Ab 26. September 2008 wird im Leopold-Museum Wien eine  umfangreiche Retrospektive an Christian Schad (1894 – 1982, Hauptmeister der  „Neuen Sachlichkeit" und Schöpfer von drastischen Bildern sowie abstrakten  Fotogrammen), erinnern (bis 6. Januar 2009), der bis zur Isolation während des  „Dritten Reiches" mit zahlreichen Vertretern des kulturellen Lebens gut bekannt  war und nach dem Zweiten Weltkrieg als Realist in Vergessenheit geriet... So darf es kaum verwundern, wenn Schad in der Zeit des  „Dritten Reiches" in Ermangelung eines Großteils seiner Auftraggeber und Sammler  sein künstlerisches Schaffen zurückstellte und 1935 einen Brotberuf als Leiter  eines niederländischen Bierdepots in Berlin übernahm. Aufträge, etwa für  Bildnisse der Schauspielerinnen Luise Ulrich und Kristina Söderbaum (der  „Reichswasserleiche") waren selten. Schad stammte aus gutbürgerlichem Elternhause. Zunächst  studierte er an der Akademie München, brach aber 1914 nach wenigen Semestern ab,  weil er sich „nicht prüfen lassen wollte." Nach dem Ausbruch des Ersten  Weltkrieges simulierte er einen Herzfehler und floh 1915 in die neutrale  Schweiz, nach Zürich. Dort schloss er sich der Dada-Bewegung an; er  veröffentlichte Holzschnitte in avantgardistischen Zeitschriften und eine  Grafikmappe. Ende 1916 zog er nach Genf, wo er in einer Irrenanstalt Studien  fertigte.1919 führten ihn Experimente zu dem später nach ihm benannten  Fotogramm, der „Schadographie", einem auf lichtempfindlichen Platten erzeugten  Konturbild. Zudem arbeitete er an Holzreliefs, kubistisch geprägten Ölbildern  und Holzschnitten. 1920 kehrte Christian Schad nach München zurück und löste  sich vom Dadaismus. Er zog nach Italien, um sich dem Studium der  Renaissance-Meister zu widmen, das ihm den Durchbruch zum Realismus brachte.  1923 heiratete er eine Römerin und zog nach Neapel. 1925 finden wir ihn in Rom,  um ein Porträt von Papst Pius XI. zu malen. Im gleichen Jahr erfolgte der Umzug  nach Wien, wo Schads Atelier zum Treffpunkt eines Kreises von Intellektuellen,  Künstlern und Aristokraten wurde. Schads Porträts jener Zeit werden der „Neuen Sachlichkeit"  zugerechnet, einer veristischen Ausdrucksform, die auch als Gegenbewegung zur  abstrakten und gegenstandslosen Kunst gesehen werden muss. Der Künstler malte  Frauen, die für den neuen selbstbewussten Frauentyp mit Bubikopf und Zigarette  stehen; er porträtierte den tätowierten Egon Erwin Kisch sowie Agosta, den  missgestalteten „Flügelmenschen" und dessen „schwarze Taube" Rasha, die als  Artisten auf einem Jahrmarkt arbeiteten. Er malte und zeichnete Transvestiten,  Lesben und Schwule. Im Münchner Lenbachhaus hängt mittlerweile Schads  unterkühlte Darstellung einer Operation. Als Hauptwerk gilt das 1927 entstandene  „Selbstporträt mit Modell" (Privatbesitz), das heute zu den bekanntesten und am  häufigsten reproduzierten Werken des Künstlers und der Neuen Sachlichkeit  allgemein zählt. Schonungslos setzt sich Schad dem eigenen Blick aus, als „Maler  mit dem Skalpell", der seine Modelle und sich selbst mit kühler Distanz seziert.  Seit 1928 lebte der Künstler in Berlin, Reisen führten ihn nach Paris und in die  Bretagne. 1931 ertrank seine erste Frau Marcella bei einem Badeunfall, und Schad  begann, sich mit fernöstlicher Philosophie zu befassen. Als 1936 seine „Schadographien"  als Leihgaben Tristan Tzaras im Museum of Modern Art in New York gezeigt wurden,  geschah dies ohne Wissen des Künstlers. Schads Meisterwerke befinden sich heute in Museen wie der  Nationalgalerie Berlin sowie in namhaften Privatsammlungen. Seit dem Jahr 2000  hüten die Museen der fränkischen Stadt Aschaffenburg einen ganz besonderen  Schatz – den Nachlass des Künstlers, den die Witwe Bettina Schad als Stiftung in  die Obhut der Stadt überführt hat. Er umfasst Gemälde, Handzeichnungen und  Entwürfe, Druckgraphiken, „Schadographien" und Collagen, insgesamt rund 800  Arbeiten. Hinzu kommen zahlreiche, zum Teil frühe Arbeiten, die sich schon  länger im Bestand der Aschaffenburger Museen befunden haben. In den kommenden  Jahren soll ein eigenes Museum für den Künstler errichtet werden, außerdem  fördert man die Herausgabe eines vierbändigen Werkverzeichnisses. Museumsleiter  Dr. Thomas Richter weiß, warum es den Künstler nach Nordbayern verschlagen hat:  „1942 erhielt Schad hier einen Porträtauftrag. Im März 1943 wurde sein Berliner  Atelier durch einen Bombenangriff zerstört. Daraufhin entschloss sich der Maler,  nach Aschaffenburg zu ziehen. Hier hatte er nämlich einen größeren Auftrag in  Aussicht. Der Künstler, der die altmeisterliche Maltechnik perfekt beherrschte,  sollte eine Kopie der „Stuppacher Madonna" von Matthias Grünewald anfertigen."  Diese hat heute im Originalrahmen aus dem 16. Jahrhundert in der Stiftskirche  Sankt Peter und Alexander ihren endgültigen Platz gefunden. In den späten 1940er Jahren verdiente der Künstler seinen  Lebensunterhalt mit Restaurierungsarbeiten. Nach der realistischer Kunst in der  Folge der nationalsozialistischen „Blut- und Boden-Malerei" und dem Siegeszug  des Abstrakten erfolgte nur zögerlich seine Wiederentdeckung, Schads Werke  wurden auf deutschen und internationalen Ausstellungen gezeigt. Auch die  Deutsche Post ehrte den Wahl-Aschaffenburger mit einer Sonderbriefmarke, die ein  für ihn charakteristisches Frauenbildnis ziert. Die Ausstellung in Wien wird nicht nur die Hauptwerke der  Zwanziger Jahre präsentieren, sondern auch einige der frühen, vom Kubismus  beeinflussten Bilder aus der Zeit des Ersten Weltkriegs. Sie verdeutlichen  Christian Schads frühe Auseinandersetzung mit progressiven Ansichten der  Avantgarde. Etwa das Portrait der jungen Russin Katja von 1918, als sie nach  ihrer Flucht aus dem revolutionären Russland isoliert und traumatisiert war.  Eine große Rolle in der Geschichte der modernen Fotografie nehmen Schads  Fotogramme ein, Objekte, die ohne Verwendung einer Kamera auf lichtempfindlichem  Papier abgelichtet wurden. Sie entstanden ab 1919 in Genf und waren geprägt von  seiner Auseinandersetzung mit dem Geist des Dadaismus. Das Original des ersten  Fotogramms gilt als verschollen, ist aber in der Zeitschrift DADAphone 1920 in  Paris veröffentlicht worden. 1960, vierzig Jahre nach der Erfindung wandte sich  der Künstler erneut dieser Technik zu. Da es die damals verwendeten  Tageslicht-Auskopierpapiere nicht mehr gab, entstanden die neuen Arbeiten in der  Dunkelkammer, was Schad andere kreative Möglichkeiten erschloss.
 
 Zu  seinem Freundes- und Bekanntenkreis zählten der Pazifist Leonhard Frank, der  Dadaist Hugo Ball, der in Auschwitz ermordete polnische Maler Marcel Slodki, die  Schriftsteller Walther Serner und Max Hermann-Neisse, der Bildhauer Alexander  Archipenko, der Surrealist und Résistance-Kämpfer Samuel Rosenstock (besser  bekannt als Tristan Tzara) sowie der „rasende Reporter" Egon Erwin Kisch. 1927  malte er ein Porträt der Wiener Kunsthändlerin und Eigentümerin der im April  1938 „arisierten" Galerie Würthle, Lea Bondi-Jaray. Es entbehrt nicht einer  gewissen Pikanterie, dass diese Ausstellung in einem Museum stattfindet, dessen  Hausherr über eine Reihe von Kunstwerken aus dem in der NS-Zeit enteigneten  Besitz jüdischer Sammler, auch von Lea Bondi-Jaray, verfügt. Den Gynäkologen Dr.  Haustein, der nach der Machtübernahme der Nazis mit Zyankali seinem Leben ein  Ende setzte, porträtierte Schad 1928 mit einer gespenstisch wirkenden  Schattenfigur im Hintergrund, die das kommende Unheil anzukündigen scheint. Gut  bekannt war Schad auch mit dem kommunistischen Maler Georg Schrimpf, dem die  Nationalsozialisten Malverbot erteilten.