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100 Jahre Hakoah Wien 1909-2009

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Susanne Helene Betz, Monika Löscher und Pia Schölnberger (Hg.). „ ... mehr als ein Sportverein". 100 Jahre Hakoah Wien 1909-2009. Innsbruck,

Wien und Bozen: Studienverlag 2009.

368 Seiten, Euro 29,90.

ISBN-10: 3706546833

Ein namhaftes Team von Wiener Historikerinnen, Soziologinnen und Politologen hat sich daran gemacht, zum hundertjährigen Jubiläum die wechselvolle Geschichte des jüdischen Sportvereins Hakoah zu schreiben. Der Verein selber hatte die Initiative dazu ergriffen und war an die Wissenschafterinnen und Wissenschafter herangetreten. Entstanden ist, dank Archivarbeit und der Befragung von Zeitzeugen, ein spannendes Buch, das die Facetten des jüdischen Sports in Mitteleuropa beleuchtet und somit weit mehr ist als eine reine Vereinschronik.

Der „Sport Club Hakoah" (hebräisch für „Kraft") Wien war nicht der erste jüdische Sportverein Mitteleuropas. Bereits mehr als zehn Jahr vor dessen Gründung war in Berlin Bar-Kochba Berlin entstanden. Beiden Vereinen war gemein, dass sie in einem grossstädtischen, antisemitisch gesinnten Umfeld entstanden und von Studenten gegründet wurden. Dass Bar-Kochba Berlin just im Jahre 1898 an die Öffentlichkeit trat, war kein Zufall. Im selben Jahr fand nämlich in Basel der Zweite Zionistenkongress statt, an dem der Arzt, Schriftsteller und Politiker Max Nordau (1843-1929) prominent und engagiert auftrat. Nordau war damals der bekannteste Verfechter des so genannten „Muskeljudentums" Analog zu den mehrheitlich nationalen deutschen Turnern oder den englischen sportlichen Gentlemen sollten sich auch jüdische Menschen physisch betätigen und somit den imaginierten „Volkskörper" stärken. Im antisemitischen Diskurs nämlich wurde der jüdische Körper in Wort und Bild gerne als weiblich, schwächlich, ja sogar als tuberkulös dargestellt. Sogar Nordau bestätigte in einer Publikation diese vielfach reproduzierten antisemitischen Stereotypen und wandte sich gegen die scheinbare körperliche Inferiorität der Juden

Besonders erfolgreich waren die Fussballer, wurden doch die Kicker 1925 erster österreichischer Profimeister! Die Wiener Derbys waren allerdings überschattet von antisemitischen Manifestationen, zumal in den braunroten Vorstädten Hütteldorf, Favoriten oder Floridsdorf. An der Hetze beteiligte sich die christlichsoziale Presse. Mehrere namhafte ungarische Juden hatten das Team Hakoahs verstärkt, so der Mittelfeldspieler Béla Guttmann, der später als Trainer zur Legende avancierte. Die meisten Meisterspieler von 1925 überlebten die Gräuel des Zweiten Weltkrieges. Ihnen kamen die internationalen Beziehungen zupass, so dass sie rechtzeitig flüchteten und in den Vereinigten Staaten Zuflucht fanden, wo ihr Verein Auslandtourneen bestritten hatte. Mehrere Fussballer überlebten sogar die KZ-Haft.

Wichtig war die Fussballsektion nicht zuletzt für die internationale Ausstrahlungskraft des Vereins. Bereits 1903 hatte sich die international ausgerichtete „Jüdische Turnerschaft" organisiert, der 1914 bereits 89 Vereine der jüdischen Diaspora angehörten. Hakoah-Vereine entstanden auch in Linz, Leoben, Graz und Innsbruck, aber auch in den USA (Hakoah New York), in der Schweiz (Hakoah Zürich) dem damaligen Palästina und in Australien. Die Hakoahner beteiligten sich an den Makkabiaden im In- und Ausland. So manch eine Sportlerin und so manch ein Sportler lernte auf diese Weise zum ersten Mal Israel kennen und schuf sich Beziehungen, die in der Zeit der Verfolgung das nackte Überleben sicherten. Besonders erfolgreich war die Schwimmsektion. Fritzi Loewy und Hedy Bienenfeld-Wertheimer gehörten zu den besten Schwimmerinnen der Welt und sind Beispiele dafür, wie die Hakoah auch Frauen förderte und somit ihren Teil zur Emanzipation beitrug.

Hakoah war aber, so sagt es schon der Titel des sehr schön bebilderten Sammelbands, dessen Beiträgerinnen und Beiträger sich auf die pionierhaften Forschungen John Bunzls stützen konnten, tatsächlich „mehr als ein Sportverein." Sie stärkte das Selbstbewusstein und somit die jüdische Identität der vielen tausend Mitglieder, ohne sehr religiös ausgerichtet zu sein. So war es den Mitgliedern anheim gestellt, am Sabbat Sport zu treiben. Die Hakoah förderte den kulturellen und sprachlichen Austausch zwischen assimilierten Juden und den Emigrantinnen und Emigranten aus Osteuropa. Und sie pflegte ein reges geselliges und kulturelles Leben.

Im Schicksalsjahr 1938 wurden die Hakoah entschädigungslos enteignet. Die Geschichte der mühevollen Restitution der Sportstätten zeigt auf, wie schwer sich Österreich mit seiner nationalsozialistischen Vergangenheit tat. Doch weist das schöne neue Sportzentrum den Weg in eine hoffentlich blühende Zukunft.