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Jerusalems neues Wahrzeichen

Natanel DORON / Michael SCHNEIDER

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Mitte März 2010 wurde im jüdischen Viertel der Jerusalemer Altstadt die Hurva-Synagoge eingeweiht. Es ist bereits das dritte Mal, dass das historische Gebäude vollendet wurde. Doch wer kennt seine turbulente und glorreiche Geschichte?

Um 1700 begannen Anhänger und Schüler des Weisen Jehuda HaChassid aus Vilna mit dem Bau einer Synagoge. Sie waren dabei auf Spenden angewiesen. Spätere Geldnöte brachten die Gemeinde in so grosse Schwierigkeiten, dass das Gebäude 1720 von den Geldgebern, Arabern, in Brand gesetzt wurde. Die Synagoge wurde zu einer Ruine, hebräisch Hurva. 1864 erstand das Gebäude unter der Leitung von Rabbi Nissan Bek wieder - zum Zeichen der jüdischen Neubesiedelung des Landes Israel. Im Mai 1948 wurde die Altstadtsynagoge dann zum zweiten Mal zerstört: Die Jordanier wollten den jüdischen Geist vertreiben, da das Gotteshaus als Zentrum jüdischen Lebens in Jerusalem galt. Nach der Wiedervereinigung Jerusalems im Sechstagekrieg wurde 1972 der grosse Bogen errichtet, der wie ein Platzhalter bis 2007 an die frühere Existenz des gewaltigen Kuppelbaues erinnerte.

In den letzten einhundert Jahren ist die Hurva-Synagoge zum Bindeglied zwischen Juden jeglicher Prägung, ob aschkenasisch, sefardisch, säkular, zionistisch oder religiös, geworden. Über ihren Wiederaufbau wurde vierzig Jahre lang diskutiert, bis die israelische Regierung 2006 beschloss, dieses Wahrzeichen Jerusalems an der ursprünglichen Stelle, nach alten Plänen, innen und aussen wiedererstehen zu lassen. Die Einweihung wurde bewusst auf den Anfang des ersten biblischen Monats, des Erlösungsmonats, gelegt.

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Im Inneren der Synagoge, Blick von oben. Mit freundlicher Genehmigung von Reconstruction & Development of the Jewish Quarter, www.rova.yehudi.org.il.

„Schaut man auf die Geschichte der Hurva, sieht man die Geschichte des jüdischen Volkes. Darum soll sie,

wie schon der Staat Israel, wieder errichtet werden." (Benjamin Netanjahu)

Nach anderthalb Jahren Replika-Forschung und mehr als drei Jahren Bauzeit wurde am 15. März 2010 die historische Hurva-Synagoge, deren Höhe inklusive Kuppel fünfundzwanzig Meter misst, zum dritten Mal feierlich eingeweiht. Die Kuppel der exakten Kopie überragt nicht nur viele Minarett-Türme, sondern ist sogar höher als die Al Aksa- und Omar-Moschee. Tausende Polizisten waren im Einsatz, denn auch diese Einweihung wurde von Arabern als „jüdische Provokation" angesehen. Israels Premierminister Benjamin Netanjahu war bei der Zeremonie nicht anwesend. Eine Teilnahme könne er sich gegenüber den Amerikanern in dieser politisch sensiblen Zeit nicht leisten, hiess es. Zu den Oberrabbinern Jona Metzger und Shlomo Amar gesellte sich ein besonderer Gast: der 97-jährige Herbert Samuel. Vor 90 Jahren war sein Urgrossvater Herbert L. Samuel, als erster Hochkommissar und Gouverneur des Britischen Mandats in Palästina, 1920 in dieser Synagoge auf der Kanzel gestanden und hatte die Schabbat-Lesung Nachamu (Tröstet, tröstet...; Jes. 40) gelesen.

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Bildershow an die Aussenwand der Synagoge gestrahlt. Foto: M. Schneider.

Verantwortlich für den authentischen Nachbau der Synagoge zeichnet die Firma Restoration and Development of the Jewish Quarter. Der ukrainische Milliardär Vadim Rabinovitch hat dafür eine beachtliche Summe gespendet. Der hohe, goldbeschichtete Thora-Schrank ist eine 1:1-Nachbildung des früheren, in Flammen aufgegangenen Exemplars. Die Ostwand ist mit Originalsteinen von damals besetzt. An allen vier Decken der Innenkuppel sind jene Malereien zu sehen, die einst dort ihren Platz hatten: Rahels Grab, die Erzväter-Grabstätte in Hebron, Tiberias, und die David-Zitadelle.

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Der Künstler Rosin mit dem Modell, 1912. Mit freundlicher Genehmigung von Reconstruction & Development oft he Jewish Quarter, www.rova.yehudi.org.il.

Die Hurva-Synagoge soll als aktive Synagoge dienen, aber auch für Besucher und Touristen zugänglich sein. Unter anderem befinden sich dort Überreste aller Epochen, darunter sogar eine Mikwe (rituelles Tauchbad) aus der Zeit des Ersten Tempels. Des weiteren gibt es einen unterirdischen Zugang zur Cardo- Allee aus der Zeit des Zweiten Tempels. Zu der Prophetie, die besagt, dass nach der dritten Einweihung dieser Synagoge der Bau des Dritten Tempels beginnen wird, sagte uns der Leiter des Replika-Projektes, Nissim Arazi:

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Foto: M. Schneider

„Das ist mein zweiter Wunsch, einen Anteil am Bau des Dritten Tempels zu haben - auch wenn es nur die Infrastruktur ist".

 

1   Leicht veränderter Nachdruck aus: Israel heute - Ausgabe April 2010 sowie Israel heute - Ausgabe Mai 2010.