Ausgabe

Auf den Spuren verlorengegangenen Lebens

Content

Thomas Albrich (Hg.)

Von Salomon Sulzer bis „Bauer & Schwarz". Jüdische Vorreiter der Moderne in Tirol und Vorarlberg

372 Seiten. Mit zahlr. Bildern. ISBN 978-3-85218-464-7

Haymon Verlag. Wien 2009.

Der Vorarlberger Zeithistoriker Thomas Albrich arbeitet seit Jahren an der Innsbrucker Universität zu den Themen Zweiter Weltkrieg, alliierte Besatzungspolitik in Österreich und speziell zur Geschichte der Juden und des Zionismus. In verschiedenen Einzelpublikationen und Sammelbänden, die Albrich herausgibt, steht vor allem auch das individuelle jüdische Leben im Mittelpunkt. Anhand von einzelnen Biografien wird so nachvollziehbar, wie jüdisches Leben in der Provinz in der Geschichte bis herauf ins 20. Jahrhundert funktioniert hat. Zwangsläufig wurden diese Biografien durch den Nationalsozialismus meist gewaltsam beendet. Umso bedeutender die Arbeit, nicht nur eines kollektiven und anonymen Erinnerns das Wort zu reden, sondern speziell die einzelnen Menschen im Blick zu haben. Stellvertretend für Albrichs Arbeit steht der Band Wir lebten wie sie. Jüdische Lebensgeschichten aus Tirol und Vorarlberg aus dem Jahr 1999, als daran anknüpfend kann man auch den aktuellen Band Von Salomon Sulzer bis „Bauer & Schwarz". Jüdische Vorreiter der Moderne in Tirol und Vorarlberg sehen.

Dieses Buch nun bietet einen vielschichtigen Zugang zum Thema, beleuchtet werden unter anderem die Familien Bauer & Schwarz, die in Innsbruck das erste moderne Kaufhaus gründeten und das kürzlich nach einem Totalumbau als neues Kaufhaus Tyrol (auch hier gibt es einen interessanten Band, herausgegeben von Horst Schreiber: Von Bauer & Schwarz zum Kaufhaus Tyrol, Studienverlag 2010) wiedereröffnet wurde, das Leben des ersten jüdischen Kurarztes im Meran, Dr. Raphael Hausmann, die Leben der Fabrikanten David Friedmann in Innsbruck und der Brüder Rosenthal in Hohenems und natürlich das Wirken des berühmten Oberkantors Salomon Sulzer. Naturgemäss zentrieren sich die Texte um Innsbruck und Hohenems, die zwei Orte, die geschichtlich betrachtet die grössten jüdischen Gemeinden im ausgehenden 19. und im beginnenden 20. Jahrhundert beherbergten.

Aus aktuellem Anlass ist vielleicht der Text von Anna Rösch-Wehinger hervorzuheben, Starke Frauen: Die Landauer-Wirtinnen in Hohenems, denn im ehemaligen Gasthaus „Zur Frohen Aussicht", das im Volksmund nach der ersten Wirtin, Jeanette Landauer, einfach nur „Zur Schanett" hiess, wird ab Oktober 2010 das Lili, ein Verein für Literaturschaffende und Literaturinteressierte einziehen. Das ehemalige Gasthaus wird also wieder zu einem Treffpunkt werden, an den Tischen wird wieder über Kultur und Literatur diskutiert werden und fast wie nebenbei wird es ein Gedenken an die ursprünglichen - jüdischen - Besitzerinnen geben, die Einrichtung wird „Literaturhaus Schanett" heissen.

Ein Erinnern, das lohnt: das Besondere am Schanett war eben, dass es über mehrere Generationen fast allein von Frauen geführt wurde, da die Männer entweder früh starben oder in den Krieg mussten. Allein das war sehr ungewöhnlich für die Zeit. Hinzu kommt, dass mit dem wachsenden Selbstbewusstseins des Bürgertums - darunter auch viele jüdische Gemeindemitglieder wie etwa die erwähnten Brüder Rosenthal, deren Familie im Laufe des 19. Jahrhunderts von einfachen Stickferggern zu Textilfabrikanten wurden - Treffpunkte wie das Gasthaus „Zur Frohen Aussicht" besonders beliebt waren. Hier trafen sich Vereine aller Art, die sich im 19. Jahrhundert rasch gründeten: etwa der Verein zur Beförderung bürgerlicher Gewerbstätigkeiten, der Gesangsverein, der Mädchenverein oder eben auch der Leseverein „Concordia". Eine Spezialität im Gasthaus der Landauer-Wirtinnen sollen die „Schneckennudeln" gewesen sein, im neuen „Schanett" wird man zumindest mit literarischen Speisen versorgt werden. Ebenso zu empfehlen ist der Sammelband von Thomas Albrich, denn durch die erinnerten Biografien bleibt das jüdische Leben - nicht nur in Tirol und Vorarlberg - am leichtesten lebendig.

Thomas Albrich (Hg.)

Von Salomon Sulzer bis „Bauer & Schwarz". Jüdische Vorreiter der Moderne in Tirol und Vorarlberg

372 Seiten. Mit zahlr. Bildern. ISBN 978-3-85218-464-7

Haymon Verlag. Wien 2009.

Der Vorarlberger Zeithistoriker Thomas Albrich arbeitet seit Jahren an der Innsbrucker Universität zu den Themen Zweiter Weltkrieg, alliierte Besatzungspolitik in Österreich und speziell zur Geschichte der Juden und des Zionismus. In verschiedenen Einzelpublikationen und Sammelbänden, die Albrich herausgibt, steht vor allem auch das individuelle jüdische Leben im Mittelpunkt. Anhand von einzelnen Biografien wird so nachvollziehbar, wie jüdisches Leben in der Provinz in der Geschichte bis herauf ins 20. Jahrhundert funktioniert hat. Zwangsläufig wurden diese Biografien durch den Nationalsozialismus meist gewaltsam beendet. Umso bedeutender die Arbeit, nicht nur eines kollektiven und anonymen Erinnerns das Wort zu reden, sondern speziell die einzelnen Menschen im Blick zu haben. Stellvertretend für Albrichs Arbeit steht der Band Wir lebten wie sie. Jüdische Lebensgeschichten aus Tirol und Vorarlberg aus dem Jahr 1999, als daran anknüpfend kann man auch den aktuellen Band Von Salomon Sulzer bis „Bauer & Schwarz". Jüdische Vorreiter der Moderne in Tirol und Vorarlberg sehen.

Dieses Buch nun bietet einen vielschichtigen Zugang zum Thema, beleuchtet werden unter anderem die Familien Bauer & Schwarz, die in Innsbruck das erste moderne Kaufhaus gründeten und das kürzlich nach einem Totalumbau als neues Kaufhaus Tyrol (auch hier gibt es einen interessanten Band, herausgegeben von Horst Schreiber: Von Bauer & Schwarz zum Kaufhaus Tyrol, Studienverlag 2010) wiedereröffnet wurde, das Leben des ersten jüdischen Kurarztes im Meran, Dr. Raphael Hausmann, die Leben der Fabrikanten David Friedmann in Innsbruck und der Brüder Rosenthal in Hohenems und natürlich das Wirken des berühmten Oberkantors Salomon Sulzer. Naturgemäss zentrieren sich die Texte um Innsbruck und Hohenems, die zwei Orte, die geschichtlich betrachtet die grössten jüdischen Gemeinden im ausgehenden 19. und im beginnenden 20. Jahrhundert beherbergten.

Aus aktuellem Anlass ist vielleicht der Text von Anna Rösch-Wehinger hervorzuheben, Starke Frauen: Die Landauer-Wirtinnen in Hohenems, denn im ehemaligen Gasthaus „Zur Frohen Aussicht", das im Volksmund nach der ersten Wirtin, Jeanette Landauer, einfach nur „Zur Schanett" hiess, wird ab Oktober 2010 das Lili, ein Verein für Literaturschaffende und Literaturinteressierte einziehen. Das ehemalige Gasthaus wird also wieder zu einem Treffpunkt werden, an den Tischen wird wieder über Kultur und Literatur diskutiert werden und fast wie nebenbei wird es ein Gedenken an die ursprünglichen - jüdischen - Besitzerinnen geben, die Einrichtung wird „Literaturhaus Schanett" heissen.

Ein Erinnern, das lohnt: das Besondere am Schanett war eben, dass es über mehrere Generationen fast allein von Frauen geführt wurde, da die Männer entweder früh starben oder in den Krieg mussten. Allein das war sehr ungewöhnlich für die Zeit. Hinzu kommt, dass mit dem wachsenden Selbstbewusstseins des Bürgertums - darunter auch viele jüdische Gemeindemitglieder wie etwa die erwähnten Brüder Rosenthal, deren Familie im Laufe des 19. Jahrhunderts von einfachen Stickferggern zu Textilfabrikanten wurden - Treffpunkte wie das Gasthaus „Zur Frohen Aussicht" besonders beliebt waren. Hier trafen sich Vereine aller Art, die sich im 19. Jahrhundert rasch gründeten: etwa der Verein zur Beförderung bürgerlicher Gewerbstätigkeiten, der Gesangsverein, der Mädchenverein oder eben auch der Leseverein „Concordia". Eine Spezialität im Gasthaus der Landauer-Wirtinnen sollen die „Schneckennudeln" gewesen sein, im neuen „Schanett" wird man zumindest mit literarischen Speisen versorgt werden. Ebenso zu empfehlen ist der Sammelband von Thomas Albrich, denn durch die erinnerten Biografien bleibt das jüdische Leben - nicht nur in Tirol und Vorarlberg - am leichtesten lebendig.