Ausgabe

Der Moralist In memoriam Rolf Hochhuth (1931 – 2020)

Monika Kaczek

Am 13. Mai verstarb Rolf Hochhuth, einer der wichtigsten deutschen Schriftsteller, in Berlin. In seinen Werken, wie dem Drama Der Stellvertreter,  setzte er sich wiederholt mit dem Nationalsozialismus und der Shoah auseinander.

Inhalt

Rolf Hochhuth wurde am 1. April 1931 als Sohn eines Schuhfabrikanten in Eschwege (Hessen) geboren. Nach der mittleren Reife absolvierte er eine Buchhändlerlehre und besuchte als Gasthörer an der Universität Heidelberg und der Universität München Vorlesungen in Geschichte, Philosophie sowie Literatur. 1955 wurde er Verlagslektor des Bertelsmann Leserings, wo er Werkausgaben und Erzählanthologien herausgab.

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Rolf Hochhuth. Foto: Ursula Euler. Rowohlt Verlag, mit freundlicher Genehmigung.

Rolf Hochhuths literarische Karriere begann mit einem Eklat. Sein Drama Der Stellvertreter sollte 1961 im Hamburger Verlag Rütten & Loening erscheinen. Doch der Druck musste wegen Protesten der Konzernzentrale abgebrochen werden, weil das Thema des Werks – die Rolle des Heiligen Stuhls der Shoah gegenüber  – als zu provokant angesehen wurde. Ein Skript des Dramas wurde an den Rowohlt Verlag weitergeleitet, der es 1963 veröffentlichte. Für die Uraufführung, die am 20. Februar 1963 im West-Berliner Theater am Kurfürstendamm stattfand, konnte der Rowohlt Verlag den Regisseur Erwin Piscator gewinnen. Die Aufführung wurde nicht nur in Deutschland zu einem Skandal und löste die „Stellvertreter-Debatte“ aus. Rolf Hochhuths Recherchen zu seiner Erzählung Eine Liebe in Deutschland führten zum Sturz des baden-württembergischen Ministerpräsidenten Hans Filbinger, der als Marinerichter und NSDAP-Mitglied noch nach der Kapitulation 1945 an Todesurteilen mitwirkte. Obwohl sich Filbinger gegen die Vorwürfe wehrte, musste er 1978 zurücktreten – unter anderem auch wegen seiner Aussage „Was damals rechtens war, kann heute nicht Unrecht sein“

Im Nachruf in der Neuen Zürcher Zeitung schreibt Daniele Muscionico über Rolf Hochhuth:

„Er scheute keine Skandale, verstand sich als Gewissen von Deutschland und glaubte an die aufklärerische Kraft des Theaters. (...) Der letzte grosse deutsche Wüterich des Theaters ist nicht mehr. Mit ihm verliert die Bühne einen Moralisten, wie es ihn heute nicht mehr gibt. Doch glücklicherweise ist es ja so: Hochhuths Moralistentheater überlebt, auch wenn die Moral längst eine andere ist. Die Fabelwelt seiner Stücke hat sich geändert, doch der Mensch bleibt der alte, auch im neuen Jahrtausend. In ihm lebt Hochhuth weiter, als einer, der der Gesellschaft nichts zutraute, doch beim Einzelnen alles für möglich hielt.“ 2

 

1 https://www.sueddeutsche.de/kultur/rolf-hochhuth-gestorben-tot-nachruf-1.4907526

2 https://www.nzz.ch/feuilleton/der-deutsche-dramatiker-rolf-hochhuth-ist-gestorben-ld.1314091