DAVID: Am 16. Dezember 2013 wurden Sie als Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur angelobt, ein Ressort, das seit März 2014 Bundesministerium für Bildung und Frauen heisst. Haben Sie Reaktionen auf diese Namensänderung, die den Begriff „Frauen" im Namen des Ministeriums inkludiert, in der Öffentlichkeit wie auch in der Politik erlebt?
Bundesministerin Gabriele Heinisch-Hosek.
Foto: Astrid Knie, mit freundlicher Genehmigung BMBF.
BMin Heinisch-Hosek: Ja natürlich. Zu Beginn meiner Amtsübernahme stand verständlicherweise die Sorge vieler langjähriger WegbegleiterInnen im Kampf um die Gleichberechtigung von Frauen, ob es mir mit den zusätzlichen Aufgaben als Bildungsministerin gelingen wird, mich weiterhin streitbar und fordernd für unsere Anliegen einzusetzen. Und heute - wo ich ja schon auf über ein Jahr meiner Amtszeit zurückblicken kann - freue ich mich darüber, wie sehr sich Bildung und Frauen gegenseitig in ihren Inhalten befruchten.
DAVID: Im profil vom 12. Jänner des Jahres hat die Journalistin Angelika Hager einen sehr treffenden Artikel verfasst, wo sie die Rolle der Frau in unserer heutigen Gesellschaft hinterfragt. Angelika Hager meint unter Anderem, dass sich in den letzten Jahren ein Trend etabliert hat, der sehr an die 1950er und 1960er Jahre erinnert: die Frau wird wieder verstärkt als Mutter und Hausfrau gesehen. Haben Sie auch den Eindruck, dass diese Tendenz wieder verstärkt auftritt?
BMin Heinisch-Hosek: Absolut nicht. Vielmehr mache ich die Erfahrung, dass wir derzeit an einem Punkt sind, wo sich Frauen endlich dagegen wehren, sämtliche Rollenbilder, die ihnen in den letzten Jahrzehnten zugeschrieben wurden, erfüllen zu müssen. Wir müssen nicht rund um die Uhr Powerfrauen sein, wir müssen nicht Job und Familie alleine perfekt schaukeln. Was mir in letzter Zeit positiv aufgefallen ist, ist dass Frauen sich vermehrt zu ihren individuellen Lebensentwürfen bekennen. Das kann der Entwurf einer Hausfrau und Mutter sein, genauso wie der Entwurf einer Frau, die ihren Job mit Kindern verbinden will, oder eine Frau, die sich dazu entscheidet, keine Kinder zu bekommen. Unsere Lebensentwürfe sind so vielseitig wie wir.
DAVID: Ein weiteres wichtiges Thema der heutigen Frauenbewegung ist sicherlich auch die Lohnschere, die in Österreich bei immerhin 22 Prozent liegt. Wie kann die Politik gezielt agieren, um diesen Unterschied zu mindern?
BMin Heinisch-Hosek: Für mich ist Transparenz der entscheidende Faktor. Bei den Gehaltsangaben in Stellenausschreibungen, genauso wie im Unternehmen selbst. Nur wenn ich weiss, dass ich weniger verdiene als ein männlicher Kollege in der gleichen Position, kann ich mich dagegen auch wehren. Transparenz braucht es auch bei den Auswirkungen von langen Kinderbetreuungszeiten und Teilzeitarbeit auf den Pensionsanspruch - Stichwort Pensionskonto. Mir ist es ein grosses Anliegen die Tragweite dieser Lebensentscheidungen sichtbar zu machen. Eine Informationsbroschüre dazu ist bereits im Druck. Zusätzlich muss natürlich auch das Bewusstsein für die Existenz von Lohndiskriminierung bei ArbeitgeberInnen und ArbeitnehmerInnen steigen und Arbeit von Frauen und Männern endlich gleich bewertet werden.
DAVID: Laut Medienberichten will das Frauenministerium die Gleichbehandlungsnovelle im März erneut in den Ministerrat einbringen. Wie würden Sie die Chancen einschätzen, dass so ein Gesetz in Österreich realisiert werden könnte?
BMin Heinisch-Hosek: Für die Gleichbehandlungsnovelle ist das Sozialministerium legistisch zuständig. Ich setze mich allerdings seit Jahren für das sogenannte „Levelling up" im Gleichbehandlungsgesetz ein, um auch ausserhalb der Arbeitswelt Diskriminierungen aus Gründen der Religion oder Weltanschauung, des Alters und der sexuellen Orientierung verbieten zu können. Mit den Sozialpartnern gibt es seit langem eine Einigung und ich bin zuversichtlich, dass sich auch der Koalitionspartner, an dessen Widerstand eine Novellierung bisher gescheitert ist, in die richtige Richtung bewegt.
DAVID: Auch die Bildung ist ein Bereich, der immer wieder diskutiert wird. Heuer sind Sie in die Niederlande gefahren, um das dortige Bildungssystem näher zu begutachten. Was sind die Besonderheiten dieses Staates und welche Erkenntnisse haben Sie nach Österreich mitgebracht?
BMin Heinisch-Hosek: Im Vergleich zu unserem eher strukturell und hierarchisch aufgebauten Schulsystem besitzen die Schulen in den Niederlanden völlige Autonomie. Der Staat legt lediglich Rahmenbedingungen zur Erfüllung bestimmter Bildungsziele fest und verantwortet die Finanzierung der Schulen. Natürlich ist dieses System historisch gewachsen und nicht auf unseres zu übertragen. Aber in vielen Punkten konnte ich mir Anregungen für einen grösseren Gestaltungsspielraum an unseren Schulen holen.
DAVID: Zuletzt würden wir Sie gern auch nach Ihren musikalischen, literarischen und sonstigen kulturellen Vorlieben fragen.
BMin Heinisch-Hosek: Wenn es meine Zeit erlaubt, dann höre ich sehr gerne klassische Musik oder gehe in die Oper. Für die nächsten Wochen und Monate gilt meine volle Aufmerksamkeit aber vor allem jenen 45.000 Schülerinnen und Schülern, die im Rahmen der Neuen Reifeprüfung maturieren werden.
DAVID: Vielen Dank, Frau Bundesministerin, für das interessante Gespräch.
BMin Heinisch-Hosek: Ich danke Ihnen und wünsche Ihnen ein freudvolles Pessachfest!