lebt. Honigmanns Werk wurde mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet, wie zum Beispiel dem Heinrich-Kleist-Preis, dem Max-Frisch-Preis der Stadt Zürich, zuletzt mit dem Jakob Wassermann-Preis (2018). Beim Carl Hanser Verlag erschienen u.a. 
Damals, dann und danach (1999),
Das Gesicht wiederfinden (2007) und
Bilder von A. (2011).
Im Buch Ein Kapitel aus meinem Leben (2004) nähert sich die Autorin der Biographie ihrer Mutter Alice „Litzy“ Friedmann, die als über­zeugte Kommunistin in London lebte, und in erster Ehe von
1933 bis 1945 mit dem britischen Doppelagenten Kim Philby
verheiratet war.

Cover: ©Carl Hanser Verlag München

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