Christoph Tepperberg
Zeugen für Christus. Das deutsche Martyrologium des 20. Jahrhunderts. Herausgegeben von Helmut Moll im Auftrag der Deutschen Bischofskonferenz. 1. Aufl. 1999, 7. überarbeitete und aktualisierte Auflage. Verlag Ferdinand Schöningh Paderborn: 2019
2 Bände, CIX + 1.828 Seiten, Leinen mit Schutzumschlag, 99,00 Euro
ISBN: 978-3-506-78-6
(Siehe auch: https://thema.erzbistum-koeln.de/deutsches-martyrologium/)
Pietà, Plastik von Fritz König in der Gedenkkirche Maria Regina Martyrum, Berlin-Charlottenburg unweit der Hinrichtungsstätte Plötzensee]
Der Herausgeber: Prälat Prof. Dr. Helmut Moll, Jahrgang 1944, Studium der Katholischen Theologie und Geschichte, 1973 Promotion bei Prof. Dr. Joseph Ratzinger in Regensburg, 1976 Priesterweihe im Erzbistum Köln, 1984-1995 im Dienste der Glaubenskongregation der Römischen Kurie, 1993-2004 zudem Konsultor der Kongregation für die Selig- und Heiligsprechungsprozesse, seit 1996 Beauftragter der Deutschen Bischofskonferenz für das Deutsche Martyrologium des 20. Jahrhunderts, 1998 Beauftragter für Selig- und Heiligsprechungsverfahren im Erzbistum Köln; Dozent an der Gustav-Siewerth-Akademie zu Weilheim.
Die totalitären Regime des 20. Jahrhunderts forderten von der katholischen Geistlichkeit einen enorm hohen Blutzoll. So gab Papst Johannes Paul II., der seine Jugend unweit des Schreckensortes Auschwitz verbracht hatte, im Apostolischen Schreiben vom 10. November 1994 zur Vorbereitung auf das Heilige Jahr 2000 den Anstoss zu einer globalen Märtyrergeschichte, zu einer biographischen Verzeichnung der Märtyrer des 20. Jahrhunderts.
Das Deutsche Martyrologium des 20. Jahrhunderts ist ein hagiographisch-biographisches Handbuch von Blutzeugen des deutschen Sprachraums, die nach den Normen der römisch-katholischen Kirche als Märtyrer gelten. Es versteht sich als Teil eines universalkirchlichen Projekts. Mit 1. Jänner 1996 betraute man den Kölner Prälaten Dr. Helmut Moll mit der Erstellung eines Verzeichnisses deutscher Märtyrer. 1999 veröffentlichte Moll unter dem Titel „Die katholischen deutschen Märtyrer des 20. Jahrhunderts. Ein Verzeichnis“ ein knapp 100 Seiten umfassendes Kompendium mit biographischen Kurzdaten. Zugleich entstand, unter der Leitung von Dr. Moll unter Einbindung von Diözesanbeauftragten und Mitwirkung zahlreicher Fachgelehrter (Autoren), das zweibändige Hauptwerk mit dem Titel „Zeugen für Christus. Das deutsche Martyrologium des 20. Jahrhunderts“. Dieses wurde Papst Johannes Paul II. am 18. November 1999 vorgelegt. Bis 2015 folgten mehrere Auflagen. Seit 2019 liegt nunmehr die 7. überarbeitete Auflage vor. Das voluminöse zweibändige Werk mit einem Gesamtumfang von fast 2000 Hochglanzseiten und einem Gewicht von beinahe 5 ½ Kilogramm wurde Papst Franziskus am 8. Mai 2019 überreicht.
Was bedeutet Märtyrer? Die römisch-katholische Kirche bezeichnet ihre Blutzeugen als Märtyrer. Im vorliegenden Martyrologium wird dabei die weniger gebräuchliche Form „Martyrer“ verwendet. Für Definition eines Blutzeugen folgte Dr. Moll den von Prospero Lambertini (1675-1758), nachmals Papst Benedikt XIV. entwickelten drei Kriterien: der gewaltsame Tod; Glaubens- und Kirchenhass als Handlungsmotiv der Verfolger; die Ergebenheit des Opfers in den Willen G'ttes. Paul VI. hatte diese Kriterien „wegen der heimtückischen und unberechenbaren Tötungsmethoden des 20. Jahrhunderts“ entsprechend erweitert und spezifiziert. Für die Aufnahme in das Martyrologium wurden für den Bereich der Deutschen Bischofskonferenz unter Berücksichtigung der Deutschen im Ausland vier Kategorien festgelegt: die Blutzeugen unter Hitlers Terror; die Blutzeugen in der Zeit des Kommunismus; das „martyrium puritatis“ von schutzlosen Mädchen, Frauen, Ordensschwestern und ihren Beschützern; die Blutzeugen aus den Missionsgebieten. Innerhalb dieser festgelegten Kriterien und Kategorien gestaltete sich die Entscheidung über Aufnahme oder Nicht-Aufnahme im konkreten Fall nicht immer einfach (Bd. I, S. XXXIX–XLI).
In der 7. überarbeiteten und aktualisierten Auflage werden – verfasst von mehr als 160 Autoren – an die 1000 Lebensbilder präsentiert. Die Anordnung der Biographien folgt einer tiefgestaffelten Gliederung und Systematik. Sie verleihen dem Werk seine kirchenspezifisch amtliche Note.
Die beiden Bände enthalten jeweils das detaillierte Inhaltsverzeichnis (S. V–XXXI). Im I. Band folgen sodann eine ausführliche theologische Einführung, Geleitwort und Vorworte zu früheren Auflagen, Verzeichnisse der Diözesanbeauftragten und Autoren, Quellen und Literatur, Abkürzungen und Zeichen (S. XXXIII–LXXVII). Die Biographien sind auf beide Bände aufgeteilt (S. 1–945 und S. 947–1721). Der II. Band enthält einen differenzierten Index. Er besteht aus mehreren Personenregistern (Märtyrer: Katholiken; Nichtkatholiken in ökumenischen Gruppen; sonstige Personen des 20. Jahrhunderts) sowie Ortsregister (S. 1723–1825), gefolgt von einem Verzeichnis der Abbildungen (S. 1826–1728).
Die Bände sind in allererster Linie Märtyrern der römisch-katholischen Kirche gewidmet. Sie enthalten für jeden Blutzeugen eine mehrere Seiten umfassende Biographie mit Geburts- und Sterbedaten, einem Portraitfoto sowie Quellen- und Literaturhinweisen. Das Martyrologium ist kein alphabetisches Personenlexikon, sondern eine hagiographische Enzyklopädie. Die einzelnen Personen sind in einen kirchenorganisatorischen Zusammenhang gestellt, folglich benötigt man zum Nachschlagen unbedingt eines der Personenregister. Die Biographien sind durch fettgedruckte Seitenangaben gekennzeichnet.
Von den fast 1000 Biographien nennen wir mehrere vom Judentum konvertierte Ordensschwestern: Dr. Edith Stein (1891-1942), die Heilige Schwester Teresia Benedicta a Cruce, eine unbeschuhte Karmeliterin, Seligsprechung 1987, Heiligsprechung 1998 (S. 1078–1083); ihre Schwester Rosa Stein (1883-1942), Klosterpförtnerin, vom Dritten Orden Unserer Lieben Frau vom Berge Karmel (S. 414–418); Luise Löwenfels (1915-1942), Schwester Maria Aloysia von der Gemeinschaft der Armen Dienstmägde Jesu Christi (S. 1068–1071); Dr. Dr. Lisamaria Meirowsky (1904-1942), als Maria Magdalena Dominika vom Dritten Orden des Hl. Dominikus (S. 385–388); dazu die Laiin Elvira Sanders-Platz (1891-1942) (405–407). Sie alle wurden am 9./10. August 1942 in Auschwitz zu Opfern des Holocaust.
Den bekanntesten und inzwischen seliggesprochenen Märtyrern Österreichs sind keine Biographien gewidmet. Der Wehrdienstverweigerer Franz Jägerstätter (1907-1943), Bauer und Mesner in St. Radegund (OÖ) wird im Zusammenhang mit anderen katholischen Kriegsdienstverweigerern mehrmals namentlich genannt. Helene Kafka (1894-1943), die als Schwester Maria Restituta, Franziskanerin von der christlichen Liebe, im Krankenhaus Mödling Stärke gegenüber dem NS-Regime bewies, ist überhaupt nicht genannt. Sie wurde allerdings in einer Monographie des Herausgebers: Martyrium und Wahrheit. Zeugen Christi im 20. Jahrhundert (6. Aufl. Weilheim: 2017) biographisch berücksichtigt.
Das Werk hat auch eine gewisse ökumenische Dimension. Im Apostolischen Schreiben von 1994 zitiert Johannes Paul II. Papst Paul VI., der das Zeugnis für Christus als gemeinsames Erbe von Katholiken, Orthodoxen, Anglikanern und Protestanten ansah. Entsprechend werden als Zeugen für Christus auch sieben Blutzeugen anderer christlicher Konfessionen gewürdigt, sofern sie in ökumenischen Gruppen tätig waren. Ihnen sind zwar keine Biographien gewidmet, sie werden jedoch in den biographischen Artikeln römisch-katholischer Märtyrer berücksichtigt. Es sind dies der bekannte evangelische Theologe Dietrich Bonhoeffer (1906-1945), die Pazifisten und Widerständler Martin Gauger (1905-1941) und Hermann Stöhr (1898-1940), dann Pastor Karl Friedrich Stellbrink (1894-1943), einer der „Lübecker Märtyrer“ und drei der 1943 ermordeten Mitglieder der Widerstandsgruppe ,,Weisse Rose“: die evangelischen Geschwister Hans und Sophie Scholl sowie der russisch-orthodoxe Alexander Schmorell.
„Das deutsche Martyrologium des 20. Jahrhunderts“ ist ein beeindruckendes und berührendes Zeugnis für die Opferbereitschaft gläubiger Christen, darüber hinaus für Katholiken und Nichtkatholiken ein wertvolles biographisches Nachschlagewerk.