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Chanukka

Rabbiner Dr. Joel BERGER

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Gemäss dem jüdischen Kalender beginnen die acht Festtage von Chanukka - das „jüdische Lichterfest" - jedes Jahr am 25. des Monats Kislev, das in diesem Jahr auf Mittwochabend, den 1. Dezember, fällt. In Erinnerung an das berühmte Wunder im Jerusalemer Tempel, wo nach dessen erneuter Einweihung (hebr. Chanukka) vor 2174 Jahren, nach dem physischen wie spirituellen Sieg gegen die hellenistischen Seleukiden, die Menora (der siebenarmige Leuchter) mit einer einzigen Tagesration Öl acht Tage lang brannte, etablierten unsere Weisen bereits im darauf folgenden Jahr das Gebot, dieser Ereignisse jedes Jahr acht Tage lang feierlich zu gedenken. An den acht Abenden von Chanukka werden in jedem jüdischen Haus achtarmige Leuchter, die sogenannten Chanukkiot, entzündet, wobei sich die Meinung durchgesetzt hat, am ersten Abend mit einem einzigen Licht zu beginnen und jeden folgenden Abend ein weiteres hinzuzufügen, so dass am letzten Abend alle acht Lichter brennen.

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Chanukkamarkt am Judenplatz. Mit freundlicher Genehmigung der IKG.

Wer genauer hinsieht, wird bemerken, dass die Chanukkia noch einen zusätzlichen, einen neunten Arm hat, der ebenfalls ein Licht trägt, das an allen acht Abenden brennt. Dieses als Schamasch (Diener) bezeichnete Licht dient dazu, die anderen Lichter zu entzünden sowie zur Beleuchtung des Raumes beizutragen, da man von den eigentlichen Chanukka-Lichtern selbst keinerlei Nutzen oder Gebrauch machen darf, weil diese ausschliesslich dem Zweck gewidmet sind, an das Wunder von Chanukka zu erinnern und nicht den praktischen Zweck erfüllen, den Raum zu erhellen. Um unserer Dankbarkeit besonderen Ausdruck zu verleihen, verordneten unsere Weisen an allen acht Tagen von Chanukka während des Morgengebets das Hallel-Gebet (Psalm 113-118) zu sagen, das sonst in dieser Form nur an Rosch Chodesch (Neumondtag) sowie den biblischen Feiertagen Pessach, Schawuot, Sukkot, Schemini Azeret und Simchat Torah gesagt wird. Chanukka ist, genauso wie Purim, kein Feiertag, sondern ein Festtag, und man begrüsst sich daher nicht mit „Gut Jomtow" oder „Chag Sameach", sondern wünscht sich stattdessen einen fröhlichen Chanukko beziehungsweise Chanukka Sameach.

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Chanukkiot, Jerusalem. Mit freundlicher Genehmigung der IKG.

Rabbiner Jisroel ben Elieser (1698-1760), besser bekannt als der Baal Schem Tov, der Gründer des osteuropäischen Chassidismus, misst Chanukka eine ganz besondere transzendente Bedeutung bei. Das zentrale Thema von Chanukka ist Licht - ein Sinnbild für die Erleuchtung der Seele und die Erwärmung des Herzens. Die Dunkelheit und Kälte der Winternächte wird durch den warmen Schein der Chanukka-Lichter in lebendige Helligkeit verwandelt. So wie Schalom (Frieden) nicht nur die Abwesenheit von Streit und Konflikt, sondern ein eigenes positives Momentum darstellt, wie Rabbiner Samson Raphoel Hirsch (1808-1888) erklärt, so ist auch Dunkelheit und Kälte, nicht physikalisch, aber mystisch gesprochen, nicht mit der blossen Abwesenheit von Licht und Wärme zu verwechseln! Woher nehmen die Lichter der Chanukkia aber die Fähigkeit, die kalte Dunkelheit nicht nur zu verdrängen, sondern selbst in warmes Licht umzuwandeln?

Die ersten beiden hebräischen Buchstaben des Wortes Chanukka, „Ches" und „Nun", bilden das Wort Chen (Schönheit, Gefallen). Dieses Wort erscheint zum ersten Mal in der Tora am Ende des Wochenabschnitts Bereschit, wo es heisst: „Und Noach fand Chen in den Augen G'ttes" (Bereschis 6:8). Der Name Noach wird im Hebräischen ebenfalls mit diesen beiden Buchstaben, wenn auch rückwärts, „Nun" und „Ches" buchstabiert. An der buchstäblich symmetrischen Gegenüberstellung der beiden Worte CH(e)n und n(oa)CH erkennen die Quellen der jüdischen Mystik einen Aspekt von Gleichgewicht und Symmetrie in der tieferen Bedeutung des Wortes Chen, vor allem im Zusammenhang von zwei gegenteiligen, sich spiegelnden und so eine Einheit bildenden Bestandteilen. Die beiden das symmetrische Gleichgewicht von Chanukka bildenden Gegensätzlichkeiten sind Dunkelheit und Licht; oder wie es der Sohar (Hauptwerk der Kabbalah) beschreibt: „Die Transformation von Chaschecho (Dunkelheit) in Nahoro (Licht)" - wobei die beiden Anfangsbuchstaben wiederum das Wort Chen bilden. Der Mathematiker Felix C. Klein schrieb:

„Reflexive Symmetrie ist das Ergebnis zweier gegensätzlicher Bestandteile, die eine verborgene Verbindung zueinander haben, die ihre gemeinsame Grundlage darstellt."

Genauso verhält es sich mit Dunkelheit und Licht. So wie die Farbe Schwarz „hervorscheint", hat die Dunkelheit das Potential zur „Erleuchtung". Und wie helles Licht unsere Augen blenden kann, trägt es in sich das Potential von „Dunkelheit". In Wahrheit bedeutet das, dass diese dem blendenden Licht innewohnende Dunkelheit ein grösseres Potential an „dunkel" hat als die eigentliche Dunkelheit, und gleichermassen birgt das verborgene Licht der Dunkelheit ein höheres Erleuchtungspotential als das offene Licht.

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Dreidel. Mit freundlicher Genehmigung der IKG. 

Das Wunder von Chanukka steht für die Fähigkeit, jenen G'ttlichen Funken zu entzünden, den wir alle versteckt in uns tragen, egal ob wir uns seiner Existenz bewusst sind, und egal wie weit wir uns von ihm entfernt haben. Das Geheimnis von Chen an Chanukka bedeutet, dass alle Juden, obwohl es oft scheint, als herrsche permanenter Streit und Konflikt zwischen uns, in Wahrheit, im tiefsten Inneren unserer Selbst, doch einig sind. Ein klassisches Beispiel sind die notorischen Meinungsverschiedenheiten der beiden talmudischen Schulen Beit Schammai und Beit Hillel. Eine ihrer berühmtesten Auseinandersetzungen betrifft die Frage, in welcher Reihenfolge man die Chanukkia anzünden soll. Beit Hillel sagt, man beginne am ersten Abend mit einem Licht und füge jeden der folgenden Tage ein weiteres hinzu. Beit Schammai sagt, man solle es genau umgekehrt machen und am ersten Abend alle acht Lichter anzünden und an jedem der folgenden Tage eins weniger, bis am letzten Abend nur noch ein einziges Licht brennt. Beide Meinungen sind logisch überzeugend fundiert und entsprechen als solches der Wahrheit und sind richtig - jede im Kontext ihrer jeweiligen Realitäten, die zusammen eine geschlossene Einheit bilden. Wie in den allermeisten Fällen, so folgen wir auch hier, wie bereits erwähnt, der Meinung von Beit Hillel.

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Rabbiner Schlomo Hofmeister letztes Jahr zu Chanukka in der ZPC Schule. Mit freundlicher Genehmigung S. Hofmeister.

Mögen wir alle erfahren, wie das Licht von Chanukka unsere Gegensätzlichkeiten harmonisiert, die Dunkelheit in Licht verwandelt und uns in Chen vereint, auf dass wir würdig sein mögen, das Kommen von Moschiach, das Ende unseres Exils und den so lange ersehnten Wiederaufbau des Beit Hamikdasch (Jerusalemer Tempel) mit zu erleben, eine Epoche in der wir dann in allen Punkten der Meinung von Beit Schammai folgen werden - bald in unseren Tagen!

Chanukka Sameach & Fröhlichen Chanukko!

Gemeinderabbiner Schlomo Hofmeister

Rabbiner Mag. Schlomo Hofmeister ist der Gemeinderabbiner der Israelitischen Kultusgemeinde Wien. Nach Beendigung seiner Gymnasialzeit lernte er an verschiedenen Jeschiwos in England und Israel, studierte Sozialwissenschaften, Geschichte und Politik an der Münchner Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) sowie der University of British Columbia (UBC) und beendete Ende 2002 seine Universitätstudien mit einem Master of Science (MSc). Abschluss von der London School of Economics (LSE). 2004 zog er von London nach Jerusalm, um seine Rabbinatstudien, unter anderem im Rabbinerseminar Toras Schlomo von HaGaon HaRav Mosche Halberstam, sel. A., fortzusetzen. Rabbiner Schlomo Hofmeister erhielt Rabbinatsdiplome, unter anderem von Rav Mosche Sternbuch, dem Vorsitzenden des Orthodoxen Rabbinatsgericht von Jerusalem, Rav Avrohom Kopschitz, sowie Rav Joseph Jitzchok Lerner.