Walter Feichtinger, Gerald Hainzl (Hg.): Somalia, Optionen - Chancen - Stolpersteine, Band 6 der Reihe „Internationale Sicherheit und Konfliktmanagement"
Wien, Köln, Weimar: Böhlau Verlag 2011
299 Seiten, Euro 35,-
ISBN: 978-3-205-78582-8
Dass sich in Österreich, einem Land mit dezidiertem Osteuropa- und Balkanschwerpunkt, eine Zelle von Wissenschaftern und Sicherheitsexperten mit Afrika beschäftigt, ist nicht selbstverständlich. Umso mehr ist es erfreulich, dass mit dem vorliegenden Band ein sehr ausführliches und vielschichtiges Werk über den Konflikt am Horn von Afrika vorliegt.
Somalia, das schon zu Zeiten des Kalten Krieges Schauplatz langer und blutiger Stellvertreterkriege war, galt spätestens seit 1992 als gescheiterter Staat. Die von den USA bis 1995 angeführte UN-Truppe scheiterte bei der Stabilisierung des Landes. Das Land und sein Konflikt verloren an Bedeutung, bis islamische Extremisten - in Afghanistan immer stärker unter militärischen Druck geraten - ihre Präsenz in Somalia ausbauten. 2006 übernahm die „Union der islamischen Gerichtshöfe" die Macht und löste eine - vom Westen de facto unterstützte - äthiopische Intervention im Lande aus. Gleichzeitig wurde das Problem der Piraterie am Horn von Afrika immer aktiver.
Dieses Werk geht vor allem der Frage nach, was nun getan werden kann. Die Beiträge streifen nicht nur das internationale Engagement und die Sicherheitsprobleme (Piraterie, radikaler Islamismus und Rückzugsraum für Terroristen, Bürger- bzw. Stammeskriege, Sezessionismus), sondern werfen auch einen Blick auf die den Konfliktparteien zugrunde liegenden sozialen Gruppen (Stämme, Sippen), deren politische Ordnungsvorstellungen und Interessen. Zu dieser Thematik ist besonders der Beitrag von Thomas Zitelmann zu empfehlen. Markus Virgil Hoehne analysiert sehr ausführlich die Genese der islamistischen Strömungen und Bürgerkriegsparteien in Somalia, insbesondere die islamistischen Jugendmilizen Al Shabaab. Der Artikel verdeutlicht auch, wie stark Erfolg und Misserfolg dieser Strömungen von Faktoren abhängig sind, die jenseits der Reichweite internationaler Akteure liegen (Streitereien der Stammesführer, Stimmungen der Bevölkerung, Ernährungssituation, etc.).
Im letzten Abschnitt des Buches wird Bilanz über die bisherigen militärischen Anstrengungen zur Eindämmung und Beilegung des somalischen Bürgerkrieges gezogen und es werden Möglichkeiten für ein Ausdehnen der Bemühungen erörtert. Es wird gut herausgearbeitet, auf welche Probleme und Besonderheiten das internationale Engagement Rücksicht nehmen muss. Hier taucht auch eine entscheidende strategische Frage auf, die von den Autoren unterschiedlich beantwortet wird: Ist es wichtiger, Frieden zu schliessen, auch wenn dies die Einbindung radikaler Kräfte bedeutet, oder ist die militärische Eindämmung dieser Kräfte das eigentliche Ziel, auch wenn dies eine Zurückstellung von Friedensverhandlungen bedeutet? Hierzu wäre seitens des Rezensenten anzumerken, dass Frieden nicht gut an sich ist, sondern sich die Frage aufwirft, welchen politischen Abschluss man dadurch erkauft!