Ausgabe

Eine neue Ära der Gedenkkultur

Monika KACZEK

Content

DAVID: Im diesem Jahr sind bereits zahlreiche Publikationen zum Ersten Weltkrieg erschienen. Der deutsche Politikwissenschafter Herfried Münkler schreibt in seinem Buch Der grosse Krieg: „Wenn wir den Ersten Weltkrieg nicht verstehen, wird uns das ganze 20. Jahrhundert ein Rätsel bleiben." Wurden und werden von Seiten Ihres Ministeriums Veranstaltungen oder Publikationen in Erinnerung an dieses Ereignis initiiert?

Bundesminister Klug: Der Erste Weltkrieg ist nach wie vor im europäischen Gedächtnis als „Urkatastrophe" und als Ausgangspunkt für die Verwerfungen des 20. Jahrhunderts präsent. Die Relevanz, die den Jahren 1914 bis 1918 in der jeweiligen nationalen Erinnerungskultur zukommt, ist unterschiedlich. Während der „grosse Krieg" in Frankreich und Grossbritannien fest verankert ist, spielt er in Österreich und Deutschland eine geringere Rolle. Für das Österreichische Bundesheer ist es aber von grösster Wichtigkeit, dass das Selbstverständnis unseres Landes eine ständige Weiterentwicklung erfährt. Wir haben daher insgesamt zwölf Veranstaltungen in Form von Buchpräsentationen, Symposien, Lesungen und Vorträgen zum Ersten Weltkrieg geplant. Das aussagekräftigste Projekt zur Thematik ist für mich die Ausstellung zum Ersten Weltkrieg im Heeresgeschichtlichen Museum, die Ende Juni eröffnet wird.


DAVID: Die Soldaten der Armee Österreich-Ungarns stammten aus vielen Kulturen, so dienten zum Beispiel viele Muslime und Juden Kaiser sowie Vaterland. Auch das heutige Österreichische Bundesheer ist - salopp ausgedrückt - „multi-kulti". Welche Chancen für Integration und ein näheres Kennenlernen sehen Sie darin und gibt es konkrete Projekte?

BM Klug: Das Österreichische Bundesheer bringt über die allgemeine Wehrpflicht Österreicher unterschiedlichster Herkunft und verschiedenster sozialer Schichten zusammen. In den vergangenen Jahren haben Soldatinnen und Soldaten im Heer gedient, die aus über 70 verschiedenen Ländern nach Österreich gekommen sind. Wir hatten dabei Angehörige 22 verschiedener Religionsbekenntnisse bei uns. Ich bin überzeugt davon, dass alleine dadurch Integration stattfindet und gelingt, weil die gemeinsame Zeit beim Heer und der gemeinsame Dienst an der Gemeinschaft verbindet. Wir setzen aber auch aktive Schritte, um das zu unterstützen. Etwa durch das Angebot der Sprachförderung und durch einen Staatsbürgerunterricht, der in der Grundausbildung stattfindet. Darüber hinaus werden unsere Kadersoldaten in interkultureller Kompetenz geschult, was für die Friedensmissionen im Ausland entscheidend ist.

h101_011

h101_012

Copyright für alle Fotos: ÖBH/HBF

DAVID: Stichwort: Chancen: Nach 59 Jahren wurde mit Dr. Andrea Leitgeb erstmals eine Frau in den Generalsrang erhoben. Welche weiteren Möglichkeiten und Herausforderungen werden Frauen in Zukunft beim Heer erwarten können?

BM Klug: Die Antwort darauf ist mit einem Wort auf den Punkt gebracht: alle. Frauen haben beim Bundesheer alle Möglichkeiten, die auch ihre männlichen Kameraden haben. Frau Brigadier Leitgeb ist dafür das beste Beispiel. Und wir werden nicht auf das Potenzial und die Fähigkeiten verzichten können, die Frauen mitbringen, wenn wir die Herausforderungen der Zukunft erfolgreich bewältigen wollen. Darum arbeiten wir auch laufend daran, Frauen für unser Heer zu begeistern. Der Soldaten-Beruf ist in Österreich nach wie vor stark männlich konnotiert. Das ist eine gesellschaftspolitische Altlast, mit der wir aufräumen müssen. Wir müssen daran arbeiten, dass das Bundesheer auch von Frauen als attraktiver Arbeitgeber gesehen wird. Hier sind uns andere Staaten wie etwa England, Frankreich oder die USA voraus. Ich hoffe, dass es uns während meiner Amtszeit gelingt, hier merkbare Fortschritte zu machen.

DAVID: Der Anfangs erwähnte Autor Herfried Münkler beschäftigt sich in seinem Buch Der Wandel des Kriegs. Von der Symmetrie zur Asymmetrie mit dem Krieg im Laufe der Geschichte. Darin beschreibt er den Wandel vom klassische Krieg zu neuen Kriegsformen, in denen substaatliche Akteure zu Herausforderern des „Kriegsmonopolisten" Staates geworden sind. An dieser neuen Form sind zum Beispiel Warlords, Guerillagruppen, Söldnerfirmen sowie internationale Terrornetzwerke beteiligt. Wie sollen sich einzelne Staaten, selbst kleine Länder, diesbezüglich positionieren, da diese substaatlichen Akteure weltweit agieren?

BM Klug: Ich glaube, um dieser Herausforderung zu begegnen, müssen wir viel stärker als bisher einen umfassenden Ansatz wählen. Wir müssen einerseits auf Prävention setzen. Sehr oft radikalisieren sich Gruppen aufgrund von sozialen oder ethischen Spannungen. Dann werden sie militant und zu einer Bedrohung. Hier können wir Entwicklungszusammenarbeit und Unterstützung im Sicherheitssektor anbieten. Das Militär kann nur die Ultima Ratio sein. Dafür müssen wir dann aber selbstverständlich auch gerüstet sein. Für  Geiselnahmen, Entführungen  und dergleichen mehr. Dafür brauchen wir flexible, gut ausgebildete Soldatinnen und Soldaten. Vor allem Spezialeinsatzkräfte werden dabei in Zukunft eine noch wichtigere Rolle spielen.
 
DAVID: Im März letzten Jahres präsentierten Sie ein Projekt zur Neugestaltung der Krypta am Äusseren Burgtor. Ein wichtiger Aspekt ist hier die Anpassung der Gedenkstätte an eine zeitgemässe Gedächtniskultur. Darüber hinaus haben Sie betont, dass der 8. Mai ein Tag der Freiheit und des Gedenkens sei. Dankenswerterweise wurde so ein Aufmarsch von deutschnationalen Burschenschaftern verhindert. Können Sie für uns die Pläne und weitere Schritte für diesen geplanten Ort des Gedenkens am Heldentor umreissen? Wie soll das offizielle Österreich künftig mit dem 8. Mai umgeben? Könnte der Tag, wie zum Beispiel in Frankreich, ein offizieller Feiertag werden?

BM Klug: Wir haben im letzten Jahr durch eine Mahnwache in der Krypta und im Weiheraum im Äusseren Burgtor, ein Zeichen der Erneuerung bezüglich des Gedenkens am 8. Mai gesetzt. Auch das Fest der Freude, bei dem die Befreiung von einem Regime gefeiert wird, das ganz Europa in Schutt und Asche gelegt und Millionen Menschen ermordet hat, ist ein weiterer Schritt in diese Richtung. Ich glaube, damit haben wir eine neue Ära der Gedenkkultur eingeleitet.
Genau dieses Ziel habe ich auch bei der Neugestaltung des Heldendenkmals im Äusseren Burgtor. Der Prozess dazu ist derzeit am Laufen. Die nächsten Schritte sind ein internationaler wissenschaftlicher Workshop. Bis zum Herbst dieses Jahres werden wir die Ausschreibung für die Neugestaltung starten. Die Juryentscheidung sollte dann bis Ende des ersten Quartals 2015 fallen. Dann geht es in die Realisierungsphase. Wenn alles nach Plan läuft, werden wir Ende Oktober 2015 das neu gestaltete Heldendenkmal der Öffentlichkeit präsentieren können.

DAVID: Da unsere Zeitschrift ein Kulturmagazin ist, würden wir Sie gern auch nach Ihren musikalischen, literarischen und sonstigen kulturellen Vorlieben fragen.

BM Klug
: Wann immer Zeit bleibt, versuche ich ein Buch zur Hand zu nehmen. Derzeit begeistert mich vor allem Max Goldt, was vielleicht daran liegt, dass man neben den Akten und den Budgetunterlagen auch ab und an etwas Heiteres lesen möchte. Musikalisch ist mein Geschmack breit aufgestellt. Wenn es um Klassik geht, habe ich eine Vorliebe für Mozart. Seine Werke begeistern mich immer wieder aufs Neue. 

DAVID: Vielen Dank für das interessante Gespräch.