Ausgabe

Weitergehen auf seinem Weg

Marianne ENIGL

Leah Rabin, Ehefrau des 1995 ermordeten Jitzchak Rabin, geboren 1928 in Königsberg, gestorben 2000 in Petach Tikwa

 

Inhalt

Ihre Augen sind unvergesslich. Viel Glück muss in ihnen gestrahlt haben. In den Stunden da alle Blicke auf sie gerichtet waren, waren da aber unsäglicher Schmerz, Traurigkeit, Trauer, Enttäuschung. Nach der Ermordung des amtierenden israelischen Ministerpräsidenten, ihres Ehemannes Jitzchak Rabin, schien in den Augen von Leah Rabin die eigene Hoffnung mit der Friedenshoffnung des jüdischen Volkes untergegangen. Wie die damals 67jährige in den schwersten Stunden ihres Lebens im November 1995 gefühlt hat, beschrieb sie später: „So wie ich von der schlimmsten persönlichen Tragödie, die man sich vorstellen kann, heimgesucht worden war, so war auch unser Land in eine historisch beispiellose Katastrophe gestürzt worden.“ (Leah Rabin, Ich gehe weiter seinen Weg, Seite 31 f.)

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Lea Rabin, 1995. Foto: Nachoom Assis. Wikimedia.commons.

Leah Rabin war schon früh politisch interessiert gewesen, hatte die Öffentlichkeit aber weitgehend gemieden. Ihre Eltern waren in Russland geboren und Kinder gewesen, als ihrer beiden Familien nach Deutschland (Königsberg und Danzig) ausgewandert waren. Ihren Vater Fima Schlossberg (sic!) beschrieb Leah als engagierten Zionisten. Im Jahr 1933 fuhr er einen Tag nach Adolf Hitlers Machtantritt los in Richtung Palästina. Im Juni des Jahres holte er seine Frau und die beiden Töchter nach. Als Teilhaber einer Firma half er später deutschen Juden im Zug des Ha`avara-Abkommens Vermögen nach Palästina zu bringen.

Im „sandigen“ kleinen Tel Aviv habe sie eine wunderbare Kindheit erlebt, sagte Leah Rabin gerne. Noch als Schülerin trat sie einer zionistisch sozialistischen Jugendorganisation bei. Ihren künftigen Mann traf sie 15jährig im Sommer 1943, die beiden heirateten fünf Jahre später während einer Waffenpause im israelischen Unabhängigkeitskrieg. Nach der Resignation von Golda Meir wurde ihr Kollege aus der Arbeitspartei Awoda, der ehemalige Generalstabschef Jitzchak Rabin, 1974 Israels Premierminister. Die Aufdeckung eines damals illegalen Auslandskontos seiner Frau – es war während Rabins Botschaftertätigkeit in den USA eröffnet worden – bewegte Jitzchak Rabin 1977 zum Rücktritt. Mitte 1992 wurde er zum zweiten Mal als Premierminister vereidigt, 1994 erhielt er gemeinsam mit Aussenminister Schimon Peres und dem Chef der Palästinensischen Autonomiebehörde Jassir Arafat den Friedensnobelpreis. Sein letzter Auftritt auf dem Platz der Könige in Tel Aviv sollte eine Kundgebung für den Frieden im Nahen Osten sein, zu der an jenem 4. November 1995 rund 150.000 Menschen gekommen waren. Rabin war an diesem Abend glücklich über den unerwartet grossen Zuspruch, er bedeutete ihm Stärkung in Israels zerrissener Landschaft. Religiöse und rechte Gruppen sowie der konservative Likud um Benjamin Netanjahu hatten davor monatelang gegen seinen Wunsch nach einem Ausgleich mit der PLO mobil gemacht.

Der Premier war auf dem Weg zu seinem Auto, Leah war nicht bei ihm, da sie kurz aufgehalten worden war, als gegen 21.45 Uhr die tödlichen Schüsse fielen. Der 25jährige Attentäter Yigal Amir meinte zu den Verhörbeamten dann arrogant, „Tun Sie Ihre Arbeit, ich habe meine getan.“ In den Augen des streng religiösen Gewaltfanatikers war Jitzchak Rabin ein Verräter an Israel gewesen. Eine Warnung vor Amirs Gewaltpotential hatte der Inlandsgeheimdienst unbearbeitet gelassen.

Leah Rabin unterstützte die Friedenspolitik, für die ihr Mann im Amt ermordet worden war, engagiert weiter. Während des Wahlkampfs 1996 rief sie in einem Interview mit dem US-Fernsehsender CNN zur Wahl von Schimon Peres auf: „Wenn die Arbeitspartei nicht gewinnt, wäre der Tod meines Mannes umsonst gewesen und sein Verlust wäre ein Triumph für seinen Mörder und jene, die ihn gesandt haben.“ Sie gab sich überzeugt, Attentäter Yigal Amir habe nicht allein gehandelt, er sei von vielen in Israel „angestiftet“ worden. Likud-Chef Benjamin Netanjahu warf sie vor, im Wahlkampf Angst taktisch geschürt zu haben.

 

Es war drei Tage nach dem fünften Todestag ihres Mannes, als Leah Rabin den Kampf gegen eine Krebserkrankung verlor. Ihre Familie liess verlauten, diese zeitliche Nähe zeige die enge Verbindung zwischen der Ermordung Jitzchak Rabins (1922 – 1995) und Leahs tragischem Ende. Und die Familie fügte hinzu, die 72jährige sei den Weg ihres Mannes als ihren eigenen Weg bis zu den letzten Momenten ihres Lebens gegangen. Bill Clinton, damals US-Präsident meinte, „Wir haben eine gute Freundin verloren und der Mittlere Osten hat eine Freundin des Friedens verloren.