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„Der Traum von einer judenreinen Welt“

Johannes GERLOFF

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Liebe Leserinnen und liebe Leser,

Manchmal fühle ich mich hilflos. Da ist die Berichterstattung in der westlichen Welt, und dann soll ich den israelisch-palästinensischen Konflikt erklären.
Natürlich geht es um Menschenleben. Das Leben von Menschen ist unendlich wichtig. Kein einziges können wir ersetzen. Aber wenn Tote gegeneinander aufgezählt werden, gerät alles irgendwie in eine Schieflage. Selbstverständlich geht es um Land. Jeder Mensch braucht Raum, um sein Leben aufbauen zu können. Aber dann ist der Gazastreifen bei weitem nicht das am dichtesten bevölkerte Fleckchen Erde. Und wenn Juden im „Heiligen Land" wohnen wollen, müssen sie sich ihr Land kaufen - genau wie Türken in Berlin oder Deutsche auf Mallorca oder im Tessin.
Auch Menschenrechte sind extrem wichtig. Allerdings gehen wir ständig Kompromisse ein, wenn es um Zusammenleben geht. Jede Sicherheitsmassnahme schränkt persönliche Freiheiten ein. Und dann hat ein Palästinenser in keinem Land des Nahen Ostens so viele persönliche Entfaltungsmöglichkeiten, wie unter israelischer Herrschaft.
Was ist dann der eigentliche Grund, der diesen Konflikt so besonders - nach Aussagen mancher zum „Jahrhundertkonflikt" - macht? Ich kenne viele Israelis, die tief verletzt wurden, furchtbar enttäuscht sind, die Palästinenser satt haben, sie am liebsten los wären. Kürzlich schwärmte ein Israeli von Neuseeland: „Dort gibt es keine Schlangen, keine Skorpione und keine Palästinenser!" Ja, es gibt derlei Gedanken in israelischen Köpfen. Rassistische Äusserungen dürfen nicht geleugnet, sondern müssen verfolgt werden. Trotzdem ist der überwältigenden Mehrheit der israelischen Gesellschaft klar: Man kann die Palästinenser nicht einfach beseitigen. Sie haben ein Recht in dem Land zwischen Jordan und Mittelmeer. Nicht wenige Israelis setzen sich, organisiert oder auch privat, für die Zukunft und Rechte ihrer palästinensischen Mitmenschen und so für eine gemeinsame Zukunft ein. Israel opfert seine eigenen Soldaten, um die palästinensische Zivilbevölkerung zu schonen.
Leider scheint das auf palästinensischer Seite ganz anders zu sein. Zunächst einmal gibt es dort dieselben Verletzungen, Erfahrungen, Vorbehalte, Träume und Wünsche wie auf israelischer Seite. Aber da ist noch mehr. Eine Beobachterin von Versöhnungstreffen meinte vor einiger Zeit: „Palästinensische Christen sind bereit, den Juden zu vergeben, dass es sie gibt. Aber sie sind nicht bereit, sich für die Rechte des jüdischen Volkes im Land Israel einzusetzen. Die eigene Schuld in diesem Konflikt sehen sie nicht." Zudem sind unter palästinensischen Christen alte antisemitische Muster zu hören - bis hin zu der Aussage: „Die Juden sind doch der Antichrist!" Auf muslimischer Seite kommen noch Denkstrukturen und theologische Aussagen hinzu, die Juden jedes Existenzrecht bestreiten, nicht nur im Land Israel, sondern grundsätzlich in dieser Welt. Die Hamas opfert die eigenen Kinder, um ihre mörderischen Ziele zu verwirklichen.
Solange der Traum von einer judenreinen Welt Araber daran hindert, für das Existenzrecht ihrer Mitmenschen als Juden aktiv einzutreten, wird die Existenz des jüdischen Volkes nur durch blanke Gewalt zu sichern sein. Leider!


Mit von einem von Herzen kommenden „Schalom" grüsst Sie,


Ihr Johannes Gerloff