Thomas E. Schärf (Eli Rosen): Jüdisches Leben in Baden. Von den Anfängen bis zur Gegenwart. Wien: Mandelbaum Verlag 2005.
340 Seiten, Euro 24,90.-
ISBN 978385476-164-8
Die jüdische Gemeinde in Baden war einst nicht alleine die bedeutendste Niederösterreichs, sondern auch die drittgrösste jüdische Gemeinde ganz Österreichs. Thomas Schärf gebührt das Verdienst, mit seiner Studie eine detailgenaue Analyse der Geschichte des jüdischen Lebens in Baden vorgelegt zu haben. Der Bogen der Darstellung spannt sich von der Ansiedlung der Juden nach dem josephinischen Toleranzpatent bis in die Gegenwart. Schärf schildert die Vorgeschichte der Badener Ansiedlung vor dem Hintergrund der Tatsache, dass keine in Baden niedergelassenen Juden vor dem späten 18. Jahrhundert nachweisbar sind. Ein Abschnitt ist der Entwicklung des Kurwesens und der damit verbundenen Diskussion um Zugang für Juden zur Benutzung der Bäder gewidmet. Erst in der Toleranzzeit konnten sich Bäderzugang und Ansiedlung in Baden durchsetzen. In Verbindung mit der aufkommenden Mode der Sommerfrische allerdings entwickelt sich in der Folge ein hohes Interesse der jüdischen Oberschichten an Baden. Der erste Hauptteil des Bandes schildert die Entstehung des Badener jüdischen Lebens zunächst anhand biografischer Kurzportraits berühmter Familien wie der Arnstein, Wetzlar, Todesco, Lieben, Gomperz oder Biedermann. Auch der Frage der koscheren Versorgung der Sommerfrische- und Kurgäste Badens wird breiter Raum gewidmet. Der zweite Abschnitt des Bandes befasst sich mit organisatorischen Aspekten der Entwicklung der Badener Kultusgemeinde. Verdienstvoll ist vor allem die darauffolgende Beschreibung einer Reihe jüdischer Einrichtungen in und um Baden, die eine Fülle bis dato kaum bekannter Details zu bieten hat. Kurzbiografien von Honoratioren und Funktionären der Badener Kultusgemeinde sind mit Portraitaufnahmen illustriert. Einzeldarstellungen zu Vereinen, Stiftungen und Einrichtungen der jüdischen Infrastruktur Badens runden das zweite Hauptkapitel ab. Die Situation für Juden in Baden in der Zeit des Nationalsozialismus und die Vernichtung des Badener jüdischen Lebens werden dann auf knapp dreissig Seiten abgehandelt, was ob der epischen Fülle der beiden vorgehenden Hauptkapitel von knapp 200 Seiten doch etwas überrascht. Entschädigt wird der Leser jedoch durch ein minutiöses Hauseigentümerverzeichnis im Anhang des Bandes, das aus Grundbuchsakten, Vermögensverzeichnissen, Rückstellungsakten und Adressbüchern Eigentumsverhältnisse rekonstruiert und auch unter dem Titel „Nachbesitzer" Profiteure des NS-Raubzuges nennt. Der letzte Hauptabschnitt des Buches ist mit „Der Neubeginn" betitelt und führt über eine kurze Analyse Badener Erinnerungskultur und die Frage, ob denn Juden später wieder nach Baden zurückgekehrt seien, zu jenem Abschnitt der Badener jüdischen Geschichte, die der Autor selbst seit vielen Jahren aktiv mitgestaltet: den Kampf um die Erhaltung der Badener Synagoge und den Aufbau einer neuen jüdischen Gemeindeorganisation in der Gegenwart.
Insgesamt ist es Thomas Schärf gelungen, ein gründlich recherchiertes, äusserst informatives Standardwerk zur Geschichte der jüdischen Gemeinde Badens vorzulegen, das man sich, gerade auch in dieser hohen Qualität, ebenso für die vielen übrigen, einst blühenden jüdischen Gemeinden Österreichs wünschen würde.