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Jüdische Gedenkstätten in Steyr 20 Jahre Mauthausen Komitee Steyr

Karl RAMSMEIER

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Die jüdische Bevölkerung in der Eisenstadt Steyr war immer klein. Die Steyrer Ratsprotokollen erwähnen einzelne Juden Mitte des 18. Jahrhunderts.1 Im 19. Jahrhundert zogen vor allem Juden aus Böhmen und Mähren in die Stadt. 1855 gab es sieben Familien, 1857 lebten laut Volkszählung 50 Personen in 16 Familien in Steyr, 1890 waren es 174 in 40 Familien. Um 1900 war mit 200 Personen die Höchstzahl erreicht. Im 20. Jahrhundert gab es in Steyr zwischen 70 und  100 Juden, die dann von den Nationalsozialisten vertrieben und ermordet wurden.

1870 wurde ein Israelitischer Kultusverein gegründet, 1873 der jüdische Friedhof angelegt. 1892 konstituierte sich die Israelitische Kultusgemeinde Steyr und baute 1894 ein Restaurant in der Bahnhofstrasse in eine Synagoge um. Heinrich Schön war von 1896 bis 1926 Rabbiner in Steyr. Sein Nachfolger bis 1938 war Chaim Nürnberger. Die Synagoge wurde 1938 wie viele Geschäfte und Häuser „arisiert". Schon im Juli 1938 wurden Steyrer Juden verhaftet, aber auch um den 9. November 1938. Im KZ Steyr-Münichholz waren Juden inhaftiert, und im Steyrer Krematorium wurden auch Juden verbrannt. Im April 1945 führte der Todesmarsch der ungarischen Juden durch Steyr.2 Nach dem Krieg wurde die Israelitische Kultusgemeinde von Flüchtlingen neu gegründet, existierte aber nur mehr wenige Jahre. Von den Steyrer Juden kehrten nur einzelne wie Friedrich Uprimny zurück, viele von ihnen waren in Konzentrationslagern ermordet worden. 1993 lud das 1988 gegründete Mauthausen Komitee Steyr ehemalige Steyrer Juden ein, ihre Heimatstadt zu besuchen. Anlass war die Präsentation des Buches Vergessene Spuren. Die Geschichte der Juden in Steyr. Seither kommt es immer wieder zu Besuchen jüdischer Familien in Steyr. Um das Schicksal der Steyrer Juden nicht in Vergessenheit geraten zu lassen, wurde nicht nur das Buch Vergessene Spuren 1998 neu herausgebracht, sondern auch eine Reihe von Gedenkstätten errichtet.

Gedenktafel an der Aussenmauer des Jüdischen Friedhofes

Am 9. November 1989 enthüllte der Steyrer Bürgermeister Heinrich Schwarz eine Gedenktafel an der Aussenmauer des Jüdischen Friedhofes in Steyr. Es handelte sich um das erste öffentliche Erinnerungszeichen an die jüdische Bevölkerung von Steyr. Darauf ist zu lesen:

„Hier befindet sich der Friedhof unserer jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürger. Er erinnert an ihre jahrhundertelange Ansiedlung in Steyr bis zur Vertreibung und Ermordung in Konzentrationslagern durch das menschenverachtende NS-Regime. Ein Massengrab von ungarischen Juden, die auf dem Weg nach Mauthausen 1945 ermordet wurden, mahnt uns, die unsagbare Leidensgeschichte der jüdischen Bevölkerung nie zu vergessen."

In der Grussbotschaft des Präsidenten der Israelitischen Kultusgemeinde Linz, George Wozasek, hiess es:

„Diese Gedenktafel ist aus zwei wesentlichen Gesichtspunkten wichtig. Einmal sollen die ungeheuerlichen Gräueltaten der nationalsozialistischen Diktatur nicht in Vergessenheit geraten. [...] Die Tafel soll als Mahnmal für die kommende Generation dienen. [...] Vielleicht unmittelbar noch wichtiger ist die Tatsache, dass diese Aktion von nichtjüdischen jungen Mitbürgern durchgeführt wurde, die viel Idealismus zeigten und ihre Freizeit opferten, um die vorerwähnten Ziele umzusetzen."3

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Gedenkstein beim Massengrab der ungarischen Juden am Jüdischen Friedhof nach der Erneuerung.

Der Text wurde vom Mauthausen Komitee Steyr in Absprache mit der Israelitischen Kultusgemeinde Linz erstellt. Finanziert wurde die Gedenktafel von der Stadt Steyr, obwohl sich das offizielle Steyr damit zunächst schwer tat und der ganzen Sache reserviert bis ablehnend gegenüberstand. Wenige Tage nach der Enthüllung wurde die Tafel von jungen Neonazis mit einem Hakenkreuz beschmiert und die Friedhofsmauer mit „Heil Hitler" beschrieben. In den Lokalzeitungen gab es viele Stellungnahmen dazu.

Erneuerung des Gedenksteines beim Massengrab - jüdischer Friedhof   

Im Zuge der Renovierungsarbeiten am jüdischen Friedhof im Sommer 1991 wurde der Text des Gedenksteines beim Massengrab, das an den Todesmarsch der ungarischen Juden im April 1945 erinnert, auf neue Granitplatten graviert. Damit konnte die Lesbarkeit  des Textes erhalten werden. Die Kosten in der Höhe von  26.000.- Schilling wurden von der Israelitischen Kultusgemeinde Linz getragen. Die organisatorische Durchführung übernahm das Mauthausen Komitee Steyr. Enthüllt wurde der neue Gedenkstein bei der Gedenkfeier am 8. November 1991.

Gedenkstele vor der ehemaligen Synagoge in der Pachergasse

Der Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde Linz, George Wozasek, und die Landtagsabgeordnete Gertrude Schreiberhuber enthüllten am 8. November 1992 eine Gedenkstele vor der ehemaligen Synagoge in der Pachergasse:

 „In diesem Haus befand sich von 1894 bis 1938 die Synagoge unserer jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürger. Sie wurden von der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft gedemütigt und aus ihrer Heimat vertrieben, viele von ihnen in Konzentrationslagern ermordet."

Von 1894 bis 1938 und wenige Jahre nach 1945 hatte das Gebäude in der Bahnhofstrasse 5, Ecke Pachergasse, als Synagoge gedient. Als einzige in Oberösterreich überstand sie die NS-Zeit, auch wenn sie nicht mehr als Synagoge Verwendung fand. Am 9. Februar 1989 wurde erstmals die Forderung nach einer Gedenktafel vor der Hauptfassade der ehemaligen Synagoge in der Bahnhofstrasse in Steyr an den Vizebürgermeister Wippersberger herangetragen. Ein weiteres Gespräch mit ihm fand am 31. August 1989 statt. Zugesagt wurde, die Gedenktafel beim jüdischen Friedhof und jene an der ehemaligen Synagoge am 9. November 1989 gemeinsam zu enthüllen. Der Besitzer der ehemaligen Synagoge, ein Ansfeldener Apotheker, lehnte den Text des Komitees als zu politisch ab. Er konnte sich nur folgende Aufschrift vorstellen:

„In diesem Haus befand sich von 1894 bis 1938 die Synagoge unserer jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürger."

Für das Komitee stellte dies jedoch eine Verschleierung von historischen Tatsachen dar:

 „Würden wir auf den zweiten Teil verzichten, so würde es sich nicht mehr um eine Gedenktafel handeln und wir würden dazu beitragen, dass dieses für unsere jüdischen Mitbürger so tragische Schicksal erneut verschleiert und verschwiegen wird."4

Nachdem der Besitzer die Anbringung der Tafel ablehnte, gab es nur mehr die Möglichkeit, eine eigene Gedenkstele auf öffentlichem Grund direkt vor dem Gebäude aufzustellen. Da es sich beim Platz vor der Hauptfassade der Synagoge in der Bahnhofstrasse um Privatbesitz handelt, war dort eine Aufstellung nicht möglich. Das Komitee lieferte einen neuen Vorschlag: Die fertige Gedenktafel sollte auf einer Gedenkstele in der Pachergasse angebracht werden. Im Frühjahr 1991 kam es wieder zu einem Gespräch mit Vizebürgermeister Leithenmayr. Er gab erneut Architekt Scheuer, der auch für den Denkmalschutz in der Stadt Steyr zuständig war, den Auftrag die Gedenkstele bei der Synagoge ehestens zu realisieren. Ein Jahr verging. Im November 1991 forderte die grüne Gemeinderätin Eva Scheucher die unverzügliche Errichtung der Stele. Am 14. April 1992 fand ein weiteres Gespräch mit Vizebürgermeister Leithenmayr statt, bei dem als Termin für die Enthüllung der Gedenkstele der 8. November 1992 vereinbart wurde. Die Stadt Steyr finanzierte die Stele. Damit konnte ein dreijähriger Kampf um diese Gedenkstele erfolgreich abgeschlossen werden. Wieder einmal hatte sich gezeigt, dass Hartnäckigkeit für die Arbeit der Erinnerung unerlässlich ist.

Strassenbenennung nach dem letzten Steyrer Juden Friedrich Uprimny

Im November 1992 ersuchte das Mauthausen Komitee Steyr den Steyrer Bürgermeister, eine Strasse nach dem letzten Steyrer Juden Friedrich Uprimny zu benennen. Im Februar 1996 brachte das Komitee diesen Vorschlag beim Kulturamt der Stadt Steyr ein. Zwei Jahre lang geschah nichts. Bei der Gemeinderatssitzung am 10. Dezember 1998 wurde dieses Anliegen dann in Form einer „Erinnerung" erneut vorgebracht. Darin hiess es:

„Der Gemeinderat der Stadt Steyr möge beschliessen: Eine Strasse bzw. den Platz vor dem Museum Industrielle Arbeitswelt nach Friedrich Uprimny zu benennen. [...] Friedrich Uprimny, geb. am 11. März 1921 in Steyr, gest. am 21. März 1992, symbolisiert als letzter Vertreter der jüdischen Bevölkerung die leidvolle Geschichte der Jüdinnen und Juden, die 1938 aus Steyr emigrieren mussten. Viele wurden grausam durch das NS-Regime ermordet. [...] Er erzählte jungen Menschen von der Verfolgung der Juden aus seinem Leben und führte Schulklassen auf den jüdischen Friedhof. Friedrich Uprimny war bis zu seinem Tod bestrebt, Österreich, vor allem die Jugend, vor dem Wiedererstehen des Rassenwahns und des Faschismus zu warnen und mit all seinen Kräften zu schützen."5

Die Grünen befürworteten ebenso wie das Komitee den Platz vor dem Museum Arbeitswelt. Inzwischen brachte die FPÖ den Vorschlag ein, die Verbindungsstrasse Schuhmannstrasse-Haagerstrasse in Münichholz nach Friedrich Uprimny zu benennen. In der Nähe sei auch das KZ-Denkmal, daher sei dies der passende Ort. Alle Fraktionsobmänner ausser jenem der Grünen einigten sich auf diesen Vorschlag. Das Komitee beharrte zunächst auf den Platz vor dem Museum Arbeitswelt im Stadtzentrum, statt jenem am Stadtrand. Bürgermeister Hermann Leithenmayr lehnte dies aber ab: Würde der Vorschlag in Münichholz nicht akzeptiert, gäbe es eben keine Strassenbenennung nach Uprimny.6

Im Juni 1999 fasste das Komitee in einem Brief an alle Stadt- und Gemeinderäte der Stadt Steyr nochmals die Argumente gegen die Strassenbenennung in Münichholz zusammen: Friedrich Uprimny sei weder im KZ Steyr-Münichholz noch in einem anderen KZ gewesen,  ihm gebühre ein würdiger Platz im Stadtzentrum. Auch eine Unterschriften-Aktion für einen „Uprimnyplatz" wurde gestartet.7 Im Juli 1999 argumentierte der Gemeinderat der Grünen, Kurt Apfelthaler, für den Standort Museum Arbeitswelt:

„Das Museum engagiert sich seit seiner Gründung für die Sichtbarmachung der jüdischen Geschichte Steyrs und bietet neben der aktuellen Anne-Frank-Ausstellung in der Zeitwerkstatt auch pädagogische Workshops zu Uprimny und der Geschichte des Judentums in Steyr an. Ausserdem setzt das Museum durch Veranstaltungen ständig Zeichen gegen den aufkommenden Rechtsextremismus und Ausländerfeindlichkeit. Der Museumsvorplatz als topographischer Nabel des neuen, jungen, engagierten Steyr ist prädestiniert für eine symbolische Platzbenennung. Der Museumsvorplatz zwischen der Altstadt, Wehrgraben und Steyrdorf - der vergangenen Heimat der Steyrer Juden - ist der ideale Platz für eine Benennung nach Friedrich Uprimny."8

Eine Entscheidung wurde bei der Sitzung aber nicht getroffen.

Nun brachte das Komitee als neuen Vorschlag die Umbenennung „Friedhofsstiege" - (die Verbindung vom Wieserfeldplatz zum Taborweg) in „Friedrich Uprimny-Stiege" ins Gespräch, was deshalb geeignet erschien, weil Friedrich Uprimny am Wieserfeldplatz gewohnt hatte und sich am Taborweg der jüdische Friedhof befindet. Anfang des Jahres 2000 fand dieser Vorschlag die Zustimmung der Fraktionsobmänner der Parteien. Ein achtjähriges Bemühen des Komitees war endlich von Erfolg gekrönt.

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Strassenschild bei der Uprimny-Stiege.

Gedenkstele „Uprimny-Stiege"

Im Dezember 2001 wurde das Konzept eines Themenweges an der Uprimnystiege dem Magistrat übermittelt. An den Kehren der Stiege waren vier Stelen mit genaueren Informationen über Friedrich Uprimny und die jüdische Geschichte von Steyr vorgesehen: Friedrich Uprimny - Die Juden in Steyr - Die Juden in Steyr in der NS-Zeit - Der jüdische Friedhof in Steyr. Bald stellte sich heraus, dass mit den zur Verfügung stehenden Geldmitteln vier Stelen nicht möglich waren. Schliesslich einigte man sich auf eine Stele mit den ersten drei Themen (Entwurf Hans Jörg Kaiser, Gemeinderat Kurt Apfelthaler organisierte die Umsetzung durch die Werkstätte der HTL Steyr/Abteilung Metalldesign unter Anleitung von FOL Ludwig Reisinger,  Text Karl Ramsmaier). 

Am 7. November 2002 konnte die Gedenkstele im Anschluss an die Gedenkfeier auf dem jüdischen Friedhof enthüllt werden.

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Ludwig Reisinger mit Schülern der HTL Steyr bei der Gedenkstele auf der Uprimny-Stiege.

Gedenktafel an der Aussenmauer des BRG Steyr

Im September 2005 wurde dem Direktor des BRG Steyr Harald Gebeshuber vorgeschlagen, für die neun jüdischen Schüler, die Opfer des Holocaust geworden waren, eine Gedenktafel zu errichten. Angela Stockhammer übernahm das Projekt mit neun Schülern im Wahlpflichtfach Geschichte. Jeder Schüler recherchierte die Lebensgeschichte eines jüdischen Schülers, die Ergebnisse wurden in einer Broschüre zusammengefasst. Josef Sommer, einer der jüdischen Schüler, hatte 1904/05 in der damaligen Staats-Oberrealschule dieselbe Klasse wie Adolf Hitler besucht. 1942 wurde er deportiert und ermordet. Am 8. November 2006 wurde in der Schule eine Gedenkveranstaltung organisiert. Direktor Gebeshuber begrüsste neben Bürgermeister David Forstenlechner auch den Präsidenten der Israelitischen Kultusgemeinde Linz. Die Gedenkrede hielt die Linzer Schriftstellerin Anna Mitgutsch. Die Schüler stellten die biografischen Daten der Opfer vor. Vor der Enthüllung der Gedenktafel an der Aussenmauer des BRG Steyr durch Bürgermeister Forstenlechner sprach Präsident Wozasek das jüdische Totengebet Kaddisch.

Dass gerade an der Aussenmauer dieser Schule für die neun jüdischen Schüler eine Gedenktafel angebracht wurde, hat eine grosse symbolische Bedeutung. Bisher gab es nur Gedenktafeln für die Soldaten im Eingangsbereich der Schule und für den Heimatdichter und Lehrer Gregor Goldbacher, der die Schule nach der nationalsozialistischen Machtergreifung 1938 in Adolf Hitler-Schule umbenennen wollte und ein glühender Hitlerverehrer war. Hier war ein Zeichen für die Holocaust-Opfer höchst an der Zeit.

Neue Gedenkstele vor der ehemaligen Synagoge in der Pachergasse

Im Herbst 2005 kaufte die Raiffeisenbank Region Steyr das Gebäude der ehemaligen Synagoge und begann im Frühjahr 2006 mit den Umbauarbeiten. Im Mai 2006 protestierte das Komitee gegen die Entfernung der Gedenkstele vor der ehemaligen Synagoge in der Pachergasse. Daraufhin wurde bei einem Lokalaugeschein mit der Bank mündlich vereinbart, die Gedenkstele in der Bahnhofstrasse, beim Haupteingang des Gebäudes, neu aufzustellen. Nach einem kritischen Zeitungsartikel in den Oberösterreichischen Nachrichten im Juli 2006 sah sich die Bank nicht mehr an die Vereinbarung gebunden. Die Gedenkstele wurde erneut in der Pachergasse aufgestellt, dabei verschmutzt und beschädigt, sodass sie nicht mehr zu reparieren war. Nach langem Hin und Her wurde schliesslich die neue Gedenkstele aus rostigem Stahl und Glas am 11. September 2007 von Präsident Wozasek, Bürgermeister Forstenlechner und Karl Ramsmaier enthüllt:

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Gedenktafel an der Aussenmauer des BRG Steyr.

„Für das Mauthausen Komitee Steyr geht es hier nicht um eine Informationstafel, die über eine Sehenswürdigkeit informiert, sondern um eine Gedenkstele, die die Opfer der Shoah würdigt [...] Dieses Gebäude, vor dem wir hier stehen, war ihr Gotteshaus und auch das Zentrum ihrer Identität als Minderheit in dieser Stadt. Hier wohnte auch ihr Rabbiner mit seiner Familie. Dreissig Jahre hindurch war das Heinrich Schön, dessen Enkelin heute achtzigjährig in Australien lebt [...] Für das Mauthausen Komitee [...] bleibt es weiterhin ein Traum, dass dieses Gebäude irgendwann einmal zu einem Kulturhaus mit einer Dauerausstellung über jüdisches Leben in Steyr wird. Diese Chance, eine solche Ausstellung in einem so symbolträchtigen Gebäude zu zeigen, hat keine andere Stadt in Oberösterreich",

meinte  der Vorsitzende des Mauthausen Komitees Steyr bei der Enthüllung. 9

Denkmalschutz für die ehemalige Synagoge

Im August 2006 brachte das Mauthausen Komitee Steyr beim Bundesdenkmalamt den Antrag ein, die ehemalige Synagoge in Steyr unter Denkmalschutz zu stellen. Das Komitee übergab dem Bundesdenkmalamt auch alle nötigen historischen Hintergrundinformationen. Unterstützt wurde das Anliegen von vielen Organisationen und Privatpersonen, u.a. von den Israelitischen Kultusgemeinden Linz und Wien, dem Mauthausen Komitee Österreich, dem OÖ. Netzwerk gegen Rassismus und Rechtsextremismus und dem Dekanat Steyr.

 „Auch wenn der Bau nicht als Synagoge errichtet wurde, kommt ihm mit dieser Nutzung hoher Seltenheitswert und entsprechende geschichtliche und kulturelle Bedeutung zu. Konservierte Oberflächenbefunde im Inneren legen die Vermutung nahe, dass noch weitere  Aufschlüsse über die Gestaltung eines jüdischen Betraums in der Zeit zwischen 1894 und 1938 möglich sind",

heisst es in der Stellungnahme des Bundesdenkmalamtes.10 Mit Bescheid des Bundesdenkmalamtes von 7. Mai 2008 wurde die Steyrer Synagoge nun offiziell unter Denkmalschutz gestellt.

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Karl Ramsmaier und Bürgermeister Forstenlechner vor der neuen Gedenkstelle.

Am 1. Oktober 1938 war die Israelitische Kultusgemeinde Steyr von den Nationalsozialisten aufgelöst worden. Am 70. Jahrestag der Zerstörung der jüdischen Gemeinde von Steyr wurde mit der Unterschutzstellung der Synagoge ein wichtiges symbolisches Zeichen des Nichtvergessens gesetzt.

Holocaust-Denkmal mit den Namen der Steyrer Opfer

Schon 1998 wurde bei der 10-Jahresfeier des Komitees die Errichtung einer Gedenktafel mit den Namen aller Steyrer Shoah-Opfer als Ziel genannt. Auch Präsident Wozasek befürwortete immer wieder diesen Plan. Im Mai 2006 wurde diese Idee erneut aufgegriffen, 2007 von Erich Aufreiter ein erster Entwurf und Kostenvoranschlag erarbeitet. Gleichzeitig wurden die Namen der Opfer recherchiert, die im Gebiet der ehemaligen Israelitischen Kultusgemeinde Steyr geboren worden waren oder dort gewohnt hatten. Dazu zählen die Stadt Steyr, der Bezirk Steyr-Land und der Bezirk Kirchdorf.

Auf einer Gedenktafel aus Glas wurden die Namen mit Geburtsjahr, Deportationsjahr bzw. Todesjahr und dem Deportations- bzw. Todesort vermerkt. 86 Namen sind hier zu finden.

Direkt vor der Glasplatte ermöglicht ein „Steintisch" den Teilnehmern der jährlichen Gedenkfeier, Steine des Gedenkens und der Erinnerung niederzulegen. Dazu ist der „Steintisch" selbst ein immerwährender „Stein des Erinnerns". Der Stein aus Granit stammt aus einem Steinbruch in Gusen. Beim Transport brach der obere Teil des Steines ab. Das soll symbolisch zeigen, dass seit der Ermordung der Steyrer Juden ein wichtiger Teil dieser Stadt fehlt. Finanziert wurde die Gedenktafel vom Nationalfonds der Republik Österreich und der Stadt Steyr, die Projektorganisation lag beim Mauthausen Komitee Steyr. An der Enthüllung  im Rahmen der Gedenkfeier am 6. November 2008 nahm auch eine Schülergruppe der MakifChet High School aus Rishon le Zion in Israel teil. Die Enthüllung nahmen Bürgermeister Forstenlechner und Präsident Wozasek vor.

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Ehemalige Synagoge in Steyr

Im Jahr 2008 wurde erstmals an der Kinder-Universität Steyr eine Exkursion „Die Juden in Steyr" angeboten. Auch 2009 war sie wieder im Programm der Kinder-Universität Steyr. Wie im Vorjahr waren auch 2009 am Tag des offenen Denkmals der jüdische Friedhof in Steyr, und ausserdem das neue Holocaust-Denkmal zu besichtigen. Konzipiert wurde auch ein eigener Stadtrundgang Auf den Spuren der Steyrer Juden, bei dem alle Gedenkstätten besucht werden. Viele Schulkassen besuchen im Rahmen von Lehrausgängen die Gedenkstätten. Überhaupt ist in den letzten Jahren aufgrund der 20-jährigen Arbeit des Mauthausen Komitees Steyr ein vermehrtes Interesse an der jüdischen Geschichte von Steyr festzustellen. So sind die Gedenkstätten Orte der Bewusstseinsbildung und der lebendigen Erinnerung an die jüdische Bevölkerung von Steyr geworden.

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Neues Holocaust-Denkmal mit den Namen der Steyrer Opfer.

Karl Ramsmaier ist Vorsitzender des Mauthausen Komitees Steyr  und Mitautor des Buches Vergessene Spuren. Die Geschichte der Juden in Steyr. Grünbach 1998.

Alle Fotos mit freundlicher Genehmigung K. Ramsmaier.

1    Vgl. Waltraud Neuhauser-Pfeiffer / Karl Ramsmaier: Vergessene Spuren. Die Geschichte der Juden in Steyr. Grünbach 1998, S. 30-31; Mit ‚Ratsprotokollen' sind die heutigen Gemeinderatsprotokolle gemeint.

2    Ebd. S. 205-225.

3    Steyrer Zeitung, Nr. 46, 16.11.1989.

4      Brief an Vizebürgermeister Wippersberg, 23.01.1990, Archiv Mauthausen Komitee Steyr.

5    Gemeinderatsprotokoll, 10.12.1998.

6   Gespräch mit Bürgermeister Hermann Leithenmayr, 19. 05.1999.

7    Oberösterreichische Nachrichten - extra, 16.06.1999.

8    Gemeinderatsprotokoll, 08.07.1999.

9    Karl Ramsmaier, Rede bei der Enthüllung der neuen Gedenkstele vor der ehemaligen Synagoge in Steyr am

11. September 2007, Archiv Mauthausen Komitee Steyr.

10   Stellungnahme des BDA, undatiert, 2008.