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S. E. Johannes K. Haindl,

Monika KACZEK

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Der 1956 in München geborene Jurist Johannes K. Haindl war in den Jahren 1983 bis 1987 als Journalist beim Bayerischen  Rundfunk (Fernsehen) tätig. Von 1989 bis 1991 leitete er das Kulturreferat der Deutschen Botschaft in Belgrad und war im Anschluss als Vertreter der Politischen Abteilung (Deutsche Botschaft in Washington) sowie Deutscher Austauschbeamter im US -Department of State, OSZE-Referat, aktiv. Weitere Berufungen führten ihn nach Deutschland (Stellvertretender Leiter des Sonderstabs Westlicher Balkan, Auswärtiges Amt, Berlin; Leiter des Referats Südosteuropa, Auswärtiges Amt, Berlin; Beauftragter für Südosteuropa und die Türkei, Auswärtiges Amt, Berlin). Von 2006 bis 2009 war er Gesandter in den USA, danach bis 2011Botschafter in der Tschechischen Republik und später Vertreter der Bundesrepublik Deutschland im Politischen und Sicherheitspolitischen Komitee der EU (2011 bis 2015). Seit dem 20. Juli 2015 ist S. E. Botschafter der Bundesrepublik Deutschland in Wien.h111_040

Der Botschafter der Bundesrepublik Deutschland in Österreich, Johannes E. Haindl. Mit freundlicher Genehmigung: Botschaft der Bundesrepublik Deutschland, Wien.

DAVID: Sie sind seit Juli 2015 Botschafter der Bundesrepublik Deutschland in Wien. Was waren Ihre ersten Eindrücke von der Stadt und haben Sie Lieblingsplätze?

Botschafter Haindl: Ich hatte, als ich im vergangenen Jahr nach Wien kam, sehr hohe Erwartungen. Aber Wien ist es gelungen, diese hohen Erwartungen sogar noch zu übertreffen. Es ist schlicht und einfach eine fantastische  Stadt voll herrlicher, geschichtsträchtiger Architektur, mit Museen von Weltrang, einem unvergleichlichen Musik- und Theaterangebot und - auch das ist zu erwähnen - mit einer städtischen Infrastruktur, die ihresgleichen sucht.

Was meine Lieblingsplätze angeht, so könnte ich Ihnen nun eine lange Liste von Cafés und bestimmten Museumssälen und so weiter aufzählen, aber mein eigentlicher Lieblingsplatz ist die Stadt als solche. Das, was ich in Wien am liebsten mache, ist ziellos durch die Strassen zu schlendern und die Stadt, ihre Architektur und ihr ganz besonderes Flair in mich aufzusaugen.

DAVID: Der Kontakt und die Zusammenarbeit zwischen der Deutschen Botschaft und der jüdischen Gemeinde in Wien sind sehr vielfältig. Haben Sie für das kommende Jahr Pläne für gemeinsame Veranstaltungen?

Botschafter Haindl: Die Botschaft schätzt den engen Kontakt und das hervorragende Verhältnis zur jüdischen Gemeinde sehr. So divers wie das kulturelle Leben in Wien selbst sind auch die Berührungspunkte, und wir freuen auf viele spannende Projekte und eine fruchtbare Zusammenarbeit. Ich bin gespannt, was sich 2017 wieder für interessante Impulse und Ideen aus dem intensiven Austausch ergeben werden. Die Botschaft selbst hat schon ein konkretes Projekt in der Planung, das sicherlich auch die jüdische Gemeinde interessiert. „Hass ist ein Mangel an Fantasie", eine Lesung Ende Januar in meiner Residenz. Vorgestellt werden Dichter, wie Else Weber, Leo Strauss und Paul Aron Sandford. Alle diese Literaten verbindet das schreckliche Schicksal des Konzentrationslagers Theresienstadt.

DAVID: Der Jahreswechsel ist meist ein Zeitpunkt, um auf das vergangene Jahr zurück zu blicken. In Ihrer Grussbotschaft aus dem Jahre 2015 zu Channuka, dem jüdischen Lichterfest, schrieben Sie: „Das Lichtfest steht stellvertretend dafür, dass Menschen auch in dunklen Zeiten niemals die Hoffnung verlieren dürfen." 1 Engagierte Aktionen der Zivilgesellschaft, wie zum Beispiel das Dresdner Bündnis  „Herz statt Hetze" 2 , sind Botschafter dieser moralischen Grundhaltung.

Botschafter Haindl: Demokratie lebt davon, dass sich die Bürger engagieren, dass sie mitmachen. Und sie lebt auch davon, dass man Flagge zeigt und den öffentlichen Diskurs, den Marktplatz nicht den Hetzern und denjenigen überlässt, die am lautesten schreien. Die überwältigende Mehrheit in unserem Land ist demokratisch, europäisch und weltbürgerlich gesinnt. Wir erleben tagtäglich, dass diese Menschen bereit sind, zu helfen und sich einzubringen. Es gibt also aus meiner Sicht gar keinen Grund, die Hoffnung zu verlieren.

DAVID: Zum Abschluss des Gesprächs würden wir Sie gerne auch nach Ihren musikalischen, literarischen und sonstigen kulturellen Interessen fragen.
Botschafter Haindl: Ich lese viel und bin literarisch sehr interessiert. Und eines meiner Lieblingsbücher ist ein Österreich-Roman, nämlich Musils ‚Der Mann ohne Eigenschaften‘. Leider komme ich in Wien nicht genügend zum Lesen. Nicht nur wegen beruflicher Termine, sondern weil diese Stadt ein so eimaliges Kulturprogramm bietet, dass man fast ein schlechtes Gewissen hat, wenn man zuhause bleibt und liest. Jeden Abend steht man in Wien vor der Wahl: Soll man ins Theater oder in die Oper gehen? In ein Konzert oder vielleicht doch lieber zu einer Ausstellungseröffnung? Und die Entscheidung fällt immer wieder schwer.

DAVID: Vielen Dank, Herr Botschafter, für das interessante Gespräch.

1  http://www.wien.diplo.de/Vertretung/wien/de/06/Gru_C3_9Fwort__BO__Haindl__Chanukka__Fest__2015__Seite.html

2  https://www.deutschland.de/de/news/herz-statt-hetze