Ralph Dutli: Mandelstam, Heidelberg. Gedichte und Briefe 1909-1910.
Zweisprachig: Russisch-Deutsch
Göttingen: Wallstein Verlag 2016
192 Seiten, deutsche Erstausgabe, gebunden, Schutzumschlag
Euro 20,50 [A] | Euro 19,90 [D]
ISBN: 978-3-8353-1858-8
Auch als eBook erhältlich:
ISBN/EAN: 9783835329584
Euro 15,99
Dies Leben abzuleben - meine Angst,
Vom Baum als Blatt einst abzufallen.
Und nichts zu lieben mehr so ganz,
Als namenloser Stein verhallen.(..)
Das Zittern warmer Vögel fang
Ich auf durch alle engen Netze,
Und aus verglommenen Seiten bang
Zieh ich Jahrhundert-Aschereste.
Zum 125. Geburtstag von Ossip Mandelstam erschien im Wallstein Verlag ein wunderbarer Band mit Gedichten und Briefen des Schriftstellers. Der am 15. Jänner 1891 in Warschau geborene russisch-jüdische Dichter hielt sich von Oktober 1909 bis März 1910 in Heidelberg auf. Die dort entstandenen vierzig Jugendgedichte wurden von Mandelstam später nicht in seine Gedichtsammlungen aufgenommen. Dennoch zeigen sie bereits Motive, die für sein späteres Werk bedeutsam werden sollten: Natur, die Welt und natürlich die Liebe. Der Band enthält neben den Gedichten auch sieben Briefe Mandelstams, die er an die zwei russischen Dichter Wjatscheslaw Iwanow und Maximilian Woloschin richtete. Sowohl Iwanow (1866 bis 1949) als auch Woloschin (1877 bis 1932) waren stark vom Symbolismus geprägt und beeinflussten den jungen Mandelstam. Während des russischen Bürgerkriegs (1918-1921) setze sich Woloschin für Mandelstam ein, der von den „Weissen" als angeblicher bolschewistischer Spion verhaftet wurde und um sein Leben fürchten musste. Mandelstam wurde freigelassen. Der in Heidelberg lebende Schriftsteller Ralph Dutli (geboren 1954) übersetzte die Gedichte mit Feinfühligkeit: „Ralph Dutli übersetzt und deutet Ossip Mandelstams Jugendgedichte aufregend neu. Wenn der 1891 in Warschau als Kind einer jüdischen Familie geborene und 1938 in einem sibirischen Arbeitslager unter unklaren Umständen ums Leben gekommene Ossip Mandelstam heute in Deutschland als einer der grössten russischen Lyriker gilt, dann verdankt sich das dem Wirken von Ralph Dutli."1 Über der Lektüre schwebt das Wissen um Mandelstams tragisches Schicksal. Kurz vor seinem achtundvierzigsten Geburtstag starb er am 27. September 1938 in einem Durchgangslager des Gulag bei Wladiwostok, unterwegs zu fünf Jahren Arbeitslager. „Dabei darf das Wichtigste nicht vergessen werden: Mandelstam ist jenseits seiner tragischen Lebensumstände einer der bedeutendsten Vertreter der Weltpoesie." (Ralph Dutli)
1 Andreas Platthaus, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 11. Februar 2016