Aharon Appelfeld: Auf der Lichtung.
Berlin: Rowohlt 2014.
320 Seiten, Euro 19,95 [D].
ISBN 978-3-87134-771-9
Im Jahr 2008 dreht der US-amerikanische Regisseur Edward Zwick ein packendes Drama: „Unbeugsam - Defiance". Es ist das Jahr 1941: Der weissrussische jüdische Bauernsohn Tuvia Bielski flüchtet mit seinen beiden Brüdern vor den Nazis, ihre Eltern werden ermordet. In den Wäldern übernehmen sie die Führung einer immer grösser werdenden Flüchtlingsgruppe, bringen sie von einem Versteck zum anderen, streiten sich und gehen schliesslich getrennte Wege - am Ende durchqueren sie auf der Flucht einen grossen Sumpf, verfolgt von deutschen Soldaten. Der Leser hat das Gefühl, eine moderne Adaption der Pessach-Haggada über die Durchquerung des Toten Meers vor sich zu haben. Die drei Brüder versöhnen sich wieder und schaffen es, die Flüchtlinge in Sicherheit zu bringen. Der in Litauen gedrehte Film beruht auf einer wahren Begebenheit.
Möglicherweise kennt Appelfeld diesen Film, denn sein jüngster Roman hat den denselben Gegenstand zum Thema.
Als Edmund es gelingt, auf dem Bahnhof die Flucht zu ergreifen. von wo aus er zusammen mit seinen Eltern in ein Todeslager deportiert werden soll, wird aus dem Gymnasiasten ein „Kämpfer". Er stösst zu einer Gruppe jüdischer Partisanen. Ihre beiden Anführer, Kamil und Felix, könnten gegensätzlicher nicht sein. Felix ist der praktische Mann, schweigsam, aber zuverlässig, während Kamil von einem inneren Feuer angetrieben zu sein scheint: Juden zu retten ist seine Mission, jüdisches Wissen zu bewahren und weiterzugeben, betrachtet er als seine höchste Aufgabe. Deshalb erbeuten seine Männer auf den Streifzügen in der Umgebung nicht nur Lebensmittel und praktische Dinge wie Kleidung und Decken, sondern nehmen, wenn sie darauf stossen, auch die aufgegebene Bibliothek ermordeter Juden mit in ihr Versteck. Kamil veranstaltet abends, wenn alle beisammen am Feuer sitzen, „Schulungen", keine politischen, sondern jüdisch-philosophische. Er ist davon besessen, die Seele des jüdischen Volkes zu retten.
Bei Appelfeld durchqueren die jüdischen Partisanen gleich zu Beginn einen Sumpf und besteigen einen Berg, auf dem sie überwintern. Beide jüdischen Partisanengruppen überfallen NS-Todeszüge und schaffen es, die Todgeweihten zu befreien. Weil die arg geschundenen Menschen nach dem Überfall der ärztlichen Hilfe bedürfen, kidnappt Kamil kurzerhand einen ukrainischen Arzt. Am Ende wird heftig geschossen: Kamil und einige andere der Helden, die der Leser durch den Roman begleiten durfte, sterben. Die Überlebenden verlassen am Ende den Berg und bestatten ihre Toten auf dem jüdischen Friedhof. Felix trifft seine letzte Entscheidung als Kommandant der Geretteten: Alle steigen in den Militärzug und fahren „nach Hause".
Aharon Appelfeld lässt den Ich-Erzähler Edmund als Zeugen die Ereignisse schildern, sodass der Leser eine sehr nahe Sicht auf die Dinge bekommt. Allerdings haftet dem ganzen Text eine eigenartige naive Stimmung an, was wohl mit der nicht sehr überzeugenden Übersetzung zu tun hat. Ein gründlicheres Lektorat hätte dem Text sicher nicht geschadet, denn die viel gerühmte Sprache Appelfelds kommt hier bedauerlicherweise nicht zum Tragen.