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Das jüdische Kriegerdenkmal und die Kriegsgräberanlage der jüdischen k.k. Soldaten auf dem Wiener Zentralfriedhof.

Jan SCHUBERT

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Das Hauptthema des vorliegenden Beitrags ist das zu Ehren der im Weltkrieg gefallenen k.k. Soldaten israelitischen Glaubens errichtete Kriegerdenkmal, dessen Standort der Wiener Zentralfriedhof ist.

1879 fing die jüdische Gemeinde an, das südlich des Tors Nr. I gelegene Areal einzunehmen. Das Gebiet des jüdischen Friedhofs wurde in den Jahren 1889, 1891, 1912 und 1915 ausgedehnt. Heutzutage trägt dieser Anlageteil den Namen: Alter Jüdischer Friedhof und umfasst 13 Quartiere südlich des Tors Nr. I. Die Israelitische Kultusgemeinde Wien begann schon 1919 Vorbereitungen für einen Wettbewerb für das Projekt der Gräberanlage und des Denkmals auf dem Gelände des (Alten) Jüdischen Friedhofs; sie bestimmte dafür das am heutigen Tor XI gelegene Areal (Quartier 76b). Zum Wettbewerb sollten alle in Wien ansässigen jüdischen Architekten eingeladen werden. 1924 schlug die Stadt der Gemeinde vor, zu niedrigem Preis das Denkmal des Erzherzogs Rainer zu kaufen, das nach der Umarbeitung zu einem der Elemente des neuen Kriegerquartiers werden sollte. Jedoch trat man aus finanziellen Gründen von diesem Vorhaben ab, um im August 1926 wieder die Idee eines Wettbewerbs aufzunehmen. Die Jury unter dem Vorsitz von Prof. Clemens Holzmeister (dem Architekten, dessen Werk das 1921-23 am Wiener Zentralfriedhof errichtete Krematorium war) verlieh am 8. November 1926 den ersten Preis und damit die Realisierung des preisgekrönten Projekts dem Architekten Leopold Ponzen. Es wurde auch beschlossen, dass der Geldbetrag für die Umsetzung der Anlage (20-30 Tausend Schilling) aus den Mitteln der Gemeinde entrichtet werden sollte. Mit der Ausführung des Denkmals wurde der Baumeister Max Liewer betraut, der sie 1928 abschloss; die ganze Anlage samt einem kleinen Kriegerfriedhof war im Herbst 1929 fertig. Noch im Juli 1927 appellierte die Kultusgemeinde, der bereits Ponzens Projekt und seine Idee von Gedenksteintafeln mit Namen der Gefallenen bekannt waren, über Wiener Zeitungsinserate an die jüdische Bevölkerung von Wien, der Kultusgemeinde Namen und Daten der im Weltkrieg Gefallenen mitzuteilen (Familienname, Truppe, Rang, Bestattungsort etc.). Dieser Apell fand grossen Widerhall. Es trafen über Tausend Namen ein. Aus diesem Grund beschloss die IKG, die Namen der in Wien Bestatteten an Tafeln im Inneren des Denkmals und die der in ihrer Heimat Gefallenen an zwei zusätzlichen Votivtafeln unterzubringen. Die letzten sollten in blinden Bogenfeldern der Eingangswand (von der Strassenseite) in der Zeremonienhalle ihren Platz finden. An einer der Tafeln wurde die Inschrift in hebräischer Sprache „Zum Gedenken an die Männer unserer Gemeinde, die gefallen sind am Schlachtfeld im grossem Krieg und Ruhe fanden in fremdem Land" an der anderen eine in deutscher Sprache: „Ihren, auf diesen Gedenktafeln verewigten und allen ihren anderen, im Weltkrieg gefallenen und in fremder Erde ruhenden Söhnen, gewidmet von der Israelitischen Kultusgemeinde Wien" untergebracht. Diese Tafeln waren das Werk des Steinmetzmeisters Sonnenschein, den man auch mit der Aufgabe beauftragt hatte, ein gesondertes Denkmal an der Ruhestätte von 16 in der Gefangenschaft verstorbenen russischen Soldaten israelitischen Glaubens auszuführen, die während des Krieges auf dem Zentralfriedhof bestattet worden waren. Wie bereits erwähnt wurde, war alles für die Eröffnung Anfang Herbst 1919 vorbereitet und am 13. Oktober fand die feierliche Enthüllung des Kriegerdenkmals, sowie der zwei in die Wand der Zeremonienhalle eingemauerten Tafeln und des Denkmals der russischen Soldaten statt. An der Enthüllungsfeier nahmen Bundeskanzler Schrober, Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde Dr. Pick,  der Stadtkommandant von Wien Generalmajor Wiesinger und viele andere Vertreter der öffentlichen Stellen im In- und Ausland teil. Letztendlich fanden auf dem Kriegerfriedhof rund um das Denkmal 436 Soldaten ihre Ruhestätte.

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Feierliche Enthüllung und Einweihung des Denkmals am 13.10.1929, Mit freundlicher Genehmigung J. Schubert.

Das Kriegerdenkmal selbst verdient auch einige Sätze Beschreibung. Es wurde in Form eines stämmigen achteckigen Wehrturms projektiert, abgeschlossen von einer Zinne mit vorspringendem Eingang und einem kleinen offenen Hof, in dem sieben Marmortafeln mit Namen der Gefallenen aufgestellt wurden. An der den Flur abschliessenden Decke wurde in deutscher Sprache hineingeritzt: Die Israelitische Kultusgemeinde Wien - Ihren im Weltkriege 1914-1918 gefallenen Söhnen. Im Inneren an der Achsenwand gegenüber dem Eingang eine Tafel in hebräischer und deutscher Sprache Nicht wieder wird erheben Volk gen Volk das Schwert und nicht lernen sie fürder den Krieg und die Daten 1914-1918 und 5674-5679. Das Denkmal bietet mit Sicherheit eine originelle Lösung, indem es an den Stil der zwanziger Jahre und an den orientalen Trend in der jüdischen Architektur anknüpft. Eine Vielfalt solcher Lösungen hatten gerade Wiener Architekturprofessoren in ihren Musterprojekten vorgeschlagen, die dann an andere Architekten weiter geleitet wurden, welche zahlreiche Kriegerfriedhöfe auf den Schlachtfeldern des Ersten Weltkrieges anlegten. Der Archetyp dieser Bauwerke konnten antike Mausoleen und Gruften sein (z.B. die römischen oder die ostgotischen), die auf Zentralplänen basierten. Zu solchen Lösungen kann man Arthur Grünbergers Wettbewerbsprojekt des Krematoriums für den Wiener Zentralfriedhof zählen.

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Prof. Oskar Strand: Denkmal auf bewaldeter Tiefebene, Mauer aus gebranntem Ziegel, umgeben von einem künstlichen Bassin. Brücke ohne Geländer. Im  Inneren: Tempel auf 16 Säulen. Rundherum 5 Nischen mit Gedenktafeln. Das Projekt knüpft an das Teatro Maritimo in der Hadriansvilla in Tivoli. Mit freundlicher Genehmigung J. Schubert.

Abschliessend soll gesagt werden, dass die Zeremonienhalle auf dem Alten Jüdischen Friedhof am 10. November 1938 von Nazis stark beschädigt und endgültig 1978 abgerissen wurde. Demzufolge wurden zwei da eingemauerte Gedenktafeln zerstört. Das Kriegerfriedhofsquartier hingegen und das Denkmal selbst blieben bis zum heutigen Tag erhalten, sie wurden 1934 durch zwei grosse Gedenksteine ergänzt, die zu beiden Seiten der zum Denkmal führenden Zentralallee stehen und im Jahr 1932 vom Bund Jüdischer Frontsoldaten Österreichs gestiftet wurden. Das Ganze bildet ein äusserst interessantes Beispiel für raumarchitektonische Lösungen bei Kriegergräberanlagen, die im Laufe und nach dem Ende des Weltkrieges erbaut wurden. Sowohl das Denkmal als auch der Kriegerfriedhof stehen unter Obhut des Österreichischen Schwarzen Kreuzes.

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Prof. Richard Berndl, München: Denkmal in Form eines Mausoleums. Material: Stein. Das Projekt kann an das Mausoleum des Theoderich in Ravenna anknüpfen. Mit freundlicher Genehmigung J. Schubert.

Leopold Ponzen, geb. am 12.12.1892 in Wien, Sohn des Kaufmanns Ludwig Ponzen aus dem südmährischen Nikolsburg und von Berta Brandl

Nach der Matura Architekturstudium an der TH Wien, unterbrochen durch den Kriegsdienst ab 1914

1913 Veröffentlichung einiger Reiseskizzen in Wiener Bauindustrie-Zeitung

1918 Bestehen der zweiten Staatsprüfung mit Auszeichnung

1919 Mitglied des Österreichischen Ingenieur- und Architektenvereines

1921 ausserordentliches Mitglied der Zentralvereinigung der Architekten Österreichs und Mitglied des Österreichischen Werkbundes

1925 Leiter des in Rund umbenannten Projekts von Oskar Strnad Wasser und Sonne in dessen Büro

1928 Sieger des Wettbewerbs Kriegerdenkmal am Wiener Zentralfriedhof, danach Eröffnung eigenen Büros in der Müllnergasse 5 im 9. Bezirk, Realisierung des Projekts des Kriegerdenkmals

1932 Teilnahme am Wettbewerb Das wachsende Haus Empfänger eines der Preise, Veröffentlichung des Projekts im Buch Kleine Einfamilienhäuser, zusammengestellt von Hans Adolf Vetter und Josef Frank, ebenso wie des Entwurfs Haus für einen Blumenfreund

Kompromisslos modernes Kahlenberg Projekt gemeinsames Werk von ihm und von Erich Boltenstern wegen mangelnder Finanzmittel Umsetzung verschoben

1933 Veröffentlichung in der Fachzeitschrift Profil des Entwurfs für Haus und Garten eines Herren

Die einzige Realisierung jener Zeit: die nicht erhaltene Portalgestaltung des Wein- und Bierlokals Johann Kürer in Wien 9, Hahngasse 24-26

1934 Hausumbauprojekt für die jüdische Familie Boros/Weiner in Kaschau Hlavna ulica11- Veröffentlichung in Profil samt erläuterndem Text

1935 Teilnahme an der 50. Geburtstagsfeier von Josef Frank, zu der Zeit als Begutachter bei der Gebäudeverwaltung der Israelitischen Kultusgemeinde tätig

1938 nach dem Anschluss Österreichs Emigration nach Shanghai, wo er am 10.10.1946 an Leukämie stirbt.

Zu Ponzen siehe auch I. Meder, In: DAVID, Heft 78, September 2008.

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