Monika Kaczek
Heimo Halbrainer: Franz Leitner. Kommunist und „Gerechter unter den Völkern“. Graz: CLIO Verein für Geschichts- und Bildungsarbeit 2023.
Gebunden, mit zahlr. Abb., 180 Seiten, Euro 20,00.-
ISBN: 978-3-902542-98-4
Franz Leitner wurde am 12. Februar 1918 als Sohn von Helene und Franz Leitner in Wiener Neustadt geboren. 1935 übernahm er die Leitung der verbotenen Roten Hilfe für den Kreis Wiener Neustadt und im folgenden Jahr legte er an der Gewerbeschule für Maschinenbau seine Matura ab. Wegen kommunistischer Tätigkeit wurde er zu vier Monaten Haft und einer 15-monatigen Polizeistrafe verurteilt, die er im Anhaltelager Wöllersdorf absitzen musste. Im Anschluss an die Entlassung kehrte Franz Leitner nach Wiener Neustadt zurück, um sich weiter seinen politischen und antifaschistischen Aktivitäten zu widmen. Im Mai 1938 wurde er vom Instruktor der Provinzkommission der KPÖ aufgefordert, sich aus der Parteiarbeit zurückzuziehen, da er aufgrund seiner polizeibekannten Aktivitäten den Aufbau der Zelle gefährden hätte können. Nach einem Aufenthalt in Bremen kehrte er im April 1939 in seine Heimatstadt zurück, wo er den Kontakt zu den GenossInnen wiederaufnahm.
Am 1. September 1939 wurde Franz Leitner von der Gestapo verhaftet und auf die Elisabethpromenade1 nach Wien gebracht. Vier Tage später erfolgte die Deportation ins KZ Buchenwald. Unmittelbar nach der Ankunft am 7. September wurde Franz Leitner einem schweren Arbeitskommando zugeteilt. Ab Oktober 1943 war er als Blockältester dem Kinderblock (Block 8) zugeteilt. Im Sommer und Herbst des Jahres 1944 stieg die Anzahl der Kinder und Jugendlichen im Block 8 auf 400 an, da neben anderen Kindern auch 70 ungarisch-jüdische Jugendliche und 15 polnisch-jüdische Kinder im Alter zwischen acht und zwölf Jahren nach Buchenwald deportiert wurden (S. 95). Franz Leitner bestach den SS-Blockführer mit Zigaretten und konnte so bessere Haftbedingungen erreichen. Gemeinsam mit Mithäftlingen organisierte er einen Schulunterreicht. Durch sein Engagement rettete er zahlreichen jüdischen Kindern das Leben, unter ihnen Naphtali Lau-Lavie und dessen Bruder Israel Meir Lau, der spätere Oberrabbiner des Staates Israel. Als die SS-Männer am 11. April 1945 das KZ verliessen, übernahm Franz Leitner gemeinsam mit anderen ehemaligen Häftlingen das Lager, um es den U.S.-Truppen zu übergeben, die das KZ befreiten. Im Mai 1945 kehrte Franz Leitner nach Wiener Neustadt zurück, wo er als Bezirkssekretär der KPÖ tätig war und ein Jahr später das Amt des Vizebürgermeisters übernahm. Ab 1950 verfügte er über einen Sitz im Stadtrat, war er Abgeordneter zum Steiermärkischen Landtag und bis 1979 Landesparteivorsitzender der steirischen KPÖ. Von 1970 bis 1977 war er Mitglied des Politbüros der KPÖ. Als Mitglied des Präsidiums des Bundesverbandes der ehemaligen österreichischen Widerstandskämpfer und Opfer des Faschismus (KZ-Verband) engagierte er sich auch als Zeitzeuge in Schulen. Auf Initiative von Naphtali Lau-Lavie und Israel Meir Lau wurde Franz Leitner am 29. Oktober 1998 von Yad Vashem als Gerechter unter den Völkern ausgezeichnet.2 In einer Grussbotschaft an Franz Leitner anlässlich der Auszeichnungen bedankten sich die beiden geretteten Brüder:
„Herr Leitner, Sie waren in hervorragender Weise an der Etablierung von Block 8 beteiligt, wo hunderte von Kindern die Schrecken des Holocausts überlebten. Wir, beide Unterzeichnende, ehemalige Häftlinge 117.029 und 117.030 im KZ Buchenwald, sind voller Dankbarkeit für ihre bewundernswerte und erfolgreiche Arbeit im KZ Buchenwald. Wenn jemand es verdient hat von Yad Vashem geehrt zu werden, so sind Sie es, Herr Leitner.“ (S. 152)
Am 15. Jänner 2002 erhielt Franz Leitner den Menschenrechtspreis des Landes Steiermark und die damalige Landeshauptfrau Waltraud Klasnic hielt die Laudatio:
„Menschenrechte. Menschenliebe. Humanitäres Engagement. Gegen jede Vernunft, über alle Todesängste hinweg – aus dem Herzen heraus für andere da zu sein.“ (S. 156).
Franz Leitner starb am 20. Oktober 2005 im steirischen Höf-Präbach. Heimo Halbrainer porträtiert in seinem beeindruckenden Buch eine mutige und solidarische Persönlichkeit in Zeiten der Unmenschlichkeit.
„Ich glaube, dass ich auch im KZ Buchenwald meine Pflicht für Österreich und für die Menschheit getan habe.“ (S. 148)3
Anmerkungen
1 Die Elisabethpromenade benannt nach Kaiserin Elisabeth, hiess seit 1919 wieder Rossauer Lände. Das Gebäude Rossauer Lände 5 – 9 beherbergte das polizeiliche Untersuchungsgefängnis, im Volksmund Liesl genannt.
2 Yad Vashem, The Righteous Among the Nations Database ;
https://righteous.yadvashem.org/?search=Franz%20Leitner&searchType=righteous_only&language=en&itemId=4016072&ind=0 (21.04.2023)
3 Franz Leitner in einem Beitrag aus dem Jahre 1995
Zum Autor
Heimo Halbrainer ist Historiker in Graz und Leiter von CLIO Verein für Geschichts- und Bildungsarbeit. Darüber hinaus ist er wissenschaftlicher Mitarbeiter am Centrum für Jüdische Studien der Universität Graz und Obmann des Landesverbands Steiermark der österreichischen Antifaschisten, Widerstandskämpfer und Opfer des Faschismus (KZ-Verband). Seine Forschungsschwerpunkte und Publikationen widmen sich den Themenbereichen NS-Herrschaft, Widerstand und Verfolgung während der NS-Zeit, jüdische Regionalgeschichte und der Umgang mit der NS-Zeit nach 1945.