Meir Litvak & Esther Webman: From Empathy to Denial, Arab Responses to the Holocaust (Hebräische Ausgabe)
Übersetzung aus dem Englischen: Yehuda Porat
Jerusalem: Magnes University Press & Yad Vashem 2015
426 Seiten, Paperback
Euro 33,00; USD 36,00
ISBN 978-965-493-802-0
Auch als eBook erhältlich:
ISBN 978-965-493-803-7, Euro 24,00; USD 27,00
Vieles wurde und wird immer noch über die Schoah geschrieben. Das vorliegende Buch ist nicht „noch ein Buch" über dieses Thema. Es ist insofern „etwas Anderes", da es die Reaktionen und Auseinandersetzungen mit diesem Thema im moslemisch-arabischen Raum analysiert. Der Bogen der Reaktionen spannt sich von Empathie bis zur Verleugnung, keine Nuance bleibt ausgeschlossen. Die Quellen, auf die sich die Autoren stützen, sind mannigfaltig: Archivmaterial, Zeitungen und Zeitschriften jeder Art, Meldungen von Nachrichtagenturen, Essays, Internetbeiträge und Bücher in verschiedenen Sprachen wie zum Beispiel Hebräisch, Arabisch, Englisch, Französisch. Der Weg von Empathie bis zur Verleugnung führt über viele Zwischenstationen. Eine lineare Entwicklung war es aber nicht. Diese Zwischenstationen waren von Anfang an schon erkennbar, schon während des 2. Weltkrieges, in den Jahren 1943 bis 1944. Seit dieser Zeit stand für die Araber die Auseinandersetzung mit dem Problem „Erez-Jisrael" ziemlich im Vordergrund, war mitbestimmend, wenn nicht gar bestimmend.
Das (offizielle) Bekanntwerden der Ereignisse in Europa bewirkte eine Welle der Empathie, die mit der Staatsgründung abebbte, die somit nur wenige Jahre angehalten hat. Die „Sorge", was eine massive Einwanderung von Juden nach Palästina bewirken könnte, ist auch schon während des Krieges erkennbar. Noch jahrelang wird argumentiert: Die Nazis haben ein Verbrechen gegen die Menschheit (!) begangen, aber warum müssen die Araber dafür zahlen? Abgesehen von der Staatsgründung haben noch zwei Ereignisse grossen Einfluss auf dieses Thema. Das eine ist das Wiedergutmachungsabkommen mit Deutschland. Individuelle Wiedergutmachung wird gut geheissen, doch warum soll der Staat etwas bekommen, warum soll dieser von den Geschehnissen, die vor seiner Gründung sich ereignet haben, profitieren? Das wird allgemein als Erpressung Deutschlands dargestellt. Individuelle Wiedergutmachung, wie erwähnt, ja. Das aber auch für die arabischen Flüchtlinge.
Das zweite ist der Eichmannprozess. Die allgemeine Stimmung war pro Eichmann, auch dank dem Einfluss des Muftis Husseini. In einer Karikatur wird Eichmann vorgeworfen, dass er seine Aufgabe nicht vollendet hat. Um diese Zeit kommt auch das Argument auf, dass der Zionismus gemeinsame Sache mit dem Nazismus machte, siehe das Abkommen mit Chaim Arlosoroff.1 Das Verhältnis der katholischen Kirche zum Judentum findet auch seinen Niederschlag im arabischen Raum. Die Reaktionen sind von den politischen Tendenzen bestimmt. In der Zeit des 2. Vatikanischen Konzils bewahren die Zeitungen in Jordanien Stillschweigen - man ist an freundschaftlichen Beziehungen mit dem Vatikan interessiert.
Die historischen Ereignisse, die bestimmenden Einfluss auf die arabische Einstellung hatten, bilden den ersten Teil des Buches. Im zweiten Teil werden die verschiedenen Aspekte der Schoah-Darstellung analysiert. Quellen zur völligen Leugnung der Schoah waren westliche Schriften. Grossen Einfluss hatte hier Roger Garaudy, der 1982 zum Islam konvertierte. Mit der Zeit kommen auch „eigene" Argumente dazu. Schliesslich resümiert die Syrische al-Thawrah: „Was einem bleibt zu sagen ist, dass es keine Schoah gegeben hat und zwischen den Nazis und den Zionisten gab es keinen Hass..." (al-Thawrah, 12.12.2002). Da man die Schoah doch nicht völlig wegleugnen kann, verlegte man sich, wie im Westen, auf Relativierung. Mahmud Abbas, alias Abu Masen, verleugnet die Schoah in seiner Dissertation, bedient sich aber zugleich der Relativierung. „Basierend" auf Raul Hilbergs Die Vernichtung der europäischen Juden, behauptet er, dass es nur 896 000 Opfer gegeben habe. An besagter Stelle in Hilbergs Buch (Seite 670) ist davon nichts zu finden. Weitere Themen sind ein Vergleich von Zionismus und Nazismus, sowohl ideologisch als auch in Taten, eine Zusammenarbeit von Zionisten mit den Nazis. Es fehlen auch nicht Argumente, die die Schoah rechtfertigen. Diese bedauern, dass die „Aufgabe" nicht vollendet wurde. Nur wenige im arabischen Raum berichten über die Schoah und werten sie als das was sie war. Auch diese kommen hier zu Wort.
Keine leichte Literatur, aber äusserst lehrreich.
1 Anmerkung der Lektorin: siehe http://www.zukunft-braucht-erinnerung.de/das-haavara-abkommen/