Ausgabe

Der unbekannte Judenretter Berthold Storfer

Content

Gabriele Anderl: 9096 Leben Der unbekannte Judenretter Berthold Storfer. Mit einem Vorwort von Arno Lustiger.

Berlin: Rotbuch Verlag 2012

400 Seiten, EUR 19,50,-

ISBN 978-3-86789-156-1

Gabriele Anderl stellt auf über 400 Seiten eine sehr aufwendig recherchierte Biographie Berthold Storfers vor: Beginnend mit dessen familiären Hintergrund über seine Aktivitäten vor und während des Ersten Weltkrieges bis zur Organisierung der illegalen Palästina-Transporte in den 30er und 40er Jahren. Wie schon der Titel des Buches besagt, war es Storfer - in oft unermüdlicher Tätigkeit - gelungen, über 9000 Menschen ausser Landes zu bringen und deren Leben zu retten. Dennoch wurde Storfer - im Gegensatz zu Oskar Schindler - auch in der späteren Geschichtsschreibung nur wenig Beachtung entgegengebracht.

Dies hat mehrere Gründe. Einerseits wurde ihm - wie fast allen „jüdische Eliten im Dritten Reich" - die Nähe zu Adolf Eichmann bzw. anderen führenden Persönlichkeiten des NS-Regimes angelastet, ohne die Storfer jedoch Aktionen dieses Ausmasses nie hätte bewältigen können. Anderseits wurde Strofers Tätigkeit von Vertretern der zionistischen Organisationen zwar finanziell unterstützt,

aber mit grossem Misstrauen beobachtet. Von persönlichen Eitelkeiten abgesehen, beklagten die zionistischen Funktionäre u.a. ungenügende Mitspracherechte bei der

Auswahl der Passagierlisten, wollte man doch junge und arbeitsfähige Menschen für die Pionierarbeit in der „Neuen Heimat" gewinnen, während die NS-Behörden darauf bestanden, auch alte und gebrechliche Menschen einzuordnen, um letztendlich das Aubauwerk in Palästina zu schwächen. Dieser Gegensatz wurde - sicher auch zum Schaden der zu rettenden Menschen - mit grosser Härte geführt und hat dazu beigetragen, dass die Öffentlichkeit in Israel auch viele Jahre später Berthold Storfer kaum zu Kenntnis genommen hat.

Es ist daher der bisher durch zahlreiche bedeutende Publikationen in Erscheinung getretenen Historikerin Gabriele Anderl sehr zu danken, ein umfassendes Bild dieser zwar schillernden, aber mutigen Persönlichkeit gezeichnet zu haben, ohne in eine einseitige Beurteilung abzugleiten. Die Fülle der aufgearbeiteten Dokumente und Interviews ermöglichen dem unvoreingenommenen Leser einen objektiven und profunden Einblick in das Leben dieser so erfolgreichen „Manager-Persönlichkeit": Storfer musste sein Engagement mit dem Leben bezahlten; die NS-Behörden gewährten ihm - der in deren Augen zu viel wusste - keine Chance, sich im letzten Moment in Sicherheit zu bringen.

Seit dem Erscheinen des von Doron Rabinovici verfassten Buches „Instanzen der Ohnmacht" ist die vorliegende.Biographie als die wichtigste Publikation zu diesem Themenkreis anzusehen.