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Die Schnitzlers

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Jutta Jacobi: Die Schnitzlers. Eine Familiengeschichte. St.Polten: Residenz 2014. 294 S.

Euro 24.90

ISBN 978 3 7017 32791

Die in Hamburg lebende Germanistin Jutta Jacobi hat ein literarisch besonders sensibel geschriebenes und daher überaus lesenswertes Buch über die Familie Schnitzler

geschrieben.

Die Geschichte beginnt mit Johann Schnitzler, dem Sohn eines armen Tischlers in Nagykanizsa in Ungarn, der in Wien ein berühmter Arzt und Redakteur der „Wiener Medizin-Halle" wurde. Die heute baufällige Synagoge dieses Ortes steht noch; Jacobi besuchte sie mit der Judaistikstudentin Eszter Lesták; sie hatte eine Orgel und ihr wirkte der auch literarisch interessierte und gebildete Reformrabbiner Leopold Löw.

Johann heiratete 1861 in Baden bei Wien Louise Ludovica Markbreiter; der amtierende Rabbiner Adolf Jellinek „vertritt ein Judentum, das für Humanität, Aufklärung und Gemeinsinn steht." Aber das Judentum spielt für die Familie kaum mehr eine Rolle; Arthur Schnitzlers dreizehnter Geburtstag wird mit keiner Bar Mizwa gefeiert. Die Familie ist dennoch mit dem späteren Wiener Oberrabbiner David Feuchtwang befreundet. Er verheiratete Arthur 1903 im Tempel in der Schopenhauerstrasse mit Olga Gussmann. 1921 wurde die Ehe geschieden.

1938 gelang es Olga mithilfe des britischen Studenten Eric A. Blackall Schnitzlers Nachlass nach Cambridge zu retten. Nach dem Exil in England und in den USA lebte sie bis zu ihrem Tod 1970 in Lugano. Sie bekannte sich in ihrer letzten Lebensphase zum Katholizismus und lehrte als Schülerin von Emil Fröschels katholischen Priestern Logopädie, verhalf ihnen also zu besserem Sprechen.

Das schwierigste Kapitel des Buches ist die Schilderung der Tragödie des Selbstmords von Arthurs Tochter Lili 1928 in Venedig. Der ältere Bruder Heinrich Schnitzler heiratet nach einer kurzen Ehe mit Ruth Albu die aus einer assimilierten jüdischen Familie stammende, protestantisch getaufte Lilly von Strakosch-Feldringen. Die beiden Söhne Peter, geboren 1937, und Michael, geboren 1944, werden als nichtjüdische Amerikaner aufwachsen. Heinrich „hätte die Israelitische Kultusgemeinde schon verlassen - wenn die Zeiten nicht wären, wie sie sind."  Michael lebt heute als Musiker in Wien und fühlt sich nicht als Jude.

1959 kehrte Heinrich nach Wien zurück.  Wenn er auf ehemalige Nazis traf musste er durch sie hindurchsehen. Seine Enkelin, Peters Tochter Giuliana, fand zum Judentum zurück. Sie ist Vizepräsidentin der liberalen jüdischen Gemeinde Or Chadasch in Wien und wird in dem Buch mit dem Satz zitiert: „Es war uns Kindern völlig klar", sagt sie, ‚dass wir eine jüdische Familie sind." Ihre Tochter heisst mit Nachnamen Schnitzler und studiert

Medizin.

Jacobi kann auf sehr viel historische Literatur und auf Arthur Schnitzlers vielbändige Tagebuch- und Briefausgaben zurückgreifen. Die umfangreiche germanistische Sekundärliteratur konnte sie mit Recht ausser acht lassen. Allerdings wäre es für die interessierten Leser doch hilfreich gewesen, einige wichtige Studien zu Schnitzlers Judentum oder zu seiner Biographie (von Bettina Riedmann, Nikolaj Beier und Ulrich Weinzierl) zumindest im Anhang zu erwähnen.

Ein wenig schade ist nur, dass die Autorin einige Vornamen (Leutnant Alter, der auch im Index fehlt, Dr.Bloch, den Herausgeber der „Österreichischen Wochenschrift", Rabbiner Baerwald in München und den drei Mal genannten Feuchtwang) unterschlägt.