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Von Fürth nach Südafrika: eine etwas andere Überlebensgeschichte einer deutschen Jüdin

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Ruth Weiss: „Wege im harten Gras. Erinnerungen an Deutschland, Südafrika und England." Mit einem Nachwort von Nadine Gordimer

Verlag Edition AV, Lich/Hessen 2016 

295 Seiten, Broschur. 16 S/W-Abb. (?) 29,95 Euro

ISBN 978-3-86841-162-1

Was für ein Leben! Was für eine Frau! Als Ruth Löwenthal 1924 in Fürth als Tochter der orthodoxen Familie Löwenthal geboren wird, ist die Welt noch in Ordnung. Das sollte sich jedoch schon bald ändern. Zum Glück für den Vater und seine Familie verliert er seinen Posten in Nürnberg schon 1933. Die Familie schenkt ihm eine Schiffskarte nach Südafrika, und so bricht der Vater als Vorhut der Familie von Fürth ans andere Ende der Welt auf. 1936 folgt ihm der Rest der Familie. Wieder hat sie Glück, denn noch im selben Jahr gibt es keine „Massenemigration" mehr nach Südafrika. Mit dem letzten Flüchtlingsschiff trifft die Mutter mit den beiden Töchtern ein. Wenigstens die enge Familie ist gerettet. 

Schon 1936 nimmt Ruth die Rassendiskriminierung wahr: Die Weißen sind die Herren, die Schwarzen ihre Diener. Die Eltern betreiben ein Kolonialwarengeschäft. Früh lernt Ruth auch den Unterschied zwischen Arm und Reich kennen, denn sie darf nicht studieren. 

Also fängt sie an zu arbeiten, erst als Angestellte in einem Rechtsanwaltbüro, danach vier Jahre in der Buchhandlung ihres späteren Mannes, Hans Weiss, und zum Schluss noch einmal vier Jahre in einem Versicherungsbüro. Um Abstand von ihm zu bekommen, zieht sie nach London und arbeitet in einem Verlag. Zwei Jahre später kehrt sie nach Südafrika zurück. Neben ihrer Arbeit in der Versicherung -- jemand in der Familie muss den Unterhalt verdienen -- wird sie die Assistentin ihres Mannes, der für deutsche Medien schreibt. Seit 1960 ist Ruth Weiss schließlich selbst als Journalistin tätig, in Johannesburg, später in Salisbury im damaligen Südrhodesien, danach in London. Vorübergehend versucht Ruth Weiss sich als Chefin der Afrika-Redaktion der Deutschen Welle, von 1975 bis 1978. 

Schon früh setzt sie sich gegen den Rassismus in Südafrika ein. Sie ist ein durch und durch politisch geprägter Mensch. Anfang der 1960er Jahre bringt ihr das einen Eintrag in eine „Schwarze Liste" ein. Sie wird zur Persona non grata erklärt und darf nicht mehr in Südafrika einreisen. Beim Lesen der Autobiografie wird man viel über die Entwicklung der politischen Ereignisse im südlichen Afrika erfahren. Ruth Weiss kennt Nelson Mandela persönlich ebenso wie viele der damals führenden afrikanischen Freiheitskämpfer. Ende der 1960er Jahre muss sie auch Südrhodesien verlassen, weil sie sich kritisch über die politische Entwicklung äußert. 

Neben ihrer journalistischen Tätigkeit schreibt Ruth Weiss Bücher, anfangs Sachbücher, später auch Romane, ihre Autobiografie kommt zum ersten Mal 1994 auf Deutsch heraus. Die vorliegende Ausgabe ist eine Erweiterung der ersten Ausgabe, die 2014 zudem in Basel auf Englisch herausgekommen ist. Ruth Weiss hat ein Leben lang gearbeitet und ihren Sohn allein aufgezogen. Bei ihm und seiner Frau wohnt sie mittlerweile in Dänemark.

Spannend und informativ liest sich Ruth Weiss Autobiografie, eine Frau, die sich nicht um des billigen Vorteils willen verbiegen und sich nicht den Mund verbieten lässt. Was für ein Leben! Was für eine Frau!