In zwei Jahren jährt sich zum hundertsten Mal der Beginn des Ersten Weltkrieges. Die Erinnerung an die Ursachen soll auch die Folgen der kriegerischen Auseinandersetzungen und die unzähligen Opfer berücksichtigen. So wurden bereits seinerzeit Massnahmen des ehemaligen k.u.k. Armeeoberkommandos zur Schaffung von Ehrengräbern für die gefallenen Soldaten gesetzt. Im k.u.k. Kriegsministerium wurde dafür im November 1915 eine eigene Gräberabteilung eingerichtet, um eine namentliche Registrierung, Zusammenführung und würdige Dauerbestattung der Kriegsopfer zu gewährleisten.
Das Militärkommando Krakau erhielt hierzu den Auftrag, das westgalizische Kampfgebiet in Gräberbezirke aufzuteilen und unter der Aufsicht von namhaften Architekten und Bildhauern künstlerisch zu gestalten. Als Beispiel werden hier die Namen der Landsturmoffiziere Ing. Hans Mayer und Dusan Jurkovic angeführt, die gemeinsam mit anderen Künstlern die Einfassungen, Kreuze und Denkmäler zu den projektierten Friedhöfen im zeitgemässen Jugendstil entwarfen. An die vierhundert Grabanlagen wurden in zehn Gräberbezirken im westgalizischen Kampfgebiet bis zum Kriegsende errichtet. Diese Kunstbauten zu Ehren und Gedenken an die Opfer der Kämpfe im Ersten Weltkrieg haben sich im Wesentlichen bis zum heutigen Tag erhalten und sind im Standardwerk "Westgalizische Heldengräber", herausgegeben 1917 vom Militärkommando Krakau, ausführlich dargestellt.
Wien Zentralfriedhof - Krematorium
Dagegen weniger bekannt erscheinen die Massnahmen zur Errichtung von Kriegerfriedhöfen in Mittel- und Ostgalizien. Unter den dort tätigen Projektanten befand sich mit Arthur Grünberger einer der interessantesten österreichischen Architekten jüdischer Herkunft. Geboren 1882 in Fulnek in Mähren hat er 1907 sein Studium an der Akademie der bildenden Künste in Wien unter Leitung Prof. Ohmanns abgeschlossen. Im Jahre 1914 beteiligte er sich an der Ausschreibung für den „Neuen Jüdischen Friedhof" auf dem Wiener Zentralfriedhof. Er entwarf dort eine Kapelle mit Orientcharakter mit reichen architektonischen Detailornamenten und in Weiterführung dieses Stils einige Jahre später auch das Krematorium.
Kriegerfriedhof Zubensko-Grundriss
Grünbergers grösster Erfolg war der Sieg beim Wettbewerb und anschliessend das Umsetzen des Siegesprojektes für die Synagoge in der Eitelberggasse 22 (Neue-Welt-Gasse) im Wiener Stadtviertel Hietzig. Mit weiteren Kunstprojekten und Publikationen festigte der Künstler seinen Namen in der Wiener und internationalen Architekturszene.
Grünbergers Militärzeit in Przemysl
Seine Zeit beim Militär zeitigte ebenso Folgen. Sie kann aus den erhaltenen Unterlagen im Österreichischen Staatsarchiv/Kriegsarchiv grossteils nachvollzogen werden. Im Juni 1916 beantragte die im k.u.k. Kriegsministerium für Kriegsgräber zuständige Abteilung 9 die Versetzung des beim k.k. Landsturm Infanterieregiment Nr. 13 in Olmütz im Wachdienst eingeteilten Zugsführer Grünberger zur Kriegsgräberinspektion nach Przemysl, wobei um „dringende Veranlassung" ersucht wurde. Begründet wurde dies damit, dass der Zugsführer als bewährter Architekt in der vorgesehenen dringlichen Verwendung zweifellos zweckmässigeren Dienst zu leisten vermöge als in einem Wachbataillon. Bereits kurze Zeit später befand sich Grünberger in der San-Festung (Przemysl).
Kriegerfriedhof in Ropczyce
Laut einer Mitteilung vom 25. Juni 1917 über den Fortschritt der Arbeiten beim Anlegen der Kriegerfriedhöfe durch die Kriegsgräberinspektion Przemysl war Grünberger als künstlerischer Berater bei der III. Abteilung in Lisko (Lesko) eingesetzt. Die Entwürfe zu drei von ihm dort gestalteten Friedhöfen sind bis heute erhalten geblieben, nämlich jene in Zawoj, Radziejowa und in Subenko bei Lupkow. Es sind kleine Anlagen, die mit den bestehenden Kirchen und dem Pflanzenwuchs um sie herum kompositorisch im Einklang stehen. Grünberger war bemüht, die Friedhöfe in das Umfeld einzupassen und herausragende Stellen dieser Nekropolen mit einer architektonischen Dominante in Form eines Denkmales hervorzuheben. Es ist jedoch nicht bekannt, ob diese Friedhöfe realisiert wurden - im Verzeichnis der III. Abteilung sind sie nicht angeführt.
Grünberger war daneben auch als künstlerischer Berater in anderen Gräberabteilungen in Galizien tätig. Auf den Entwürfen der drei Friedhöfe in der Abteilung XVI (Mielec, Tarnobrzeg, Kolbuszowa) und einem in der Abteilung XV (Ropoczyce) befinden sich mit der Hand eingetragene Korrekturen und Bemerkungen des Künstlers hinsichtlich der Umzäunung, Denkmäler und Grabzeichen. Weitere Details über die Arbeiten Grünbergers im Felde sind nicht bekannt.
Bilder aus der Zeitschrift: "der Architekt", XXIV Jahrgang 1921-1922, S. 75-78.
Nach Kriegsende verblieb Grünberger vorübergehend in Przemysl, wo er die Friedhofsanlage am Hügel Zniesienie entwarf, die allerdings in dieser Form nicht zur Ausführung gelangt ist. Danach verschlug es ihn in die USA, wo er seine künstlerischen Ambitionen weiterhin erfolgreich umsetzen konnte. Er starb 1935 in Los Angeles. Ein heute weithin unbekannter Architekt, der mit seinen Arbeiten für das österreichische Kulturgut einen nicht unbedeutenden Beitrag geleistet hat.
Doktor der Architektur Jan Schubert (geb. 27. Mai 1943 in Krakau) hat sich jahrelang mit der Architektur und Denkmalpflege der Kriegerfriedhöfe in Galizien befasst. Bis 2010 arbeitete er an der Fakultät für Architektur der Technischen Hochschule in Krakau (Institut für Geschichte der Allgemeinen Architektur und Denkmalpflege). Ebenso unterrichtet er seit 2005 an der Krakauer-Frycz-Modrzewski-Akademie.