Ausgabe

Die k.u.k. Adria in Farbe.

Tina Walzer

Inhalt

Gregor Gatscher-Riedl:
Die k.u.k. Adria in Farbe.
Bilder einer Reise ans Meer um 1900.

 

Berndorf: Kral Verlag 2018.

Buch, gebunden, 208 Seiten,
zahlreiche farbige Abbildungen.
29,90 Euro
ISBN: 978-3-99024-764-8

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Der liebevoll ausgestattete Bildband zeigt die mondäne Sommerfrische der Ringstrassen Gesellschaft anhand rarer Photochrom-Drucke sowie handkolorierter Dia­positive. Der eingangs gebotene Einblick in deren bildtechnische Hauptmerkmale und Besonderheiten weckt im  Leser Neugierde wie auch Bewunderung beim Betrachten dieser – im Gegensatz zur Mode der kurzlebigen Handykamera-Selfies – alles andere als beliebigen Kunstwerke des Alltags am Schnittpunkt zwischen Malerei und Fotografie.

Gregor Gatscher-Riedl hat sorgfältig die eindrücklichsten Motive ausgewählt, um dem Leser, den Küstenorten von Grado bis ins heute montenegrinische Cattaro/Kotor von Norden nach Süden folgend, die ursprüngliche Atmosphäre der östlichen Adria vor Augen zu führen, wie sie sich den erstaunten Bahnreise-Pionieren noch vor den tiefgreifenden Umwälzungen des 20. Jahrhunderts bot. Gerade in Hinblick auf die uns bekannten Veränderungen der vergangenen hundert Jahre erstaunen die alten Ortsansichten – die Bilder werden zu sozialhistorischen Dokumenten. Von der unberührten Natur über die ersten Spuren der Industriellen Revolution, von den Prachtbauten der Venezianer zu den militärischen Einrichtungen der k.u.k. Marine spannt das Buch nicht nur geografisch, sondern auch in Hinblick auf die verschiedenen in der Region vertretenen Sprach- und Bevölkerungsgruppen und politischen Entwicklungen einen Bogen, der weit über ein repräsentatives Coffee Table Book hinausgeht.

Ausgehend von den englisch inspirierten Hotelunternehmungen der Südbahngesellschaft beim Ausbau des Eisenbahnnetzes bis an die Meeresküsten, etwa den Hotels „Quarnero“ und „Kronprinzessin Stephanie“ in Abbazia (heute Opatija) bis hin zum feudalen „Albergo Imperiale“ in Ragusa (heute Dubrovnik) schildert der Autor, wie das exotische Naturerlebnis, als Seeluft-Bad beworben, ein breiter Publikumserfolg wurde. Mit den Augen des damaligen Luftkur-Gastes sinkt der Leser in eine längst versunkene Welt, begleitet von den ironischen Kommentaren des Jung Wien-Promotors Hermann Bahr, dessen Reisaufzeichnungen Gatscher-Riedl zur Illustration der Stimmungslagen anno 1900 beigezogen hat. Da sieht man den eleganten Herrn im Ausgehanzug mitsamt Florentiner Strohhut vor römischen Ruinen sinnend innehalten, und Badegesellschaften in gewagt gestreiften Ganzkörperanzügen – die riesigen Hüte der Damen dürfen auch hier nicht fehlen! – in der sanften Brandung der flachen Strände stehend plaudern. Wer sich heute fragt, was wohl ein Burkini sei, möge die historischen Bilder von Frauen in triefend nassen, hochgeschlossenen Ausflugsroben zu Rate ziehen.

Aus dieser ungewohnten Perspektive, von den Anfängen des innerkakanischen Fremdenverkehrs, rekonstruiert der Begleittext die Eckpunkte der historischen Entwicklung der Region, die jahrhundertelang im Spannungsverhältnis zwischen der Seerepublik Venedig, dem Osmanischen und dem Habsburgerreich stand. Nicht nur Segelfreunde nehmen diesen Band sicherlich gerne zur Hand, um in Erinnerungen an Blauwassertörns zu schwelgen – Kindheitstage werden hier ebenso lebendig wie die Erzählungen der Grosseltern, die sich, so wie auch schon ihre Eltern und deren Eltern, jeden Sommer ans ferne Meer träumten. Wer Interesse an umfangreicheren Hintergrundschilderungen bekommen hat, dem seien die profund recherchierten und sorgfältig bebilderten Bände der Kral Verlags aus der charmanten Reihe „k.u.k. Sehnsuchtsorte“ über Triest (Autor: Gregor Gatscher-Riedl) sowie Abbazia (Autor: Johannes Sachslehner) ebenso ans Herz gelegt.