Am 18. April 2014 starb in Metzenseifen (slowak. Medzev) bei Kaschau (heute Kosice, Slowakei), dem heutigen Zentrum der Deutschen in der Slowakei, einen Monat nach ihrem 94. Geburtstag, die wohl letzte Judenretterin der Slowakei, möglicherweise auch ganz Mitteleuropas.
Die damals junge, 22-jährige Frau, Mutter eines kleinen Kindes, erhielt eines Tages von ihrer in Pressburg lebenden Schwester einen Brief mit der Aufforderung, die unbekannte Frau, die sie in den nächsten Tagen aufsuchen wird, über die bei Metzenseifen verlaufende slowakisch-ungarische Grenze nach Ungarn zu bringen. Sie kannte die Grenze sehr gut, da sie im Ortsteil Luciahütte geboren und aufgewachsen war, welcher, vor 1939 Teil Ober-Metzenseifens, 1939 an Ungarn fiel. An die unbekannte Besucherin sollten keine Fragen gestellt werden, auch nicht nach dem Namen gefragt, und auch später sollte darüber nicht gesprochen werden, um die Familien der Besuchten nicht zu gefährden. So schwieg die junge Frau ganze 58 Jahre lang, ein Leben lang bis ins hohe Alter. Erst an ihrem 80. Geburtstag, als sie aus ihrem langen Leben erzählte, gab sie auch die Geschichte ihres Lebens von der unbekannten Besucherin während des Zweiten Weltkriegs ihren Nachkommen preis.
In der Zeit des Zweiten Weltkriegs war die Slowakei ein Vasall Hitler-Deutschlands, denn die Slowakei stand unter seinem Protektorat, war doch der neue Staat Europas auch aus seinem Willen entstanden. Als dann in der Slowakei 1942 die schändlichen antijüdischen Gesetze in Kraft traten, mussten alle Juden des Landes um ihr Leben bangen; schliesslich kam die überwiegende Mehrheit der slowakischen Juden in den KZs ums Leben. Für jeden Juden, der nie mehr in die Slowakei zurückkehrt, verlangte die slowakische Regierung vom ‚Schutzstaat‘ Hitlerdeutschland 500 Reichsmark! Das Geschäft mit dem Tod blühte.
Noch im März, einen Monat vor ihrem Tode, sagte Frau Maria zu ihrem Sohn: „Nur einen einzigen Wunsch hätt ich noch - könnt ich doch erfahren, was mit dieser guten Frau passiert ist, ob sie sich retten und am Leben bleiben konnte." Die „gute Frau" war „eine ungarische Jüdin aus Pressburg" (heute Bratislava, Hauptstadt der Slowakei). So starb Frau Maria, ohne dass ihr letzter Wunsch in Erfüllung gegangen war.
Die Verstobene, Frau Maria Tischler, war die Mutter unseres PEN-Zentrum-Mitglieds Paul Tischler. Dieser gab 1988 als einziger unter den 5.473 deutschsprachigen Verlagen anlässlich eines grossen Jubiläums des Staates Israel die Anthologie „40 JAHRE ISRAEL. Die deutsche Sprache, deutschsprachige Literatur und Presse in Israel" als Verleger in München heraus.