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Virtuelle Rekonstruktion der Synagoge in Lackenbach

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„Menschen haben seit Urzeiten Angst vor dem Vergessen. Die Angst vor dem Vergessen ist die Angst vor dem Tod. ... Erinnerung ist das Mittel Zeit festzuhalten und in gewisser Weise den Tod fernzuhalten."1

Der folgende Artikel ist ein Exzerpt aus einer Diplomarbeit2 an der Technischen Universität Wien und befasst sich mit der virtuellen Rekonstruktion der Synagoge in Lackenbach, im österreichischen Burgenland, die 1942 gesprengt und seitdem nicht wieder aufgebaut worden ist.

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Aussenansicht der Synagoge Lackenbach.

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Grundrissplan Erdgeschoss der Synagoge Lackenbach.

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Grundrissplan Obergeschoss der Synagoge Lackenbach.

Was bedeutet der Begriff „Virtuelle Rekonstruktion" und warum gibt es diesen? Mit einer virtuellen Rekonstruktion ist der Wiederaufbau von existenten als auch von nicht mehr existenten Gebäuden gemeint. Genauer definiert sich diese Rekonstruktion auch als virtuell, also als eine sich in einer anderen Realität befindlichen. Die Erstellung einer Rekonstruktion geschieht in einem ebenso virtuellen Gebilde, einem Computerprogramm. Realität werden mögliche Rundumblicke am Bildschirm oder hochauflösende digital aufbereite Fotografie. Solange dieses rekonstruierte Gebilde nicht gebaute Realität wird, bleibt es das Ziel die Immersion des Betrachters zu stärken. Mit Immersion ist das geistige Eintauchen in eine virtuelle Realität gemeint. Der Grad der Detailgenauigkeit, die realgetreue Darstellung verschiedener Materialien, wie Holz, Metall oder Stein und noch viele weitere Elemente können die Tiefe dieses Eintauchens bestimmen.

Zur Darstellung der virtuellen Rekonstruktion wurden wie bereits erwähnt diverse Computer-Programme angewendet. Einerseits zur Erstellung der Objekte und andererseits zur realitätsgetreuen Darstellung. Dazu zählt in erster Linie eine künstlich erzeugte Belichtung und auch Beleuchtung. Verschiedene mathematische Formeln, die zu einem Algorythmus zusammengefasst werden, imitieren natürliche oder künstliche Lichtquellen, die den Grad an Erfahrbarkeit der erstellten Objekte und ihrer Materialität bestimmen. Nicht nur das Licht und sein Vermögen die erzeugten Objekte erstrahlen zu lassen, sondern auch der generierte Schatten, der andere Flächen umhüllt und sie dadurch an Plastizität gewinnen lässt, spielen eine Entscheidende Rolle. Da sich seit 1998 bereits mehr als 40 derartige Rekonstruktionen mit der Thematik des jüdischen Tempelbaus verschiedener Epochen auseinandergesetzt haben, kann auf ein umfangreiches Repertoire zurückgegriffen werden und ebenso die stetige Entwicklung der Programme und Nutzer abgelesen werden.h111_006

Innenraum der Synagoge Lackenbach mit Deckengestaltung.

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Schnitt Frauenempore der Synagoge Lackenbach.

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Schnitt Süd gesamt der Synagoge Lackenbach.

Neben dem Stand und der Entwicklung der Technik der virtuellen Rekonstruktion muss natürlich auch auf die Entwicklung der jüdischen Sakralarchitektur hingewiesen werden. In Betracht gezogen wird, dass es sich um eine Entwicklung von beinahe 200 Jahren allein auf die Synagoge in Lackenbach bezogen und mehr als 2000 Jahre auf den Tempelbau per se handelt. Diese Tempel waren die gebaute Manifestation jüdischen Glaubens und unterlagen rituellen und baulichen Vorschriften sowie der Vorstellungskraft ihrer Nutzer und der Kunstfertigkeit der beauftragten Handwerker.

Als unterstützende Vor- und Unterlagen dienten dem Verfasser Bild- und Textdokumente. Wie bei bereits vorangegangenen virtuellen Rekonstruktionen, die auf die Problematik von fehlenden bautechnischen Dokumenten gestossen sind, wird eine Annäherung anhand zeitgenössisch gebräuchlicher Bautechnik und bereits aufgenommener Vergleichsbauten, die auch beschrieben werden, angestrebt.

Die Erläuterung spezifischer Prozesse des digitalen Wiederaufbaus des jüdischen Tempels mithilfe von CAD (Computer-Aided-Design) - Softwarepaketen dienen als einführende Einleitung zum abschliessenden Teil der vollständigen Arbeit.

Die Geschichten rund um den Bau, die der Menschen, die sie gesehen und betreten und auch renoviert haben spiegeln eine vergangene Epoche. Nach den mitunter tragischen Überlieferungen wäre das Gebäude an sich eine für das einzelne Auge wohl eine angenehme Erfahrung gewesen, damals wie heute. Aufgrund der dahinter, leider in diesem Falle zum grossen Teile, verborgenenen Baugeschichte konnte anhand der überlieferten Fotografien die Positionierung wichtiger baulicher Merkmale bestimmt werden. Die zentralen Elemente des jüdischen Sakralbaus, die Bima und der Thoraschrein, prägten und prägen das Raumgefüge. Die vielen Beispiele aus Ungarn, Österreich, Tschechien und Polen bilden in ihrer Grundrissform entweder einen Zentral- oder Longitudinalbau. Die Aufgabe des Architekten war es nun „...mit einem spannungsvollen Raumkontinuum im Sinne eines zentralisierten Langhauses oder eines longitudinalen Zentralraumes zu antworten." 3 Im Falle der Lackenbacher Synagoge handelte es sich um einen longitudinalen Zentralraum, der sich allerdings nicht wie so oft auf der Ost-West-Achse erstreckte, sondern in Nord-Süd. Die nordseitig angebaute Frauenempore ist dabei als Stilmittel zu sehen. Die exakte Ausrichtung nach Jerusalem ist eine Besonderheit.

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Innenraum der Synagoge Lackenbach, Blickrichtung Osten.

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Ansicht Ost und West der Synagoge Lackenbach.

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Ansicht Nord der Synagoge Lackenbach.

Äusserlich erweckte das gesamte Erscheinungbild des Komplexes einen lebendigen Eindruck. In dem seltenen Fall der Lackenbacher Synagoge bestand die Synagoge als Komplex mit angebauten Wohnzeilen. Die an der Südfassade angebaute Zeile wurde über ein Jugendstil-haftes Stiegenhaus erschlossen. Im Dorfgefüge befanden sich die Gebäude in einer Hofsituation parallel zu der Nord-Süd verlaufenden Hauptstrasse im Zentrum. Einen symmetrischen Abschluss des Hofes bilden eben die vorspringenden Fassenden der Wohn- und Beträumlichkeiten. Nach Aussen vermittelt die Synagoge im Ensemble einen nüchternen, klassischen Eindruck. Wird jedoch die Perspektive gewechselt so erinnert der Innenraum mit barocken Stilelementen wie Halbkreisfenstern, Gips-Stukkaturen und Muschelwerken an prunkvolle Epochen. Stilistisch wurden Säulen, Pilaster und Fenster zu Gruppen zusammengefasst, die in alternierender Subordination, also abwechselnder Ordnung, ein Gesamtsystem bilden sollten. Das Prinzip galt für Fassaden ebenso wie für Innenräume. Typisch für das Barock sind ausserdem grosse Rundbogenfenster, Halbkreisfenster, gesprengte Giebel, verkröpfte Gesimse und Gipsstuck. Alle aus der Antiken Klassik und der Renaissance bekannten Stilmittel wie Knorpel-, Muschel- und Bandelwerken und Ornamente wie Akanthus, Palmette, Zahnschnitt, Eierstab und Feston4 wurden verwendet.

Abschliessend soll darauf hingewiesen werden, dass die vorliegenden Arbeit nicht als eine Endergebnis angesehen werden, sondern wie die Synagogenarchitektur oder der Architektur im Allgemeinen einen Zwischenstand wiedergeben soll, der problemlos verändert und erweitert oder reduziert werden kann. Neben der Wirkung der angestrebten Erinnerung soll auch auf den technischen Fortschritt der heute mehr denn je digital vernetzten Menschheit im Bereich der virtuellen Realität hingewiesen werden.

Das Zitat zu Beginn des Artikels soll den Leser auf das Streben nach Unsterblichkeit hinweisen. Die virtuelle Wiedergabe vergangener Raumerlebnisse dient nicht nur der Erinnerung an sich sondern soll vielmehr eine Weitergabe von alten wie neuen Erfahrungen an folgende Generationen darstellen. Aufgrund einer gelungenen Wiedergabe erschliesst sich dem Betrachter eine vielschichtige Geschichte einfacher bzw. wird die Immersion gestärkt: das Eintauchen in erschaffene greifbare und gedachte, virtuelle Realitäten. 

Nach den gleichen Prinzipien handelten Menschen damals wie heute.

Alle Abbildungen: Virtuelle Rekonstruktion. Alle Rechte: B. Gaugelhofer, mit freundlicher Genehmigung.

1  Vincent Amouroux: „Unser digitales Gedächtnis - Die Speichermedien der Zukunft", 2015 http://www.arte.tv/guide/de/050717-000/unser-digitales-gedaechtnis-die-speichermedien-der-zukunft

2  GAUGEHOFER Benjamin, „Virtuelle Rekonstruktion der Synagoge in Lackenbach", Diplomarbeit an der Technischen UNversität Wien (2016)

http://catalogplus.tuwien.ac.at/primo_library/libweb/action/display.do?tabs=detailsTab&ct=display&fn=search&doc=UTW_aleph_acc000701443&indx=2&recIds=UTW_aleph_acc000701443&recIdxs=1&elementId=1&renderMode=poppedOut&displayMode=full&frbrVersion=&vl(D487844771UI4)=1-YEAR&vl(487848257UI0)=any&vl(drStartMonth6)=00&&vl(487849216UI1)=any&vl(drEndYear6)=Jahr&dscnt=0&vl(1UIStartWith0)=contains&vl(1UIStartWith2)=contains&vl(976016785UI2)=any&mode=Advanced&vid=UTW&vl(boolOperator1)=AND&tab=default_tab&vl(487849261UI3)=all_items&vl(freeText1)=&vl(drStartDay6)=00&vl(drStartYear6)=Jahr&dstmp=1478808296161&frbg=&vl(487849310UI5)=all_items&vl(1UIStartWith1)=contains&srt=rank&vl(boolOperator0)=AND&vl(drEndMonth6)=00&Submit=Suche&vl(freeText2)=&vl(boolOperator2)=AND&vl(freeText0)=virtuelle&dum=true&vl(drEndDay6)=00

3  http://www.nzz.ch/articleCR00T-1.138045

4  Siehe Glossar