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Wird es je besser werden?

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Miriam Magall: Noch einmal: Gegen Apion! Der neue kulturelle Antisemitismus aus der Mitte der Gesellschaft.

Lich/Hessen: Edition AV 2015

312 Seiten, Euro 18,00

ISBN 978-3-86841-110-2

Knapp siebzig Jahre ist es her, dass die Gaskammern geschlossen, die letzten Herde kalt wurden. Für immer, dachte man damals wohl allgemein. Nie wieder Verfolgung! Nie wieder Mord an Juden.

Doch es dauerte keine siebzig Jahre, bis er wieder allgegenwärtig war: der Hass auf Juden bzw. - in neuem Gewand - auf Israel und die Israelis. Ein Philosoph will aufrechnen, die einen Opfer gegen die anderen. Ein Schriftsteller will einen Schlussstrich ziehen: Genug! Das fordern beide und nicht nur sie. Womit genug? Genug des Gedenkens. Genug der Vorwürfe. Man wird doch wohl noch sagen dürfen, was man denkt. Und sie tun es: laut und unüberhörbar.

Man überschlägt sich vor lauter Eifer: Die Juden haben keine eigene Kultur! Die Juden haben keine eigene Kunst! Ihre Religion? Abgekupfert. Schon seit der Zeit Salomos schielten sie auf ihre Nachbarn und übernehmen, was die anderen viel kultivierteren Wüsten- und Steppenvölker ihnen voraushaben. Das wird immer wieder behauptet: von christlichen Archäologen, Kunsthistorikern, Alttestamentlern. Die Juden täten weitaus besser daran, endlich ihren Aberglauben aufzugeben und sich dem überlegeneren Glauben an den Gekreuzigten anzuschliessen. - So meint der bekannte Ägyptologe Jan Assmann, emeritierter Professor an der Universität Heidelberg, der beispielsweise, erst mit dem Monotheismus der Israeliten sei der Hass in die Welt gekommen. Und die Juden seien selbst schuld am Antisemitismus. Und was für eine Chuzpe, dass sie die Schoa allein für sich beanspruchen wollen!

Entzückt nimmt man die Worte des israelischen Archäologen Israel Finkelstein zur Kenntnis, der die Helden der hebräischen Bibel auf das zurechtstutzt, was sie sind: David und Salomo seien primitive Strassenräuber. Abraham? - Hat es nie gegeben! Moses? - Hat es nie gegeben! Der Auszug aus Ägypten? - Nie stattgefunden!

Ins gleiche Horn stösst Shlomo Sand, wenn er kenntnisreich von der „Erfindung des jüdischen Volkes" und von der „Erfindung des Landes Israel" spricht und sich schliesslich aus dem Kreis der Juden verabschiedet, weil er nicht zu diesen Usurpatoren gehören wolle - ohne jedoch auf den Posten eines Professors an der Universität Tel Aviv verzichten zu wollen.

Angesichts dieses geballten Angriffs auf das Wesen von Religion, Volk und Verständnis von Geschichte kann man über die Versuche des weitgereisten Journalisten Peter Scholl-Latour nur lächeln, ebenso über die Versuche der verschiedenen Artikelschreiber in den dicken Katalogen, die einige grössere Ausstellungen über jüdische Kunst und Geschichte begleiten.

Die von Miriam Magall sprachlich gründlich sezierten Artikel und Buchbeiträge lassen sich als eine Dokumentensammlung von Judenhass und Judenneid definieren. Eine höchst empfehlenswerte Lektüre für all jene, die lediglich Glatzköpfe in Springerstiefeln auf der Rechnung haben: Antisemitismus findet sich in der Mitte der Gesellschaft. Auch wenn Abneigung und Hass auf das Jüdische - zumindest vorläufig - „nur" auf dem Papier ihren Niederschlag finden.