Anfänglich war seine Ernennung zum Staatssekretär für Integration höchst umstritten: Zu jung, zu unerfahren sei er, hiess es. Sowohl die politischen Mitbewerber als auch zahlreiche Medien äusserten sich zu Beginn despektierlich über Sebastian Kurz. Doch schon rasch setzte der Obmann der Jungen ÖVP interessante Initiativen und fand den Draht zur breiten Bevölkerung und avancierte zum Hoffnungsträger für die ÖVP. Heute gilt er als einer der beliebtesten heimischen Politiker, entsprechend häufig trat er im Wahlkampf auf.
Staatssekretär Sebastian Kurz. Mit freundlicher Genehmigung BMI.
DAVID: Herr Staatsekretär, gibt es spezielle Strategien, das Phänomen Antisemitismus generell oder unter bestimmten Einwanderergruppen gezielt zu bekämpfen? Ist Antisemitismus unter Einwanderern mit einem muslimischen Hintergrund verbreiteter als in der österreichischen Bevölkerung?
Staatssekretär Sebastian Kurz: In Österreich haben wir strenge Verbotsgesetze, die dem Phänomen Antisemitismus einen Riegel vorschieben. Diese Verbotsgesetze gelten natürlich auch für die Zuwanderinnen und Zuwanderer. Wer in Österreich
leben will, hat sich an die Gesetze und Werte zu halten. Es gibt in Österreich einen Grundkonsens gegen jede Art von Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus. Diesen Grundkonsens dürfen wir nicht verlassen. Mein Ziel als Integrationsstaatssekretär ist es, das Gemeinsame vor das Trennende zu stellen und den Dialog von Menschen verschiedener Herkunft und Religionen zu fördern. Das Integrationsstaatssekretariat fördert auch Projekte, die zu diesem gemeinsamen Dialog zwischen den Kulturen und Religionen beitragen.
Es gibt dazu keine Studien, aber ich glaube nicht, dass Antisemitismus unter Einwanderern mit einem muslimischen Hintergrund verbreiteter ist als in der österreichischen Bevölkerung. Ich bin in ständigem Kontakt mit Vertretern der muslimischen Glaubensgemeinschaft. Sie sprechen mit Respekt und Hochachtung über andere - auch die jüdische - Religionen. Sie heben die guten Kontakte zu den anderen Religionen hervor. Auch hier wird das Gemeinsame in den Vordergrund gestellt.
Machen sich die aktuellen politischen Verhältnisse in Ungarn bei der Zuwanderung von Ungarn, speziell ungarischen Juden, nach Österreich bemerkbar?
In zahlreichen Gesprächen mit ungarischen Migrantinnen und Migranten in
Österreich erfahre ich immer wieder, dass sie besorgt sind über die Situation in Ungarn, vor allem was den Umgang mit Minderheiten angeht. Ich werde auch immer wieder gebeten, auf Vertreter der ungarischen Regierung einzuwirken und an sie zu appellieren, diese fremdenfeindlichen und rassistischen Tendenzen zu bekämpfen. Als österreichisches Regierungsmitglied ist es mir zwar nicht unmittelbar möglich in
innerstaatliche Angelegenheiten in Ungarn einzugreifen, aber ich versuche, diesen Sorgen und Ängsten auf EU-Ebene sowie in Gesprächen mit ungarischen Politikern Gehör zu verschaffen.
Müssen die Zuwanderinnen und Zuwanderer aus Ungarn bestimmte Kriterien erfüllen? Welche Möglichkeiten kann man gerade den besonders durch Antisemitismus in Ungarn gefährdeten Juden anbieten?
Ungarische Zuwanderinnen und Zuwanderer müssen, wenn sie in Österreich leben wollen, dieselben Kriterien erfüllen wie Bürger aus allen anderen EU-Mitgliedsstaaten im Rahmen der Personenfreizügigkeit. Wollen ungarische Zuwanderinnen und Zuwanderer die österreichische Staatsbürgerschaft erhalten, müssen sie bestimmte Kriterien wie ausreichende Deutschkenntnisse, Selbsterhaltungsfähigkeit, ehrenamtliches Engagement, Unbescholtenheit sowie erfolgreicher Werte- und Staatsbürgerschaftstest nachweisen.
Mittlerweile sind einige jüdische Familien aus Ungarn nach Wien ins Exil gegangen und wurden von der IKG Wien aufgenommen. Wie werden sie vom Staatssekretariat betreut?
Derzeit gibt es vonseiten des Integrationsstaatssekretariats keine speziellen Projekte für diese jüdischen Familien aus Ungarn. Grundsätzlich arbeiten wir mit der Israelitischen Kultusgemeinde in Wien sehr gut zusammen und möchten diese Zusammenarbeit auch in Zukunft weiter intensivieren.
Die jüdischen Neuzuwanderinnen und Neuzuwanderer werden u.a. vom JBBZ (Jüdischen Beruflichen Bildungszentrum) betreut - wie sieht hier die Zusammenarbeit mit dem Staatssekretariat aus?
Wir sind mit dem Jüdischen Beruflichen Bildungszentrum in ständigem Kontakt und pflegen einen guten Meinungsaustausch. Dieser Austausch und die enge Zusammenarbeit können sich auch in Zukunft durchwegs gerade in Bereichen wie Bildung und Beruf, aber auch im Bereich Zusammenleben weiter intensivieren. Wir sehen hier im JBBZ einen äusserst professionellen Partner, wo jedenfalls viel Potenzial für Zusammenarbeit besteht.
Die Nationalratswahlen liegen nur wenige Wochen zurück. Wie ist Ihre persönliche Einschätzung des Ergebnisses?
Die Bürgerinnen und Bürger haben klar gezeigt, dass sie eine andere Politik wollen als bisher - im Stil und im Inhalt.
Lange Zeit war befürchtet worden, dass der Wahlkampf zu einer Anti-Ausländer-Wahlschlacht verkommt. Diese ist es zum Glück doch nicht geworden. Rückblickend, wie wichtig waren die Themen Zuwanderung und Integration im Wahlkampf?
Leider passiert es viel zu oft, dass die Themen Zuwanderung und Integration instrumentalisiert und emotionalisiert werden - vor allem auch in Wahlkämpfen. Die letzten zwei Jahre haben aber gezeigt, dass wir mehr Sachlichkeit brauchen. Es geht nicht darum, woher jemand kommt, sondern was jemand in Österreich beiträgt.
Herr Staatssekretär, herzlichen Dank für das Gespräch!