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Hitlers Manager des Todes

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Johannes Sachslehner: Zwei Millionen hamma erledigt. Odilo Globocnik - Hitlers Manager des Todes

Wien u.a.: Styria premium 2014

368 Seiten, Euro 24,99

ISBN 978-3-222-13449-4

Er raucht und trinkt gern. Er macht gern Geschäfte auch mit Juden, wenn es sein muss, obwohl er sie hasst, die Juden, von denen es in seiner Heimat Kärnten kaum welche gibt. Er wird schliesslich zum besonderen Protegé Heinrich Himmlers, der die Vernichtung aller Juden und die Germanisierung der Welt zum Ziel hat und seine schützende Hand fast bis zum Ende der Nazi-Schreckensherrschaft über ihn halten wird. - Die Rede ist von Odilo Globocnik, geboren am 21. April 1904 in Triest. Seine Sekretärin Wilhelmine - „Mimi" - Trsek bezeichnet ihn als „angenehmen Chef", als „sensiblen Typ". Weniger von ihm eingenommene Zeitgenossen charakterisieren ihn als „Wichtigtuer, als jemand, der masslos übertrieb", so Rudolf Höss, der Kommandant von Auschwitz.

Schon früh wird „Globus", wie er von guten Bekannten genannt wird, Parteimitglied, er befördert nach Kräften Österreichs „Anschluss" an das Dritte Reich. Belohnt wird er zunächst mit dem Posten des Gauleiters von Wien, den er allerdings nur von Mai 1938 bis Januar 1939 bekleidet, weil er es mit der Buchhaltung nicht so genau nimmt und daher nach Lublin versetzt wird. Am 1. November 1939 ernennt ihn Heinrich Himmler zum Höheren SS- und Polizeiführer im Distrikt Lublin. Jetzt zeigt sich seine Tüchtigkeit: Es beginnt mit Verhaftungen und führt zu Massenerschiessungen, vor denen er die Opfer - vor allem Juden, aber auch Repräsentanten der polnischen Intelligenz - ihr Grab ausheben lässt. Vor der Erschiessung lässt er sie sich dicht an dicht und Fuss an Kopf hinlegen, um Platz zu sparen. Schicht um Schicht füllt sich so das Massengrab.

Im Herbst 1941 findet Globocniks Plan zur Vernichtung der in den Ghettos zusammengetriebenen Juden in Berlin breite Zustimmung. Dank der von ihm in die Wege geleiteten Aktion Reinhardt rollen die Todeszüge in die Mordlager Belzec, Sobibor und Treblinka.

Gleichzeitig versucht sich Globocnik an der Verwirklichung von Himmlers zweitem Lieblingsprojekt: der umfassenden Germanisierung eroberten Gebiets. Zum Auftakt werden im Kreis Zamosc rund 2000 Polen aus sieben verschiedenen Dörfern vertrieben und durch 100 volksdeutsche Familien aus Radom ersetzt. Zwischendurch lässt Globus weit über 5000 sowjetische Kriegsgefangene ermorden. Die systematische Vernichtung der Juden läuft unterdessen weiter. Allein im April 1942 werden 26.000 Juden von Lublin nach Belzec deportiert und dort ermordet. Im Juni 1942 folgen die ersten Versuche zur Vergasung mit dem Blausäuregift Zyklon B. Mit dabei ist Hygienefachmann Kurt Gerstein, der Maidanek und Belzec besichtigt. Im Zug von Warschau nach Berlin erzählt er dem Sekretär der Schwedischen Botschaft in Berlin, was er gesehen hat. Der Diplomat berichtet es anderen. Das Ergebnis: eine Aktennotiz. Niemand will von seinen Erlebnissen hören oder etwas unternehmen.

Globocnik ermordet die Juden aber nicht nur, er gibt sich ausserdem grosse Mühe, an ihren Besitz zu kommen. Auch hier erweist er sich als tüchtig. Schon im Mai 1943 heisst es im Bericht eines SS-Obersturmbannführers nach einem Besuch in Lublin: „Das "Spezialunternehmen Reinhard" [sic] hat bis jetzt 2500 Kilo Gold, 20.000 Kilo Silber, 6,5 Kilo Platin, 60.000 Reichsmark in Devisen, 800.000 Dollar Bargeld und 144.000 Golddollar abgeliefert." Am 5. Januar 1944 berichtet Globocnik selbst von einem Gesamterlös aus dem Mord an den Juden unter seiner Regie in der Höhe von 178.745.960,50 Reichsmark.

Am Ende verscherzt er es sich mit seinen Vorgesetzten. Himmler sorgt dafür, dass er im September 1943 nach Italien versetzt wird. Auch in seiner Geburtsstadt Triest lässt er Juden verfolgen und ermorden und ihre Wertgegenstände beschlagnahmen.

Als der „Führer" in Berlin Selbstmord begeht, zieht Odilo Globocnik seine SS-Uniform aus und verlässt Triest. Er stösst zu anderen Nazis, die sich auf der Mösslacher Alm verstecken. Als sie Ende Mai 1945 von Alliierten verhaftet werden, zerbeisst Globocnik die Zyankali-Kapsel, die er schon längere Zeit bei sich trägt. Seine Leiche wird auf den „Sautratten" an der Drau verscharrt.

Wenn man diesen grauslichen Bericht über einen der wohl entsetzlichsten Nazi-Mörder gelesen hat und aus der Hand legen kann, atmet man auf. Um über das Leben von Odilo Globocnik zu erzählen, bedarf es keiner dramaturgischen Griffe, der Stil ist nüchtern, die Geschichte ist dramatisch genug. Wer meint, er wisse alles über die Ermordung der Juden, den belehrt dieses Buch eines Besseren.