Als Reaktion auf den andauernden Raketenbeschluss israelischer Siedlungen durch die Hamas begann die israelische Armee am 27. Dezember 2008 die Militäroperation Gegossenes Blei. Durch eine einseitige Waffenstillstandserklärung von Seiten Israels vom 17. Januar 2009 wurde diese für zehn Tage, und von der Hamas vom 18. Januar 2009 für eine Woche vorläufig beendet. Israel zog schlussendlich seine letzten Truppen am Dienstag, den 21. Januar 2009 ab. Nach mehr als drei Wochen Krieg und rund 1.400 Toten sowie rund 5.000 Verletzten ruhten die Waffen.
Von der UNO wurde daraufhin eine Untersuchung der Ereignisse eingeleitet und der ehemalige südafrikanische Richter Richard Goldstone mit der Leitung der Untersuchungskommission betraut. Am 17. September dieses Jahres schliesslich wurde der 574 Seiten umfassende Bericht vorgelegt. Dieser spricht von starken Beweisen für Kriegsverbrechen auf beiden Seiten. Als israelische Kriegsverbrechen nennt er unter anderem den Beschuss einer Moschee zur Gebetszeit, bei dem 15 Menschen ums Leben kamen. In sieben Fällen wurden laut Bericht Sicherheit suchende Palästinenser beim Verlassen ihres Hauses erschossen, obwohl sie weisse Flaggen schwenkten.
Auch die palästinensischen Attacken auf Israel werden verurteilt:
„Wenn es kein militärisches Ziel gibt und Raketen und Mörser auf zivile Gebiete abgeschossen werden, ist das ein absichtlicher Angriff auf die Zivilbevölkerung."
Der Bericht empfiehlt dem UNO-Sicherheitsrat als höchstem Gremium zur Wahrung des Weltfriedens, von Israel eine objektive Untersuchung mutmasslicher Verbrechen zu fordern. Für den Fall, dass Israel dieser Forderung nicht nachkomme, sieht der Bericht eine Übergabe der Causa an den Internationalen Strafgerichtshof vor. Die rechtlichen Konsequenzen des Berichts sind umstritten, jedoch scheint die vorherrschende Meinung, wonach der Bericht nicht von unmittelbarer rechtlicher Relevanz sei, zutreffend. Weder Israel noch Palästina sind bisher Mitgliedsstaaten des Internationalen Strafgerichtshofes, womit auch die Möglichkeit, israelisches Militärpersonal rechtlich zu belangen, eingeschränkt wäre. Sollte jedoch die UNO den Bericht dem Strafgerichtshof vorlegen, erlitte das Ansehen Israels jedenfalls grossen Schaden.
Der UN-Menschenrechtsrat verurteilte Israel Mitte Oktober 2009 in Zusammenhang mit dem Goldstone-Bericht über Menschenrechtsverletzungen im Gaza-Krieg. Der Grossteil der westlichen Staaten, darunter EU und USA, hatten die von den Palästinensern sowie von Ägypten, Nigeria, Tunesien und Pakistan eingebrachte Resolution abgelehnt, dennoch wurde diese mit einer knappen Mehrheit von 25 der 47 Mitglieder des Gremiums angenommen. Die UN-Generalversammlung stellte sich ebenfalls mehrheitlich hinter den Goldstone-Bericht über Menschenrechtsverletzungen im Gaza-Krieg. 114 Mitgliedsstaaten unterstützten am 6. November 2009 in New York eine von den arabischen Ländern eingebrachte Resolution. 18 Mitglieder - darunter Israel, die USA und Deutschland - stimmten mit Nein. Insgesamt gab es 44 Enthaltungen.
Reaktionen auf den Bericht
Die Reaktionen auf den Goldstone-Bericht fielen wie erwartet aus. Israel verurteilte den Bericht scharf: Aussenminister Avigdor Lieberman sah darin eine Gefahr für den Nahost-Friedensprozess und forderte UN-Generalsekretär Ban Ki Moon auf, dafür zu sorgen, dass über den Bericht innerhalb der UNO keine weiteren Abstimmungen stattfänden. Bereits zuvor hatte der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanyahu den Palästinenserpräsidenten Mahmud Abbas aufgefordert, den Friedensprozess fortzuführen und das Ende des Konflikts beider Völker zu unterstützen. Im Rahmen der Konferenz Facing Tomorrow sagte der israelische Regierungschef:
„Frieden mit unseren palästinensischen Nachbarn ist möglich, aber dazu ist Führerschaft und Mut beider Seiten notwendig."
Im Zuge der Debatte über den Gaza-Krieg und den Goldstone-Bericht sprach sich Netanyahu auch für die Schaffung eines international gültigen Kodex für den Kampf gegen Terror-Organisationen aus. Der UNO wurde vorgeworfen, mit dem Bericht Terroristen zu unterstützen, anstatt den Kampf gegen den Terror voranzutreiben. Das Recht auf Selbstverteidigung stünde nicht zur Debatte.
In Gaza wurde der Bericht von der herrschenden Hamas positiv zur Kenntnis genommen, die darin eine klare Verurteilung Israels wegen Kriegsverbrechen gegen Zivilisten sieht. Auch seitens der Palästinensischen Autonomiebehörde in Ramallah wurde an den Goldstone-Bericht die Hoffnung geknüpft, die internationale Gemeinschaft werde Israel für Verbrechen zur Verantwortung ziehen. Auf die im Bericht ebenso vorliegende, entsprechende Kritik des eigenen, palästinensischen Handelns im Gaza-Krieg wurde jedoch nicht eingegangen.
Eine spezielle Rolle nahmen in Zusammenhang mit dem Goldstone-Bericht auch die USA ein - und nicht nur aufgrund des historisch gewachsenen guten Verhältnisses zu Israel. Mit Spannung wurde erwartet, wie sich die Administration Obama in diesem Zusammenhang verhalten würde. Zudem gehören die USA erstmals seit der Gründung des UN-Menschenrechtsbeirates vor drei Jahren zu den 47 Mitgliedstaaten des Gremiums. Die USA kritisierten den Bericht und stellten fest, dass dieser schwere Anschuldigungen gegen Israel und die Palästinenser enthalte. Die USA seien jedoch zuversichtlich, dass Israel diese Anschuldigungen sorgfältig prüfen werde. Mit Besorgnis nahmen die USA jene Empfehlung zur Kenntnis, dass die Anschuldigungen des Berichts vor den UN-Sicherheitsrat oder später sogar vor den Internationalen Strafgerichtshof gelangen sollten. Seitens der USA, aber auch der EU, wurde darauf hingewiesen, dass sich dadurch die Rolle jenes Gremiums wesentlich verändern würde.
Der Bericht und seine Folgen
Die israelische Regierung schlug als Reaktion auf den Bericht eine Änderung des internationalen Kriegsrechts vor. Darin ging es insbesondere um eine Erleichterung des Krieges gegen den Terrorismus. Die Palästinenser forderten eine Verurteilung Israels sowie eine harte Haltung gegenüber Israel.
Betrachtet man das zögerliche Verhalten der westlichen Staaten, so lässt sich darin doch eine gewisse Skepsis gegenüber dem Goldstone-Bericht erkennen. Diese Skepsis scheint auch begründet. Zwar listet der Report penibel die von beiden Seiten begangenen Kriegsverbrechen auf, die Vagheit der darin enthaltenen Anschuldigungen trägt jedoch mit Sicherheit zu keiner Lösung des Nahostkonflikts bei. Eine Weiterleitung des Berichts an den UN-Sicherheitsrat bzw. den Internationalen Strafgerichtshof hätte zwar deutlich negative Auswirkungen auf Israel und seine Reputation, aber auch dies würde keine neuen Optionen auf einen Frieden in Nahost mit sich bringen, sondern wohl mehr die noch immer angespannte Situation verschärfen und weiteres Misstrauen auf beiden Seiten schüren. Eines hat der Bericht jedoch klar gemacht: Die westlichen Staaten haben zwar in der Summe die Anschuldigungen in geringem Ausmass unterstützt, dennoch wird vor allem von den USA unter der Obama-Administration eine Lösung des Konflikts insbesondere durch Israel eingefordert. Aber auch die Palästinensische Autonomiebehörde unter Präsident Abbas steht unter Druck. Gerade nach den Kontroversen um den Goldstone-Bericht wird von ihm, einem erklärten Befürworter einer Lösung des Nahostkonflikts, ein starkes und hartes Vorgehen gegenüber Israel eingefordert. In der jetzigen Situation Schwäche zu zeigen würde die Meinung der radikalen Palästinenser unterstützen, die Fatah stelle ohnehin einen Verbündeten Israels dar.
Mit dem Goldstone-Bericht wurden zwar die Ereignisse um den Gaza-Krieg detailliert beleuchtet; eine Aufarbeitung des Konflikts sowie entsprechende Reaktionen auf die Empfehlungen des Goldstone-Berichts erscheinen auf beiden Seiten sinnvoll. Dennoch trägt der Bericht nicht unbedingt zur Vertrauensbildung beider Streitparteien bei. Eine Weiterleitung des Berichts an den Sicherheitsrat sowie den Internationalen Strafgerichtshof wäre daher kontraproduktiv. Vielmehr geht es darum, Israel und die Palästinenser an einen Tisch zu bringen und den Friedensprozess voranzutreiben. Ein internationaler Bericht, der beiden Seiten Kriegsverbrechen vorwirft - mag er auch noch so objektiv und analytisch erstellt worden sein - trägt wenig zu dieser Vertrauensbildung bei.