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Chagall und Salomon für Einsteiger

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Van Voolen, Edward: 50 jüdische Künstler, die man kennen sollte

München: Prestel, 2011

160 Seiten, € 20,60 [A] | € 19,95 [D] | CHF 28,50

ISBN: 978-3-7913-4572-7

„50 jüdische Künstler, die man kennen sollte" - dieser Titel irritiert. Würde jemand ein Buch über 50 katholische Maler schreiben? Profitieren Man Ray oder El Lissitzky wahrhaftig davon, dass nun - posthum - ein größeres Publikum von ihren selbst- bzw. fremdverschwiegenen jüdischen Wurzeln erfährt? Wird nicht zuletzt die Frage, was überhaupt ein „jüdischer Künstler" sei, seit mindestens zwei Dekaden überaus kontrovers diskutiert?

„Wie deutsch ist die deutsche Kunst?" fragte 1999 der Kunsthistoriker Werner Hofmann und thematisierte ähnliche beengende Kategorisierungen. Nicht zu Unrecht weigern sich viele KunstwissenschaftlerInnen seit den 1970er Jahren, Kunst oder KünstlerInnen nach Religionen, Geschlechtern, Nationen, Ethnien, sozialen Milieus oder sonstigen Schubladen zu ordnen. Zu pluralistisch waren zu allen Zeiten die Einflüsse. Dass der niederländische Kunsthistoriker, Ausstellungsmacher, Buchautor und Rabbi Edward van Voolen trotzdem einen Band dieses Titels vorlegt, ist der populärwissenschaftlichen Prestel-Reihe geschuldet, in der das Werk erscheint: Sie lud bereits zu "50 Künstlerinnen, die man kennen sollte", "50 Architekten, die man kennen sollte" und dergleichen mehr. Van Voolens "50 jüdische Künstler" lesen sich als Extrakt seines weit umfangreicheren Werks "Jüdische Kunst und Kultur" (2006). Doch obwohl sein neues Buch die Fachwelt wegen mancher Verkürzung vielleicht nicht nur begeistert, sei es EinsteigerInnen, die sich noch nie mit dem Œuvre jüdischer bzw. jüdisch-stämmiger KünstlerInnen befassten, durchaus ans Herz gelegt.

In 50 chronologisch gereihten und reich bebilderten, kurzen Portraits internationaler KünstlerInnen spannt van Voolen den Bogen vom ersten deutschen, akademisch ausgebildeten Maler jüdischen Glaubens, Moritz Daniel Oppenheim, über vielzitierte Klassiker wie Max Liebermann oder Marc Chagall, den in Auschwitz ermordeten MalerInnen Felix Nussbaum und Charlotte Salomon bis zu jüdischen KünstlerInnen der Gegenwart. Natürlich ist es unmöglich, im vorangestellten, spärliche drei Seiten umfassenden Einleitungstext eine differenzierte, von tückischen Fußangeln befreite Sicht auf das Thema „Judentum" - "jüdische Kunst" - "jüdische Künstler" zu entwickeln. Doch die Auswahl der Biographien spricht für sich, visualisiert, was eigentlich längst jeder wissen sollte: Jüdisch-stämmige KünstlerInnen haben zu allen Zeiten völlig unterschiedliche künstlerische Ziele verfolgt. Für manche spielte das Judentum privat und/oder künstlerisch eine herausragende Rolle, für andere gar keine. Einige, Man Ray etwa, setzten alles daran, ihre Herkunft zu verbergen. Andere, Marc Chagall beispielsweise, thematisierten sie farbenfroh und reichlich.

50 KünstlerInnen als „die wichtigsten" herauszupicken, gerät leicht zum Bumerang. Statt das Laienpublikum neugierig auf weitere zu stimmen, suggerieren derartige Rankings, der Rest sei irrelevant. Van Voolens konkrete Auswahlkriterien werden nicht genannt - sowohl hinsichtlich der auserkorenen KünstlerInnen als auch der Kunstgattungen. So klammert der Band die Fotografie und damit hochkarätige deutsch-jüdische Fotograf/innen wie Lucia Moholy, Gisèle Freund oder Erich Salomon, aus. Dennoch: Die eigentliche Intention des Buches, nämlich endlich, immerhin sieben Jahrzehnte nach der sog. Wannseekonferenz, ein größeres, fachfremdes Publikum für die Thematik zu begeistern, ist einfach zu richtig, um derlei, dem populärwissenschaftlichen Konzept geschuldete Desiderate auf die Goldwaage zu legen. Zu lange wurden jüdisch-stämmige KünstlerInnen unsichtbar gehalten, antisemitische Äußerungen vermeintlicher Maler-Legenden wie Edgar Degas oder Wassily Kandinsky unter den Tisch gekehrt.

So bleibt am Schluss nur ein winziger Wehrmutstropfen: Wieso tauchen im Band bloß sieben Künstlerinnen auf? Von Lea Grundig bis Judy Chicago haben in jener Zeitspanne weit mehr Frauen Kunstgeschichte geschrieben. Aber vielleicht nimmt der Verlag ja irgendwann „50 jüdische Künstlerinnen, die man kennen sollte" in seine Reihe auf. Damit hätte er ein noch größeres Desiderat erwischt.