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Das Suzanne Dellal Center wurde vor einem Vierteljahrhundert eröffnet. Damals glaubte kaum einer an einen Erfolg. Yair Vardi schon. Er ist bis heute Direktor des Zentrums.
Wie ein Symbol hängt das Foto an der Wand hinter dem Schreibtisch von Yair Vardi - „Mr. Dance", wie er in Israel genannt wird. Es ist ein Foto von einer Hauswand, die von Streben gestützt wird - der Beginn eines Bauvorhabens. Yair Vardi, 66 Jahre alt, blickt zurück und zeigt auf das Bild. „Genau diese Wand habe ich gesehen, als ich zum ersten Mal hierher gekommen bin."
Das Suzanne Dellal-Zentrum. Alle Fotos mit freundlicher Genehmigung Suzanne Dellal-Center.
Heute, 25 Jahre später, ist Yair Vardi noch immer Direktor des Suzanne Dellal Centers im Tel Aviver Stadtteil Neve Tsedek - mehrfach ausgezeichnet für seine Arbeit. Heute sitzt er noch immer in seinem Büro in dem Gebäude, von dem er damals nur die triste, graue Wand sah, inmitten eines heruntergekommenen Stadtteils mit schäbigen Häusern und kaputten Strassen. Yair Vardi erinnert sich noch gut an den ersten Besuch im Februar 1988. „Ich kam gerade mit meiner Frau aus England zurück, wo ich zwölf Jahre lang gelebt habe", erinnert sich der ehemalige Tänzer. „Ich war auf der Suche nach einem neuen Projekt und hörte vom Suzanne Dellal Center und bewarb mich auf die Stelle des Direktors." Es war sein erster Besuch in Neve Tsedek, einem heute komplett renovierten Stadtteil mit teuren Boutiquen, Cafés und Spitzenrestaurants. Damals hingegen war es der Schandfleck der Stadt.
Neve Tsedek, der erste Stadtteil Tel Avivs, wurde noch vor der Stadtgründung in der Nähe von Jaffa und wenige Hundert Meter entfernt vom Mittelmeer gebaut. In einem Teil des heutigen Gebäudes des Suzanne Dellal Centers war zu Beginn des 20. Jahrhunderts eine Schule untergebracht. Doch dann entwickelte sich die Stadt Tel Aviv weiter nördlich, weg von Jaffa. Die wohlhabenderen Bewohner zogen weg, Neve Tsedek verkam. In den 80er Jahren wollte Tel Avivs Bürgermeister Shlomo Lahat das kulturelle Leben der Stadt dezentralisieren und auch unterentwickelte Stadtteile fördern, wie Neve Tsedek durch das Tanzzentrum. Das Geld kam von der Familie Dellal in London, die das Zentrum nach ihrer verstorbenen Tochter Suzanne benannte. Fünf Jahre nach dem Beginn der Bauarbeiten wurde das Zentrum 1989 eröffnet.
Blick in den Innenhof des Suzanne Dellal-Centers.
Damals glaubte kaum jemand an den Erfolg des Suzanne Dellal Centers, ausgerechnet hier. Yair Vardi, damals 40 Jahre, war einer der wenigen, die das Potential erkannten. „Es war irgendwie interessant", sagt er heute. „Das ist eben meine Art. Wenn ich an etwas glaube, dann arbeite ich hart daran." Yair Vardi hat es geschafft, Israels erfolgreichstes Tanzzen-trum aufzubauen, das mit rund 700 Shows pro Jahr Gäste aus ganz Israel und aus dem Ausland anzieht. Israels berühmteste Tanzgruppe „Bat Sheva" hat das Zentrum zu seinem Stammsitz gemacht, ebenso wie die „Inbal Pinto and Avshallom Pollack Dance Company" und das „Orna Porat Theatre for Children and Youth". Und ganz nebenbei hat sich auch durch den Erfolg des Tanzzentrums Neve Tsedek zu einem der schönsten und teuersten Stadtteile Tel Avivs verwandelt.
Panorama des Suzanne Dellal-Centers.
Der Erfolg von Yair Vardi zeigt sich nicht zuletzt daran, dass er auch 25 Jahre nach der Eröffnung immer noch der Direktor ist - eine aussergewöhnlich lange Zeit in der Welt des Tanzes. Seine mutige Art ist einer der Gründe für den Erfolg. „Ich habe von Anfang an versucht, jungen Choreografen eine Chance zu geben", sagt er heute. Und: Er hat die jungen israelischen Tänzer hinaus in die Welt geschickt und damit den israelischen Tanz und das Suzanne Dellal Center bekannt gemacht.
So lädt er jährlich Repräsentanten von Theatern aus den verschiedensten Ländern ein, von den USA über Finnland bis Japan. Sie kommen für ein paar Tage, um sich die Talente in Israel anzusehen und auf ihre Bühnen zu holen. „Damals habe ich die Leute noch selbst einzeln angerufen, 35 waren es anfangs", sagt er. Heute hingegen hat er Partner gefunden: Das Aussenministerium Israels versendet die Einladungen an Theater auf der ganzen Welt und über 100 Vertreter kommen stets im Dezember nach Tel Aviv. „Israelische Tänzer bestechen durch ihre Physis, ihre Schönheit, ihre Energie und ihren Sex-Appeal", beschreibt Yair Vardi die Besonderheiten. „Wir bringen in gewisser Weise dieses Land und seinen Charakter auf die Bühne."
Einer der grossen israelischen Tänzer ist Ido Tadmor. Mit 50 Jahren ist er heute der künstlerische Direktor des israelischen Balletts und steht noch immer selbst auf der Bühne. „Ich bin heute sogar noch mehr gefragt als vor 25 Jahren", sagt der Ausnahmetänzer und Choreograf. „Die meisten meiner frühen Arbeiten habe ich auf der Bühne des Suzanne Dellal Center entwickelt", erinnert er sich. „Es hat damals nicht lange gedauert, um zu spüren, dass sich hier etwas ganz besonderes entwickelt." Über hundert Mal stand Ido Tadmor auf der Bühne des Suzanne Dellal Centers, hat die besondere Energie gespürt, wie er es beschreibt.
Yair Vardi habe mit seiner Offenheit, seiner Intelligenz und seinem Wissen das Zentrum zu dem gemacht, was es heute ist. „Er hat unzählige Kontakte überall auf der Welt und war clever genug, diese zu nutzen", sagt IdoTadmor. „Ich kann mich an keinen Ort erinnern, an dem ich aufgetreten bin, wo man das Suzanne Dellal Center nicht kannte."
Yair Vardi wird nicht müde - auch das ist ein Grund für seinen Erfolg. In den kommenden Monaten soll mit dem Bau eines neuen Studios begonnen werden, das nach der Mutter von Suzanne Dellal, Zehava, benannt werden soll. „Wir haben bereits damit begonnen, die Sponsoren zu finden und uns die Erlaubnis für den Bau einzuholen", erklärt Yair Vardi. Im Zuge der Baumassnahmen sollen auch andere Teile des Tanzzentrums renoviert werden, insgesamt rund 20 Millionen Schekel sind dafür nötig. „Ich schätze, dass das neue Studio im Frühjahr 2016 eröffnet werden kann."
Lissy Kaufmann lebt und arbeitet seit Oktober 2011 in Israel. Sie ist Absolventin der Deutschen Journalistenschule in München und kam mit einem Stipendium der Herbert Quandt-Stiftung nach Israel. Seither arbeitet sie vor allem für den Tagesspiegel, für den WDR, Deutschlandradio Kultur und TLV1.