Ausgabe

Vom Scudetto nach Auschwitz Ungarische Fussball-Trilogie Teil III

Fabian Brändle

Das kurze und dramatische Leben des jüdischen Fussballers und Trainers Árpád Weisz (1896–1944)

Inhalt

Árpád Weisz wurde am 16. April 1896 in Solt in der ungarischen Reichshälfte der österreichisch- ungarischen Doppelmonarchie geboren. Als Spieler war er in Budapest beim eher kleinen Eisenbahner-Sportverein Törekvés als linker Flügelstürmer tätig und wirkte zusammen mit seinem jüdisch-ungarischen Kollegen Ferenc Hirzer (später in Deutschland tätig) auf der linken Seite. Das Team erreichte immerhin Plätze in der oberen Hälfte der ungemein starken ungarischen Meisterschaft. Für den neuen Nationalstaat Ungarn absolvierte Árpád Weisz in den Jahren 1922 und 1923 sechs Länderspiele. Im Jahre 1924 wurde er für das olympische Fussballturnier in Paris aufgeboten, wo Ungarn Mitfavorit war, kam aber zu keinem einzigen Einsatz für die enttäuschenden Grünweissen.

brandle---weisz.jpg

Árpád Weisz. Foto: vermutlich zwischen1929 und 1934. Quelle: Regionaal Archief Dordrecht. Licentiecode CC-BY-SA 4.0. Beeldbank nummer: 552_800227. Wikimedia commons, gemeinfrei: https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Arpád_Weisz_trainer_van_DFC_fot_25_tm_34_bewerkt.jpg?uselang=de

 

Nach dem Zusammenbruch des Habsburgerreichs und der damit erlangten Unabhängigkeit Ungarns hatten Revolution und Konterrevolution das Land erschüttert, und für Juden wurde Budapest sukzessive zum heissen Pflaster. Árpád Weisz floh vor dem „weissen“, antisemitischen Terror in die liberalere Tschechoslowakei, wo er für den jüdischen Klub Maccabi Brünn (Brno) kickte. Wie viele andere Ungarn auch wechselte Árpád Weisz Mitte der 1920er Jahre nach Italien, vorerst nach Padua (Padova) zu Calcio Padova. Nachher wechselte der flinke Flügelstürmer zu Internazionale Mailand, ebenfalls in die Nordliga. „Inter“ war jedoch damals noch nicht in grosser Form und erreichte nicht einmal die Endrunde der italienischen Meisterschaft. 

 

Aufgrund einer schweren Knieverletzung beendete Árpád Weisz seine Karriere als Aktiver früh und avancierte zum sehr erfolgreichen Fussball-Lehrer. Zuerst war er Assistenztrainer bei der US Alessandria unter Chefcoach Augusto Rangone. Auf einer ausgedehnten Südamerikareise, die leider nicht näher dokumentiert ist, bildete sich Árpád Weisz in Argentinien, Uruguay und Brasilien fussballtaktisch und fussballtechnisch weiter. In zwei Anläufen machte Weisz „Inter“, inzwischen auf Druck des Diktators Benito Mussolini in „Ambrosiana“ umbenannt, zum führenden Verein der inzwischen eingleisigen Serie A. Unbestrittene Stars der „Nerazzurri“ waren die Goalgetter und Weltmeister Giuseppe Meazza und Luigi Allemandi, mit denen Árpád Weisz zwei Meistertitel holte. Doch nach einer Baisse erfolgte seine Entlassung – so geht es eben allen Trainern auf dieser Welt.

 

Árpád Weisz gelang das Kunststück, mit Bologna noch einen weiteren Scudetto (Meistertitel der Serie A) zu holen. Markenzeichen von Weisz war es, mit dem schlichten, sportlichen Traineranzug an der Seitenlinie zu stehen. Er stellte auch Gärtner an, um die Rasenqualität sicherzustellen und bildete sich immer wieder weiter, ja schrieb sogar einen vielgelesenen Fussballtraktat, zu dem Vittorio Pozzo ein Vorwort beisteuerte. Im Jahre 1938 musste Árpád Weisz aufgrund der faschistischen Rassengesetze Italien verlassen und gelangte nach Paris, dann, bereits während des Krieges, nach Dordrecht in die Niederlande, wo er die örtliche Profimannschaft übernahm. Doch wurde der ungarisch-jüdische Trainer im Jahre 1941 verhaftet, nach Westerbork deportiert und dann im Jahre 1944 in Auschwitz ermordet. Heutzutage erinnern unter anderem verschiedene Stolpersteine an den hochbegabten Fussballer und Trainer, der in Italien das damals innovative, erfolgreiche, vom ebenso begnadeten Engländer Herbert Chapman kreierte WM-System verfestigte und ein Baumeister für die italienischen Triumphe der Zeit war.

 

Nachlese

Marani, Matteo. Dal Scudetto ad Auschwitz. Reggio Emilia 2007. 

Wilson, Jonathan. The Names Heard Long Ago. How the Golden Age of Hungarian Football Shaped the Modern Game. London 2019.