Bis zum Ersten Weltkrieg gab es an der nördlichen Adria, zwischen Rijeka (ital. Fiume) und der 15 Kilometer westlich gelegenen k.u.k.Nobel-Sommerfrische Abbazia (kroat. Opatija) dreizehn Bethäuser und eine repräsentative orthodoxe Synagoge für die rund 2.500 Jüdinnen und Juden in der Quarner-Region. Von diesen überlebten 36 die Shoah. Den Zweiten Weltkrieg hat in Opatija kein jüdisches Bethaus, in Rijeka nur die kleine orthodoxe Synagoge überdauert.
Die neologe Synagoge von Rijeka, kolorierte Postkarte, 1912. Quelle: Goran Moravček, mit freundlicher Genehmigung.
In Rijeka, auf Deutsch St.Veit am Pflaumb (nach dem Karstfluss Pflaumb, heute Riječina/Fiumara, der 1920 bis 1945 die Grenze zwischen Italien und Jugoslawien bildete) waren jüdische Mitbewohner schon im 15. Jahrhundert registriert: ein „Geldverleiher“ Abraham Angoletti und sein Sohn Marko, wohnhaft im Stadtteil mit der alten venezianischen Bezeichnung „Giudeca“, im lokalen Dialekt „Zuecha“ oder „Zudecca“ (wohl an der nördlichen Stadtmauer gelegen). Im Jahre 1531 erschien in Rijeka ein Gebets-und Psalmenbuch von Isak Adarbi mit dem Titel Libre Shalom. Erst zu Ende des 18. Jahrhunderts finden sich wieder archivalische Spuren jüdischen Lebens in Rijeka: Vier Familien sefardischer Juden aus Split, Inhaber von Kontoren für Tabak, Tuchwaren und Südfrüchten, unter ihnen die Familie Penso, erhielten 1781 vom Magistrat der Stadt auf ihre Bitten hin die Genehmigung zur Einrichtung eines Bethauses und ein Areal zur Anlage eines Friedhofes. Die Habsburger-Herrscherin Maria Theresia erteilte der jüdischen Gemeinde Rijeka mit dem Protocollum ein Gründungsdokument, eine Sammlung von „Verhaltensmassregeln“ für die institutionalisierte Gemeinde, so, wie es auch das für die Judenschaft von Triest verfasste Regulamentum Judaeorum (1771) darstellte. Das Dokument in Rijeka trat (aus nicht zu ermittelnden Gründen) erst 1781 in Kraft.
Die orthodoxe Synagoge von Rijeka. Foto: Roberta F., Juni 2008. Quelle: Wikimedia commons, abgerufen am 28.05.2020.
Rijeka genoss damals schon jenen Status eines Freihafens, den Kaiser Karl VI. Rijeka, gemeinsam mit Triest, verliehen hatte. Die Privilegien sowie die finanzielle Förderung des Seehandels durch das Haus Habsburg liessen erwarten, dass sich schon im 18. Jahrhundert, besonders aber nach dem Toleranzpatent Kaiser Josephs II. (1781) jüdische Händler in der Stadt niederliessen. Doch infolge der Napoleonischen Kriege und der Revolution in Ungarn – dem Rijeka kraft kaiserlichen Patentes vom 23. April 1779 als separatum sacrae regiae Coronae Hungariae adnexum corpus angehörte (1807 gesetzlich verankert) – kamen der wirtschaftliche Aufschwung der Stadt und die Zuwanderung von Unternehmern, Investoren und Arbeitskräften erst in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts in Schwung.