Das Tagebuch von Lilly Cohn. Hg. v. Jutta Dick. Halberstadt: Moses Mendelssohn Akademie 2009.
80 Seiten, DVD. Ohne Preisangabe.
Zu beziehen über: Landeszentrale für politische Bildung Sachsen-Anhalt.
Anlässlich des 70. Jahrestages der Zerstörung der berühmten Halberstädter Barocksynagoge konnte ein hoch wichtiges und stark bewegendes Publikationsprojekt erfolgreich abgeschlossen werden.
Jutta Dick, Direktorin der Moses Mendelssohn Akademie, gab das Tagebuch von Lilly Cohn heraus. Das mit einer DVD versehene 80-Seiten-Büchlein enthält Briefe und Tagebuch-Aufzeichnungen, seltene Bilder und einen sehr informativen Anhang. Der Band trägt den Titel „Hauptsache wir bleiben gesund..." Lillyan Rosenberg gelangte 1939 mit einem „Kindertransport" von Halberstadt nach England und überlebte. 1946 zog sie mit ihrem Brüder Werner in die USA, wo sie Gerry Rosenberg heiratete.
2000 überliess die am 30. Januar 1928 geborene Lillyan Rosenberg der Moses Mendelssohn Akademie für ein Schulprojekt zum Thema „Kindertransporte" eine Kopie ihres Tagebuchs. Die Aufzeichnungen beginnen an Lillyans elftem Geburtstag 1939 in Halberstadt, die letzte Eintragung stammt vom 24. Juli 1944 in England. Doch zwischenzeitlich rückte das Tagebuch in den Hintergrund. Lilly Cohn führte es erst ab Sommer 1942 fort.
Jutta Dick fügt den Tagebuch-Notizen Briefe von Lillyan Rosenbergs Eltern, Ernst und Margarethe Cohn, hinzu. Sie sowie die Großmutter überlebten nicht, ihre Spuren verlieren sich in Warschau. Anlässlich ihres Besuchs 2003 brachte Lillyan Rosenberg rund fünfzig Briefe mit, die ihre Eltern an sie zwischen Juli 1939 und dem 12. April 1942, dem Tag ihrer Deportation, geschrieben hatten und Fotos, die vor allem ihre Familie in Halberstadt zeigen.
In den Aufzeichnungen beschreibt Lilly Cohn nur am Rande die politische Situation, eher sind es kindliche Alltäglichkeiten, die sie schildert. Und doch spürt man die Bedrohung, das Gefühl der Ausgrenzung und liest von den Versuchen der Cohns, ihre Kinder ausser Landes zu bringen.
2003, als Lillyan Rosenberg erstmals wieder ihre Heimatstadt besuchte, führte Jutta Dick mit Lillyan Rosenberg ein lebensgeschichtliches Videointerview. Eingefügt wurde historisches Fotomaterial. Die in Kapitel unterteilten knapp 70 Minuten Laufzeit ermöglichen die Gestaltung mehrerer thematischer Unterrichtsstunden Eine längere Sequenz gibt einen Einblick in die Biographie von Lillyan Rosenberg, drei kleinere Sequenzen vermitteln Informationen über die Jüdische Schule Halberstadt, die religiöse Erziehung in der Familie und Lillyan Rosenbergs Umgang mit der Ermordung ihrer Eltern im Konzentrationslager. Die Erfahrungen der Verfolgung und Ermordung der Juden während der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft in Deutschland 1933 - 1945 bildeten die Folie, vor der das Videointerview geführt wurde. Im Vordergrund standen aber die Erinnerung an das jüdische Leben in Halberstadt und die jüdische Familie Cohn. Auf diese Weise soll den Schüler ein Einblick in diesen integralen Bestandteils nicht nur der Halberstädter Geschichte vermittelt werden.
Die in der Moses Mendelssohn Akademie entstandene und vom sachsen-anhaltischen Kultusministerium geförderte Publikation, mit der Interview-DVD ergänzt, steht nun nicht nur Schulen für den Religions-, Geschichts- oder Sozialkundeunterricht zur Verfügung, sondern kann auch über die Landeszentrale für politische Bildung Sachsen-Anhalt bezogen werden.