Lea Wohl von Haselberg: Und nach dem Holocaust? Jüdische Spielfilmfiguren im (west)deutschen Film und Fernsehen nach 1945
Berlin: Neofelis Verlag 2016
424 Seiten, 6 s/w- & 58 Farbabbildungen, gebunden
Euro 28.00
ISDN (Print) 978-3-943414-60-8
USDB (PDF) 978-3-943414-81-3
Die meisten Deutschen begegnen ihnen im normalen Leben kaum: Juden in Deutschland. Deshalb ist es kein Wunder, dass die Verfasserin des vorliegenden Werks die These vertritt, Juden sind hierzulande vor allem aus Filmen und Fernsehserien bekannt. Um ihre These zu untermauern, hat Lea Wohl von Haselberg insgesamt 116 Filme, darunter Krimis und Fernsehserien mit jüdischem Inhalt, jüdischen Figuren und jüdischem Rahmen, untersucht. Damit wollte sie herausfinden, wie Juden nach 1945 dargestellt werden. Entstanden ist ein vielfältiges Bild, das dennoch eine ganze Reihe von Gemeinsamkeiten aufweist. Die Autorin zeigt auf, wie sich Antisemitismus und Philosemitismus im Film zeigen und fragt, was normal im Verhältnis zum Beispiel von Schoah-Überlebenden zu ihrer nichtjüdischen Umwelt ist. Eine weitere wichtige Frage ist die, wie eine Figur als jüdisch dargestellt wird. Dabei geht sie den Orten und Dingen nach und verweist auf Judaica, auf Essen sowie auf jüdische Friedhöfe und Beerdigungen. Gekennzeichnet werden jüdische Figuren überdies durch ihre Namen, ihr Aussehen und ihre Sprache: Sie „jiddeln" gerne. Ein interessanter Punkt ist, dass mehr jüdische Männer als Frauen diese Filme bevölkern, wobei der jüdische Liebhaber als durchaus begehrenswert bei Nichtjüdinnen gilt und auch als solcher dargestellt wird. Lea Wohl von Haselberg unterscheidet zwischen jüdischen und nichtjüdischen Regisseuren und widmet ein ganzes Kapitel allein Rainer Werner Fassbinder. Er ist nicht nur der Urheber des berüchtigten Theaterstücks Die Stadt, der Müll und der Tod, dessen Aufführung im Jahre 1985 Mitglieder der jüdischen Gemeinde in Frankfurt am Main verhinderten, sondern auch des Films In einem Jahr mit 13 Monden und Die Sehnsucht der Veronika Voss, in denen er die nichtjüdischen Deutschen als Opfer von Juden, vor allem wegen Geld, darstellt. Ebenso bekannt wie Fassbinder dürfte inzwischen auch der jüdische Regisseur Dani Levy sein, der versucht, das Jüdische mit Humor vorzustellen und dabei auch nicht vor Übertreibungen und dem Griff zu Klischees über Juden zurückschreckt, wofür seine beiden im Buch länger besprochenen Filme Meschugge und Alles auf Zucker stehen. Er geht nach dem Grundsatz vor: „Ich bin Jude, ich darf das sagen und zeigen." Im Anhang sind alle im Buch besprochenen Filme mit einer Synopse vorgestellt, so dass man die Möglichkeit hat, sich auch über Filme zu informieren, die man verpasst hat. Ausführliche Fussnoten begleiten den Text. Ein sehr lesenswertes und informatives Buch, dem viele Leserinnen und Leser zu wünschen sind.